«Ersatzteile muss man eben weltweit suchen»
Fotoporträt #29: Franco Elia führt ein Audio- und Video-Fachgeschäft. Aus der ganzen Schweiz bringen Menschen ihre kaputten HiFi-Anlagen zu ihm in die Länggasse.
«Als ich klein war, hatten wir zuhause ein Radio. Ich konnte nie verstehen, woher die Stimme kam, die daraus erklang. Meine Grossmutter hatte schon einen Fernseher. Ich sah den Menschen in diesem Fernseher und stellte mir vor, dass er über das Antennenkabel in diesen Fernseher hinaufgeklettert war. Und dort sass er dann. Es hat mich brennend interessiert, wie diese Geräte funktionieren.
Später während der Schulzeit hatte ich einen Kollegen, der alte Geräte sammelte. Wir bauten sie auseinander und mehr oder weniger erfolgreich wieder zusammen.
Gelernt habe ich Elektromechaniker, wobei mich die Mechanik nicht interessierte. Immer nur die Elektronik! Eigentlich wollte ich Elektroniker werden, aber im Oberland, wo ich aufgewachsen bin, gab es Anfang der 80er-Jahre keine Fernsehläden weit und breit.
Nach der Lehre habe ich jahrelang bei der Ascom gearbeitet, Reparaturen gemacht, im Telefoniebereich und bei Telefonvermittlungsanlagen. Nebenbei absolvierte ich die Technikerschule, am Abend und am Wochenende.
Mitten im Occasions-Boom
Vor 18 Jahren, als ich meinen Job bei der Ascom verlor, war ich etwas über 40. Ich dachte: ‹Jetzt mache ich mich selbständig.› In meinem Laden in der Länggasse, ‹Elia Elektronik und Design›, wollte ich eigentlich mit Elektronik- und Design-Produkten anfangen. Aber dann hat sich herausgestellt, dass es mehr auf Elektronik rausläuft. Haushaltgeräte führe ich nicht, nur Video- und HiFi-Anlagen. Das ist meine Leidenschaft: die Stereoanlagen, die Verstärker, die Lautsprecher!
Als ich aufgemacht habe, war ich überrascht, wie gut es lief. Damals hatten HiFi-Geräte noch einen Wert. Sie waren gesucht und neue teuer. Daher kauften die Leute Occasionen. Sie standen am Morgen, wenn ich den Laden öffnete, schon Schlange, um Occasions-Geräte zu kaufen, und am Nachmittag auch wieder.
Ich habe mehr verdient als mit der Festanstellung. Aber nach etwa sechs Jahren ging der Umsatz langsam zurück. Nicht wegen der Preise, sondern wegen der Gerätekategorie.
Museumsreife Anlagen
Meine Anlagen sind in den Augen der Jüngeren museumsreif. Die wissen gar nicht mehr, was ein Plattenspieler ist oder ein Walkman. Früher haben die Leute sich zur Konfirmation eine Stereo-Anlage gewünscht. Die musste möglichst gross und schwer sein. Heute wollen sie nur noch ein kleines Ding.
Doch es gibt sie noch, die kleine Minderheit, die an HiFi-Anlagen interessiert ist. Aber das sind mehr die Älteren. Sie haben vielleicht noch eine Stereoanlage zur Konfirmation erhalten und hängen dran. Und diese Geräte repariere ich nun.
Die meisten Läden machen das nicht mehr. Sie sagen, sie erhielten keine Ersatzteile in der Schweiz. Aber man muss Ersatzteile eben weltweit suchen, dann bekommt man praktisch alles.
Zu mir kommen Leute aus der ganzen Schweiz, um ihre HiFi-Geräte reparieren zu lassen. Aus Zürich, Basel, von weit her. Manche schenken mir ihre Anlagen. Ich kann dem nicht widerstehen. Deshalb türmen sich die Apparate hier im Geschäft.
Nebenbei importiere ich auch Neugeräte. Aber die verkaufe ich direkt den Händlern. Was ich auch mache: Ich gehe zu den Leuten nach Hause. Am Feierabend Fernseher programmieren, einrichten, anschliessen. Weil die Geräte komplex geworden sind. Es gibt keine Bedienungsanleitungen mehr heute. Früher gab es zum einfachsten Fernseher ein Textbuch in 20 Sprachen. Jede Taste wurde beschrieben. Und heute gibt es zum kompliziertesten Gerät nur so ein Faltblatt auf Englisch. ‹Schau im Internet, steht da›. Das überfordert viele Leute.
Die Zeit geht schnell vorbei. In den letzten 18 Jahren hat sich vieles verändert. Ich bin jetzt 62 und muss schauen, was ich in Zukunft machen möchte. Ob ich den Laden weiter behalte. Es ist noch alles offen.»
Franco Elia ist 62 Jahre alt und Inhaber von «Elia Elektronik und Design» am Seidenweg im Länggass-Quartier. Er wohnt mit seiner Frau in Ittigen.
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