Containerpflicht kommt, Farbsack-Recycling nicht
Der Berner Gemeinderat will das Farbsack-Trennsystem beerdigen. Im Gegenzug macht er beim Container-Debakel eine Kehrtwende und will eine generelle Pflicht für Containerstandplätze einführen.
Das Stadtberner Planungsdebakel um die Kehrichtcontainer geht in die nächste Runde. Vier Jahre nach der Volksabstimmung und anderthalb Jahre nach einem Umsetzungsstopp seiner Vorgängerin Marieke Kruit (SP) verkündete der neue Tiefbaudirektor Matthias Aebischer am Freitag vor den Medien, dass der Gemeinderat nun doch eine generelle Pflicht zur Erstellung von Containerplätzen umsetzen wolle.
Kleine Rückblende:
Im November 2021 hatte die Stimmbevölkerung auf Antrag des Gemeinderates die Einführung einer Containerpflicht beschlossen, die dem Gesundheitsschutz der Belader*innen dienen soll. Damit verbunden wurde auch die Einführung eine Recycling-Sammlung via Container vor der Haustür, das sogenannte Farbsack-Trennsystem. Initiiert hatte das Projekt die damalige Tiefbaudirektorin Ursula Wyss (SP).
Im März 2024 verkündete ihre Nachfolgerin, Marieke Kruit (SP), einen Umsetzungsstopp und sagte, eine flächendeckende Containerpflicht sei nicht möglich. Sie schlug eine teilweise Containerpflicht vor. Bei nur rund 50 Prozent der Liegenschaften seien Containerplätze möglich, sagte sie. Zudem beantragte der Gemeinderat dem Parlament, die beiden Projekte Containerpflicht und Farbsack-System zu trennen.
Den zweiten Teil des damaligen Volksentscheids, das Farbsack-System, hat der Gemeinderat nun beerdigt. Er empfiehlt dem Stadtrat den Verzicht auf die Farbsack-Abfuhr. Die Idee dahinter war, dass die Einwohner*innen ihren Separatmüll wie Glas, Büchsen, PET-Flaschen und Plastik zuhause in verschiedenfarbigen Säcken trennen und diese jederzeit in Containern vor ihrem Haus entsorgen können.
Doch der ökologische Nutzen und die Wirtschaftlichkeit dieses Systems wären nur mit einer von Anfang an hohen Abdeckung von Containern gegeben gewesen. In der aktuellen Situation gibt es keinen ökologischen Nutzen. Der einzige Nutzen wäre laut dem Gemeinderat die «Convenience» – auf Deutsch die «Bequemlichkeit» – beim Recycling. Das ist das schonungslose Fazit zum Farbsack-System.
Zum Übungsabbruch beigetragen hat auch der Umstand, dass beim noch laufenden Pilotversuch mit einer Einführung von kostenpflichtigen Säcken (0.25 Franken pro Sack) die Teilnahmequote deutlich gesunken ist – auf nur noch 10 Prozent. Der Pilot wird darum Anfang 2026 beendet.
Mit Ersatzabgabe wird Druck erhöht
Der Stopp beim Farbsack-System ermöglicht es der Stadt, in der Containerfrage nun vorwärts zu machen. SP-Gemeinderat Aebischer verkündete dazu ein neues «flexibles und pragmatisches» Konzept, das eine schrittweise Einführung vorsieht. Zuerst würden jene Liegenschaften mit Containern beliefert, für die ein geeigneter Standort auf privatem Grund zweifelsfrei festgelegt werden könne. In einem zweiten Schritt folgten «komplexere Fälle».
Anders als seine Vorgängerin erklärte Aebischer auch ein klares Ziel: «Dereinst soll man in Bern keine blauen Kehrichtsäcke mehr sehen.» Aebischer will sich nicht auf ein Datum festlegen. Im Interview mit der «Hauptstadt» spricht er von einer Einführungsphase von rund 10 Jahren. Selbst für die Altstadt will Aebischer von der Einsammlung loser Kehrichtsäcke wegkommen. Das werde aber zu einem späteren Zeitpunkt geprüft.
Gestartet wird Anfang 2026 mit einer freiwilligen Einführung von Containern im Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl. Interessierten Liegenschaftsbesitzer*innen stellt die Stadt die Container kostenlos zur Verfügung.
Zudem schlägt der Gemeinderat dem Parlament vor, auf 2027 eine Ersatzabgabe einzuführen, falls auf einem Grundstück keine Container aufgestellt werden. Damit will der Gemeinderat den Druck auf Liegenschaftsbesitzer*innen erhöhen, Containerplätze zu errichten. Es gibt bei der Ersatzabgabe aber mehrere Ausnahmen. So etwa für Hausbesitzer*innen, die einen Containerplatz beabsichtigen, aber deren entsprechendes Baugesuch noch hängig ist.
Mehr Container, weniger Parkplätze
Und in einem dritten Schritt wird die Stadt laut Aebischer Hauseigentümer*innen auch zwingen, Containerplätze zu errichten, falls dies zumutbar ist. Eine Verpflichtung zur Nutzung von Containern auf dem eigenen Grundstück kommt gemäss dem neuen Konzept nach einer Übergangsfrist von zwei bis fünf Jahren ins Spiel. Während dieser Übergangsfrist können sich die Grundeigentümer*innen frei entscheiden, ob sie bereits Container nutzen oder eine Ersatzabgabe bezahlen. Pro Einfamilienhaus oder 4-Zimmerwohnung wird diese zwischen 30 und 50 Franken pro Jahr betragen.
Um das Ziel einer vollständigen Containerabdeckung zu erreichen, will die Stadt an vielen Stellen auch öffentliche Container-Plätze bauen. Insbesondere in der Nähe jener Grundstücke, auf denen die Platzierung von Containern auf Privatgrund nicht möglich ist. Dafür wird die Stadt laut Aebischer unter anderem Parkplätze abbauen. Es gebe aber auch Strassen, wo die Parkplätze schon abgebaut worden seien und künftig neu öffentliche Containerplätze entstünden.
Über die Beerdigung des Farbsack-Systems und das neue Konzept zur Containerpflicht soll das Parlament noch dieses Jahr entscheiden.
Zum Ende der Pressekonferenz zeigten zwei Belader*innen auf, wie viel einfacher für sie die Beladung des Kehrichtwagens mit Containern ist. Aebischer betonte nochmal, dass die Container für den Gesundheitsschutz sehr wichtig seien und hievte demonstrativ zusammen mit Christian Jordi, dem Leiter von Entsorgung & Recycling Bern, einen grossen Kehrichtsack in den Lastwagen.
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