Autobahn, Matter, Demo
News vom Samstag – Hauptstadt-Brief #521
Der Ausbau der Autobahn von sechs auf acht Spuren vor den Toren Berns beim Grauholz bleibt auf dem (Planungs-)Tisch. Und das trotz gültigem Volks-Nein im Jahr 2024. Der Spurausbau im Grauholz war im nationalen Abstimmungskampf ein wichtiges Argument der Gegner*innen der Autobahnprojekte.
Verkehrsminister Albert Rösti (SVP) startete am Donnerstag mit der Präsentation einer Studie von ETH-Verkehrsexperten die politische Nachbearbeitung des Volksentscheids. Die Experten gaben den Bundesprojekten für Strassen und Bahn unterschiedliche Prioritäten.
Den Spurausbau im Grauholz teilten die Experten in die zweithöchste von sechs Prioritätsstufen ein. Sie empfehlen den Ausbau für die Phase nach 2045, wenn möglich aber schon früher.
Bedeutet das, dass der Grauholz-Ausbau trotz Volks-Nein einfach durchgezogen wird? Das entscheidet die Politik. Anfang 2026 wird Rösti dem Bundesrat eine Liste mit den am schnellsten zu realisierenden Projekten für den Ausbau von Strasse und Schiene vorlegen. Danach folgen die Debatten im Parlament und vielleicht ein weiterer Volksentscheid.
Schon jetzt klar ist: Das für die Region Bern wichtige Projekt Bypass Bern Ost wird in der Bundesplanung gemäss der ETH-Studie einen schweren Stand haben. Die Experten weisen ihm eine sehr tiefe Priorität zu. Die Stadtregierung bedauert diese Einstufung laut einer Mitteilung. Eine nahezu durchgehende Verlegung der A6 aus den innerstädtischen Quartieren in einen Tunnel böte eine einzigartige Chance für eine Stadtreparatur, sagt der städtische Verkehrsdirektor Matthias Aebischer (SP). Er fordert, dass der Bundesrat beim Bypass nicht nur rein verkehrstechnische Aspekte, sondern auch die Stadtentwicklung berücksichtigt.
Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur betrifft viele politische Ebenen und Interessen. Die letztjährige Abstimmung hat den komplizierten politischen Aushandlungsprozess nicht einfacher gemacht. Fest steht: Wenn Verkehrsminister Rösti das Grauholz-Projekt in seinen Vorschlägen so hoch priorisiert wie die ETH-Experten, wird er sehr gut begründen müssen, warum der Spurausbau trotz eines Volks-Neins realisiert werden soll.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Matter: Die ehemalige Berner Gemeinderätin und Grossrätin Joy Matter ist am Mittwoch, kurz nach ihrem 90. Geburtstag, verstorben. Ihr eindrückliches und intensives Leben habe seinen Abschluss gefunden, schreibt die Familie in der Todesanzeige. Joy Matter war mit Liedermacher Mani Matter verheiratet. Nach dessen Tod 1972 engagierte sich die Lehrerin und alleinerziehende Mutter von drei Kindern in der progressiven Partei «Junges Bern», die Matter mitgegründet hatte. Joy Matter sass von 1978 bis 1988 im Grossen Rat. 1989 schaffte sie die Wahl in die Stadtregierung und war bis 1996 Schuldirektorin. Bis ins hohe Alter war Matter politisch und kulturell in der Stadt präsent.
- Balkankrieg: Morgen Sonntag beginnt in Bern das (Hi)Story Festival. Es befasst sich mit der Frage befasst, ob 30 Jahre nach Ende des Kriegs in Ex-Jugoslawien wirklich Friede eingekehrt ist. Am Festival, das zwei Wochen dauert, wird auch eine aktuelle Reise von Burgdorfer Gymnasiast*innen nach Bosnien diskutiert. Journalistin Aleksandra Hiltmann hat für die «Hauptstadt» mit Schüler*innen und Lehrern über ihre Eindrücke der Bildungsreise gesprochen. Sie schildert in ihrem Text aufwühlende Momente, wie jenen, als die Schüler*innen den Gedenkort für die Opfer des Genozids von Srebrenica besuchen.
- Demo: Die Stadt Bern rät von der Teilnahme an der heutigen unbewilligten Pro-Palästina-Demonstration in Bern ab. Zu ihr hatten verschiedene Organisationen aufgerufen. In einer Mitteilung schreibt die Stadt, dass die mutmasslichen Organisatoren trotz eines Aufrufs zum Dialog keinen Kontakt mit den Behörden aufgenommen hätten. Man habe daher keine Absprachen zur Route, zur Sicherheit oder zur Benennung einer Kontaktperson treffen können. Bereits am Donnerstag hatte die Kantonspolizei Bern angekündigt, sie werde mit einem Grossaufgebot präsent sein. In der Innenstadt sei mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen.
- Alpin-Solaranlage: Die kantonale Bau- und Energiedirektion hat am Donnerstag eine Beschwerde gegen die geplante Solar-Grossanlage Morgeten am Übergang vom Simmental ins Gantrischgebiet abgelehnt. Sie bestätigte damit die ausgestellte Baubewilligung. Die Beschwerde der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, des Schweizer Alpen-Clubs SAC und des Vereins Mountain Wilderness Schweiz kann noch ans Verwaltungsgericht weitergezogen werden. Die Morgeten Solar AG will an der Südflanke des Bürgle, einem Gipfel der Gantrischkette, eine Photovoltaikanlage in der Grösse von rund zehn Fussballfeldern realisieren.
- BEKB: Die Berner Kantonalbank (BEKB) setzt die Chefs ihrer IT-Tochterfirma Aity ab. Geschäftsleiter Oliver Kuster und Vizechef Pascal Eugster verlassen die BEKB-Gruppe per sofort. Hintergrund der Absetzung seien «unterschiedliche Auffassungen über die operative Umsetzung der Eignerstrategie innerhalb der Aity», schreibt die Bank in einer Mitteilung.
- Schliessung: Das Restaurant Veranda im Berner Quartier Stadtbach in der Vorderen Länggasse schliesst nach 24 Jahren Betrieb per Ende November. Es sei fast unmöglich geworden, eine geeignete Geschäftsführung zu finden, sagt die Betreiberin Verena Brunner im Länggass-Newsletter Quartier-Post.
PS: Was sind die Bedürfnisse schwerkranker und sterbender Menschen? Darum kümmert sich Palliative Care. Heute findet dazu in der Berner Zeughausgasse von 10 bis 17 Uhr ein Aktionstag der Organisation Palliative Bern statt. An Informationsständen stehen unter anderem Fachpersonen Rede und Antwort und im Kino Rex findet eine Podiumsdiskussion statt.
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