Der Helikopter und die Klimakrise

Die Aufregung um die Schneetransportflüge der Gstaader Bergbahnen ist berechtigt, aber auch ein wenig heuchlerisch. Denn energieintensiv sind auch viele andere Freizeitbeschäftigungen. Ein Kommentar.

Schneemangel Horneggli Saanen
Bei der Sesselbahn Horneggli in der Gemeinde Saanen war am 3. Januar die Piste noch fahrbar. Ein paar Kilometer weiter bei Oeschseite nützte auch ein Schneetransport mit den Helikopter nichts mehr. (Bild: Franziska Rothenbühler/Tamedia)

Der Helikopter fliegt in Gstaad in der Altjahrswoche Schnee auf die Piste. Diese Meldung aus dem Hauptstadt-Brief vom letzten Donnerstag wurde vielfach von anderen Medien aufgenommen. Sie entwickelte sich zu einer dieser News-Meldungen, die dank des kuriosen Titels oft angeklickt wurde und daher auf den Online-Newsseiten zeitweise als Top-Meldung stand. Am Ende des medialen Hypes um den Heli-Schneetransport wurde die «Hauptstadt» gar in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» und dem britischen «Telegraph» zitiert. 

Auf den sozialen Medien zeigten viele Kommentator*innen mit dem Finger auf Gstaad und brandmarkten die Helikoptertransporte als «absurd», «dumm» und «wahnsinnig»

Angesichts der Klimakrise ist der Schneetransport eine unangebrachte Massnahme, eine verzweifelte auch. Der CO2-Ausstoss dürfte für die paar Kilogramm Schnee, die pro Flug transportiert wurden, unverhältnismässig hoch gewesen sein. Es war ein Versuch, den Skitourist*innen den Schein von Wintersport zu wahren. Er bringt die schier ausweglose Lage der Wintersportdestinationen im Berner Oberland plakativ auf den Punkt. Was macht man in der weihnachtlichen Hochsaison als Skigebiet ohne Schnee?

Doch jetzt nur auf die Bergbahnen Gstaad zu zeigen, ist etwas zu einfach. Der  Helikopter-Exzess könnte auch zum Nachdenken über unseren Energieverbrauch und unser Freizeitverhalten anregen.

Der Fakt, dass die Bergbahnen überhaupt den Helikopter für den Schneetransport bestellten, zeigt auf, wie normal der Einsatz der Helikopter in den Berggebieten mittlerweile geworden ist. Im Sommer fliegen Helikopter verletzte Kühe ins Tal – und Wasser hinauf auf die Alp. Und die meisten SAC-Hütten werden vom Helikopter mit Nahrungsmitteln beliefert. All die Skitourengängerinnen und Wanderer – zu denen ich zähle – die sich gut fühlen, wenn sie mit eigener Muskelkraft auf die Berge steigen, sind auch für alpine Helikopterflüge mitverantwortlich. 

Die aktuell heftige Kritik an den Skigebieten und den weissen Kunstschneebändern auf grünen Wiesen ist mit Blick auf weitere Sportarten heuchlerisch. So bemerkte SRF-Meteorologe Gaudenz Flury auf Twitter treffend: «Der Skisport (Alpin und Nordisch) ist wegen Kunstschnee grad ordentlich in der Kritik. War das damals, als die Schwimmer ins Hallenbad (meist öffentlich finanziert) und die Hockeyclubs in die Eishallen zügelten eigentlich auch so?»

An Eishallen, die von September bis April betrieben werden, haben wir uns gewöhnt. Beheizte Schwimmbäder stellt aufgrund der körperlichen Ertüchtigung, die sie ermöglichen, wohl niemand in Frage. Energie verbrauchen sie trotzdem.

In der Klimakrise mit dem Finger auf andere zu zeigen, entlastet einen im ersten Moment. Der eigene Ressourcenverbrauch wird relativiert. Gefühlt sind andere verantwortlich für den CO2-Ausstoss. 

Der verzweifelte Gstaader Schneetransport ist letztlich ein Synonym für viele andere energieintensive Aktivitäten, an die wir uns gewöhnt haben. Und bei denen wir mit dem Finger auch auf uns selbst zeigen könnten.

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Diskussion

Unsere Etikette
Thomas Bollinger
11. Januar 2023 um 18:41

Seltsam, ich kann ohne Ski, Wandern, Schwimmen im beheizten Becken und erst recht ohne Eishockey leben. Problemlos. Was ich nicht mehr kann, ist meine Klimaanlage im Sommer nicht einzuschalten.

Michaela Ziegler
11. Januar 2023 um 06:32

"Doch jetzt nur auf die Bergbahnen Gstaad zu zeigen, ist etwas zu einfach." Das aber wurde im ersten Hauptstadt-Artikel getan...

Ich hätte mir nun im Kommentar-Artikel mehr Fakten gewünscht, nicht nur eine Aufzählung weiterer einzelner Beispiele, um einen Vergleich zum jeweiligen Impact herstellen zu können.

Roland Rösch
10. Januar 2023 um 11:27

Der Vergleich mit der Erzeugung des technischen Schnees und den Hallenbädern finde ich ziemlich gewagt. Die Beschneiung der grünen Skipisten könnte man eher damit vergleichen, in dem man Badeseen aufheizt, damit z. Bsp. der Thunersee auch im Winter bei warmen Wassertemperaturen zum Baden genutzt werden könnte.

Hallenbäder lassen sich eher mit Skihallen - die es schon gibt - vergleichen.

Den Zusammenhang zwischen Hütten versorgen und Schnee herbeifliegen lassen, finde ich auch nicht nachvollziehbar. Als Berggänger sollte der Autor doch wissen, dass in den Bergen und Tälern jeder Helikopterflug lauter wahr genommen wird als hier. Zudem stört jeder Flug das Wild, welches im Winter besonderen Schutz geniesst.

Christoph Staub
09. Januar 2023 um 20:28

Es ist sicher so, dass man auch viele andere Tätigkeiten hinterfragen muss und insbesondere den masslosen Helieinsatz in den Schweizer Bergen. Das Beispiel von Gstaad ist halt einfach unglaublich symbolisch für die menschliche Kurzsichtigkeit: Um ein paar Kilogramm Schnee zu bewegen, stösst man Unmengen an CO2 aus, welche dafür sorgen, dass man in Zukunft noch weniger Schnee hat.