«Wer Vögel beobachten will, muss früh aufstehen»

Fotoporträt#31 Ronald Graber aus Bolligen ist ein leidenschaftlicher Vogelbeobachter und liefert wertvolle Daten für die Wissenschaft.

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Ganz Ohr und ganz Auge: Ronald Graber auf dem Egghölzli in Bolligen. (Bild: Danielle Liniger)

Ronald Graber (43) steht an einem sonnigen Herbsttag auf dem Egghübeli im höher gelegenen Bolliger Ortsteil Ferenberg. Sein Fernglas hängt griffbereit am Hals, zudem hat er das Fernrohr aufgestellt. Vom Morgengrauen bis gegen Abend beobachtet er durchfliegende Vögel. Der «Hauptstadt» erzählt er, was ihn antreibt: «Ich bin seit ungefähr 7 Uhr morgens hier. Zuerst habe ich mich eingerichtet und das Fernrohr aufgestellt. So lange es noch nicht hell ist, lausche ich nur auf die Flugrufe der Vögel, um sie zu bestimmen. Wenn ich unsicher bin, gebe ich die Stimmen auf der Website xeno-canto.org ein, das hilft mir manchmal, sie der richtigen Vogelart zuzuordnen.

Ich beobachte hier den ganzen Tag Zugvögel und notiere die Art und die Gruppengrösse. Meine Beobachtungen gebe ich am Abend auf der Meldeplattform der Vogelwarte Sempach ein. Ich liefere Daten, die später für wissenschaftliche Auswertungen genutzt werden können.

Roland Graber
Fotoportrait
Vogelbeobachtung
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© Danielle Liniger
Zugvögel sind oft alleine unterwegs. Ihre Beobachter auch. (Bild: Danielle Liniger)

Man muss früh aufstehen, wenn man Vögel beobachten will. Ich bin sehr gerne draussen. und mir gefällt die Ungewissheit. Man weiss nie, was der Beobachtungstag bringen wird. Mich hat mein Vater auf diese Leidenschaft gebracht, als Kind habe ich ihn oft begleitet. Im Teenageralter kam mir das Interesse an Vögeln vorübergehend etwas abhanden, doch danach erwachte es wieder.

2016 gehörte ich zu den Gründungsmitgliedern des Naturschutzvereins «Natur und Umwelt Bolligen-Ittigen-Stettlen» (Nubis), dessen Vizepräsident ich zurzeit bin. Wir sind eine Ortssektion von Birdlife Schweiz, interessieren uns aber auch breiter für den Naturschutz. Wir veranstalten für unsere rund 300 Mitglieder Vorträge und Exkursionen, leisten aber auch Arbeitseinsätze.

Für die Vogelbeobachtung ist der Herbstzug – er dauert von Mitte August bis Ende Oktober – günstiger als der Frühlingszug, weil er konzentrierter ist. Was vielen Menschen nicht bewusst ist: Zugvögel sind sehr häufig alleine unterwegs. Generell beobachten wir, dass die Zugvögel, insbesondere die Kurzstreckenzieher, im Frühling früher in den Norden fliegen und im Herbst später zurückkommen.

Auf unsere Initiative ist das Brutvogelinventar der Gemeinde Bolligen von Anfang der 90er-Jahre aktualisiert worden. Wir stellten fest, dass sechs Brutvogelarten in der Gemeinde nicht mehr beobachtet werden. Hingegen ist mit dem Mauersegler eine neue Art hinzugekommen. Generell ist es so, dass fast nur noch Vögel in Bolligen brüten, die sich an die menschlichen Aktivitäten anpassen können. Vögel mit höheren ökologischen Ansprüchen sind verschwunden.»

Roland Graber
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«Man weiss nie, was eine Beobachtungstag bringt»: Ronald Graber gefällt die Ungewissheit.l (Bild: Danielle Liniger)

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