Budgetüberschreitung – Stadtrat-Brief #8/2025
Sitzung vom 25. April 2025 – die Themen: Kita; Heizkosten, Schulamt, Postgasse; Überbaurecht; Aktionstage; Absage.
Die gestrige Stadtratssitzung stand im Zeichen von Budgetüberschreitungen, denn es wurden mehrere Nachtragskredite über insgesamt rund 23 Millionen Franken verhandelt.
Doch was ist ein solcher Nachtragskredit eigentlich?
Ein Nachtragskredit ist die Ermächtigung, in einem Jahr mehr Geld auszugeben als ursprünglich geplant. Die verschiedenen städtischen Ämter erhalten für jedes Jahr Budgets zugesprochen. Werden diese überschritten, braucht es nachträglich eine Bewilligung dazu.
Überschreitungen bis 200’000 Franken segnet der Gemeinderat selbst ab. Bei höheren Beträgen ist das Parlament zuständig. In der Regel ist das nur ein formelles Abnicken der Mehrausgaben, denn das Geld ist ja meist schon ausgegeben. Der Grund, dass die Nachkredite für das Jahr 2024 aktuell im Parlament sind, ist die Finalisierung der letztjährigen Rechnung, die im Juni dem Stadtrat vorgelegt wird.
Folgende Nachkredite waren gestern traktandiert:
IT: Bei Informatik Stadt Bern kam es 2024 zu einer Budgetüberschreitung von 742 603 Franken. Die Gründe dafür waren laut Gemeinderat der Fachkräftemangel und krankheitsbedingte Ausfälle. Daher kam es zur Auslagerung von Arbeiten an externe Dienstleister. Und dies kostet gemäss Finanzdirektorin Melanie Mettler (GLP) viel Geld. Der Rat segnete den Kredit mit 60 zu 12 Stimmen ab.
Heizkosten: Mit 10,3 Millionen Franken wurde das Budget für Heiz- und Betriebskosten bei den städtischen Immobilien überschritten. Der Gemeinderat führt das auf die allgemeine Teuerung, gestiegene Energiepreise und zu tiefe Akontozahlungen zurück. Der Kredit kam im Rat durch mit 49 zu 11 Stimmen bei 10 Enthaltungen.
Schulen: Beim Schulamt wurde 2024 der Globalkredit von rund 155 Millionen Franken um 8,3 Millionen Franken überschritten. Gründe dafür waren Heiz- und Nebenkostenabrechnungen sowie eine Abweichung im Bereich Tagesbetreuung. Sie ist laut Gemeinderat auf die höhere Nachfrage und auf eine Fehleinschätzung in der Budgetierung des Kantonsbeitrags zurückzuführen. Der Kredit kam mit 42 zu 11 Stimmen bei 15 Enthaltungen durch.
Obwohl das Parlament an den Mehrausgaben nichts mehr ändern kann, debattierte es zum Teil heftig. Insbesondere aus den bürgerlichen Parteien wurden sie deutlich kritisiert. «Nachkredite werden zunehmend als normales Finanzinstrument gesehen», sagte Simone Richner für die FDP. Sie erwartet künftig wieder mehr Budgetdisziplin.
Besonders viel zu reden gab die Budgetüberschreitung bei den defizitären städtischen Kitas, wobei diese Vorlage formell kein Nachtragskredit war, sondern eine Rückstellung von 3,7 Millionen Franken für die Spezialfinanzierung der Kitas. Insgesamt beträgt das aufgelaufene Defizit der Kitas in der Spezialfinanzierung über 8 Millionen Franken. Ein Teil dieses Defizits ist aber durch nicht beanspruchte Gelder des Globalkredits von Familie und Quartier Stadt Bern gedeckt.
Links-Grün betonte die Relevanz städtischer Angebote. «Die Stadt leistet mit ihren Kitas einen wesentlichen Beitrag zu Chancengerechtigkeit und Gleichstellung», sagte Lena Allenspach (SP). «Wir wollen hier den Markt einfach nicht spielen lassen, sondern städtische Kitas sollen bei Betreuung und Anstellungsbedingungen Vorbild sein», sagte Raffael Joggi von der Alternativen Linken.
GFL-Vertreterin Francesca Chukwunyere hingegen fragte: «Wie lange wollen wir uns noch eigene defizitäre Kitas leisten?» Mitte-Fraktionschefin Béatrice Wertli konterte die Kritik von Links an privaten Kitas: «Die Betreuungsqualität ist auch in privaten Kitas gut, das habe ich selbst feststellen können.» Und Oliver Berger von der FDP kritisierte, die Geldspritze schaffe «ungleiche Spiesse für private Kitas».
Am Ende wurde die Finanzspritze für die Kitas dank der links-grünen Ratsmehrheit mit 45 Ja- zu 24 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen deutlich gutgeheissen. Abgelehnt wurde sie von Vertreter*innen der GLP, der Mitte, der FDP und der SVP.
Zur Zukunft der städtischen Kitas wird bei der Vorlage zur Abgeltung der sogenannten trägerschaftsbedingten Mehrkosten bald wieder debattiert.
Salome Mathys (40) ist Politologin und sitzt seit 2021 für die Grünliberalen im Stadtrat. Sie ist Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Parlaments. Salome Mathys arbeitet als Fachreferentin Migration beim Staatssekretariat für Migration (SEM) und ist Mutter zweier Töchter.
Warum sind Sie im Stadtrat? Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative war für mich klar: Ich will mich politisch engagieren – aktiv und in einer Partei. Lange dachte ich, keine Partei vertrete meine sozialen und zugleich liberalen Werte. Dank Smartvote fand ich heraus, dass die Grünliberalen sehr gut zu mir passen. Anfangs interessierte mich vor allem die nationale Politik – auch weil ich in verschiedenen Kantonen gelebt habe. Seit meiner Rückkehr nach Bern steht für mich die Stadtpolitik im Fokus. Hier kann ich konkret etwas bewegen – für mich, meine Kinder und mein Umfeld. Mir ist wichtig, dass Bern auch für kommende Generationen lebenswert bleibt.
Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei? Vor allem als sachliche Stimme in Migrations- und Asylfragen. Auch wenn ich inhaltlich oft mit Vorstössen einverstanden bin, erinnere ich daran, dass solche Themen meist kantonal oder national geregelt werden und im Stadtrat fehl am Platz sind. Als Präsidentin des Schwimmklubs Bern, Ironman-Finisherin oder YB-Fan bin ich bekannt als engagierte Sportlerin und Stimme für den Sport. Ich setze mich für gute Sportinfrastrukturen und breite Bewegungsmöglichkeiten in der Stadt ein.
Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat? Ein bedeutender Misserfolg war für mich die gescheiterte Unterstützung für das Hallenbad Muubeeri. Ich habe mich trotz der hohen Betriebs- und Renovationskosten stets für den Weiterbetrieb eingesetzt, weil es ein wichtiges Angebot für den Breitensport darstellt. Leider konnte ich selbst meine eigene Fraktion nicht davon überzeugen. Auch wenn mich das enttäuscht hat, habe ich Verständnis für die finanzpolitische Sichtweise: Die Stadt hat aktuell begrenzte Mittel und muss Prioritäten setzen. Ebenfalls enttäuschend war für mich die Annahme des Personalreglements in seiner heutigen Form. Es bringt pauschale Privilegien für alle städtischen Mitarbeitenden – teilweise deutlich über dem, was in der Privatwirtschaft üblich ist. Besonders kritisch sehe ich, dass Büroangestellte künftig mit 63 Jahren in Pension gehen sollen, unabhängig von der tatsächlichen Belastung des Berufs. Ich hätte mir hier eine differenzierte Lösung gewünscht – etwa gezielte Unterstützung für Mitarbeitende in körperlich fordernden Berufen, die wirklich früher in den Ruhestand gehen sollten. Es ist schade, dass ausgewogene Lösungen im aktuellen Stadtrat nicht mehrheitsfähig sind.
Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit? Ich bin stolz darauf, in einer Fraktion zu sein, die faktenbasiert politisiert und nur gut durchdachte sowie sorgfältig geprüfte Anträge und Vorstösse einbringt. Dieser Politikstil wird von der Bevölkerung geschätzt und hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass die Grünliberalen in den Gemeinderat einziehen konnten. Ich hoffe, dass dieser Politikstil von meinen Kolleg*innen in Zukunft ebenfalls mehr geschätzt wird. Auch wenn beide Referenden – gegen den teuersten Spielplatz der Welt und das Personalreglement – abgelehnt wurden, habe ich mich über deren Zustandekommen gefreut. Sie haben wichtige Diskussionen angestossen und gezeigt, dass Bürger*innen aktiv in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden können.
Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum? Es gibt mehrere Stadtteile in Bern, die ich sehr schätze, da die Stadt für mich die perfekte Balance zwischen urbanem Leben und Natur bietet. Als Studentin habe ich in der Länggasse gewohnt und die kulinarische Vielfalt sowie das lebendige Stadtgeschehen genossen. Schon als Jugendliche verbrachte ich viel Zeit im Neufeldstadion und im Bremer beim Sport. Im Sandrain liebte ich die Nähe zur Aare und zum Marzili – und auch heute, im Kirchenfeld, geniesse ich die Nähe zur Aare und die Möglichkeit, schnell in die Natur zu kommen.
Diese Themen waren ebenfalls wichtig:
- Velostation: Die Stadt Bern kann die Velostation Welle 7 für mindestens fünf weitere Jahre betreiben. Der Rat hat einen wiederkehrenden Betrag von jährlich rund 480'000 Franken mit 63 zu 5 Stimmen bewilligt. Einzig die SVP stimmte dagegen. Kritik gab es von der FDP und der SVP. «Wir unterstützen diese Velostation, sie ist sinnvoll und der Standort richtig», sagte Simone Richner namens der FDP-Fraktion. Allerdings habe die Stadt das «Velochaos» rund um den Bahnhof entgegen ihrem Versprechen nicht behoben. Auch Janosch Weyermann von der SVP-Fraktion kritisierte die wild parkierten Velos. Die Kosten für die Station seien zudem zu hoch. Die Velostation Welle 7 mit 660 Abstellplätzen wurde im August 2023 eröffnet. Die Auslastung der Velostation hat sich laut Gemeinderat zufriedenstellend entwickelt.
- Postgasse: Die Stadt Bern und Energie Wasser Bern (EWB) können die Postgasse in der Unteren Altstadt sanieren. Der Stadtrat hat am Donnerstag einen Kredit von rund 5,7 Millionen Franken einstimmig bewilligt. Im Rahmen des Projekts werden Werkleitungen, Beleuchtung und Pflästerung erneuert. Die Stadt saniert zudem die öffentliche Abwasserleitung und erstellt eine Brunnenleitung. Die Sanierungsarbeiten sollen 2027 beginnen und zwei Jahre dauern. Die Kosten für die Gesamtsanierung belaufen sich auf 14,2 Millionen Franken. Der Kostenanteil der Stadt Bern für den Ersatz der Pflästerung und die Aufwertung des Strassenraums beträgt rund 5,7 Millionen Franken.
- Überbaurecht: Zur Sanierung eines Teilstücks der Giacomettistrasse genehmigte der Stadtrat einen Kredit über 950'000 Franken. Die Bauarbeiten sollen noch in diesem Jahr über die Bühne gehen. Saniert wird ein Abschnitt beim Freudenbergzentrum über einer privaten Einstellhalle. Sowohl die Einstellhalle als auch das darüberliegende Strassenstück weisen gemäss der Stadt Mängel auf. Neo-Gemeinderat Matthias Aebischer (SP) erklärte zu diesem Geschäft, er erlebe immer wieder Überraschendes in seiner neuen Funktion als Tiefbau-Direktor. So habe er nicht gewusst, dass man Einstellhallen unter einer städtischen Strasse bauen könne. «Und dies bezeichnet man nicht etwa als Unterbaurecht, sondern als ein unterirdisches Überbaurecht», bemerkte Aebischer und grinste dabei.
- Aktionstage: Der Rat überwies mit 46 Ja- zu 23 Nein-Stimmen eine Motion der Fraktion GB/JA! für ein stärkeres Engagement der Stadt für Menschen mit Behinderungen. Der Rat beschloss somit, dass sich die Stadt Bern mithilfe der Fachstelle für Menschen mit Behinderungen an den nationalen Aktionstagen für Behindertenrechte verstärkt beteiligen und auch öffentliche Aktionen anbieten solle. Die dazu nötigen Ressourcen müssten der Fachstelle zusätzlich zugesprochen werden. Sogar aus der SVP erhielt die Forderung Zuspruch: Bernhard Hess und Alexander Feuz stimmten Ja.
- Absage: Zum Schluss der Sitzung verkündete Ratspräsident Tom Berger erstaunliche News. In der Sitzungspause hatte das Ratsbüro beschlossen, die Parlamentssitzung vom 3. Juli 2025 abzusagen. «Wir haben den Pendenzenberg von einem Höchststand auf einen Tiefststand reduziert», so Berger. Und da weniger Sitzungen die Vereinbarkeit eines Mandates mit Familien und Beruf verbessern, verzichte man auf die Juli-Sitzung.
PS: Der Stadtrat hat seit Donnerstag mit Nicolas Lutz (Mitte) und Raffael Joggi (AL) zwei neue Mitglieder. Lutz ersetzt Markus Zürcher, Raffael Joggi folgt auf Muriel Graf. Nach der Abstimmung zu einem fast unbestrittenen IT-Geschäft der Verkehrsdirektion, das eine Microsoft-Lösung beinhaltet, beehrte Ratspräsident Tom Berger Software-Entwickler Joggi, der im November abgewählt worden war, noch mit folgender Bemerkung: «Mister Open Source ist zurück im Rat». Der Grund für die Aussage: Die drei AL-Vertreter enthielten sich bei der Abstimmung zum Microsoft-Projekt.