«Wir wollen dem Breitsch-Spirit treu bleiben»

Bleibt der FC Breitenrain (FCB) der kultige Quartierclub oder steigt er auf zu den Fussball-Profis in der Challenge League? In den fünf Aufstiegsspielen ab Samstag wird diese Frage beantwortet. Der FCB-Spieler und -Geschäftsführer Andri Rüegsegger macht kein Geheimnis um seine gemischten Gefühle.

_DSC6908
Der FC Breitenrain und sein besonderer Geist: Heimspiel-Stimmung auf dem Spitz. (Bild: Danielle Liniger)

Es sind quasi fünf Finalspiele, die der FC Breitenrain ab diesem Samstag (16 Uhr, Spitalacker, Heimspiel gegen Étoile Carouge) bestreitet. Spätestens am 4. Juni weiss man, ob der FCB seine nächste Saison in der Challenge League, der zweithöchsten Liga der Schweiz, spielt.

Den zahlreichen nostalgischen «Breitsch»-Fans bricht ob dieser Aussicht das Herz. Geht der heimelige Hype um den Quartierclub und sein romantisches, altersschwaches «Heimstadion» auf dem Spitz, das nicht tauglich ist für die Challenge League, verloren?

Andri Rüegsegger beschäftigt sich täglich mit dieser Frage, weil er das Dilemma des FC Breitenrain gewissermassen personifiziert. Er bekleidet beim FCB eine 80-Prozent-Stelle als Geschäftsführer. Der 29-Jährige, aufgewachsen in der Länggasse und seit fast zwei Jahrzehnten im Club, ist der einzige Funktionär, der für seine Arbeit beim FCB bezahlt wird. Gleichzeitig spielt er in der ersten Mannschaft des FC Breitenrain Fussball. Bei einem Espresso schildert er seine Gefühlslage.

--

Bild-Ueli-Rettenmund
Breitsch in den Beinen und im Herzen: Andri Rüegsegger (rechts). (Bild: Ueli Rettenmund/zvg)

Andri Rüegsegger, wie gross sind eigentlich Wunsch und Wille in der Mannschaft, den Schritt in die Challenge League zu schaffen?

Andri Rüegsegger: Im Team sehr, sehr gross. Alle hatten oder haben den Traum, Profifussballer zu werden. Wir selber wären nächstes Jahr zwar keine Profifussballer, würden aber auf der gleichen Ebene spielen wie diese. Und damit würde für viele von uns ein Traum in Erfüllung gehen.

Ist der Kult um den Spitz und den FC Breitenrain bei den Spielern so stark wie bei den Fans?

Ja, wir legen innerhalb des Teams grossen Wert darauf, diesen Geist zu leben. Sandro Galli, unser Sportchef, schaut stark darauf, wie die Mannschaft menschlich zusammengesetzt ist – ob es von den Charakteren her passt, damit der Teamgeist stimmt.

Sie sind der einzige Spieler der ersten Mannschaft, der bereits als Junior beim FCB war. Woher kommt diese Identifikation mit dem Club?

Das hängt damit zusammen, dass alle, die für den FC Breitenrain spielen, Verantwortung übernehmen müssen. Es ist nicht so, dass man als Spieler auf den Spitz kommt, trainiert, und um den Rest kümmert sich sonst jemand. Alle Spieler der ersten Mannschaft müssen mithelfen: bei Junioren-Trainings und verschiedenen Events wie dem Sponsorenlauf. Dadurch identifizieren wir uns auch stärker mit dem Club. Und es wirkt sich auf die Art aus, wie wir spielen. Man ist bereit, ein bisschen mehr zu geben.

Der Aufstieg wäre gleichbedeutend mit dem Abschied vom Spitz. Nicht alle Fans würden einen Umzug mitmachen. Wie gehen Sie als Spieler damit um?

Es war uns früh klar, dass wir uns in einem Dilemma befinden. Wir können es nicht richtig, aber deshalb auch nicht falsch machen. Wir können Team und Staff nicht sagen: Wir brechen die Übung hier ab. Wie würde das Team in die nächste Saison starten? Ohne Ziele? Wir machen weiter wie bis jetzt in dieser Saison: Auf dem Platz geben wir alles.

Der FC Breitenrain hat diese Saison von 30 Spielen nur drei verloren. Warum ist die Mannschaft plötzlich so gut geworden?

Dass wir so spielen wie dieses Jahr, war für mich noch im letzten Sommer unvorstellbar. Die lange, konstante Arbeit im sportlichen Bereich trägt Früchte. Das Team ist schon lange zusammen und hat sich nicht gross verändert. Das ist der entscheidende Faktor. Es gibt einen guten Kern von Spielern, die seit Jahren in der Promotion League spielen. Und man muss auch sehen, dass wir einfach einen unglaublichen Lauf haben.

Also Glück?

Es ist erstaunlich, wie sich die mentale Einstellung verändert, wenn man Spiel um Spiel gewinnt. Wir haben extrem viele Spiele mit einem Tor Unterschied gewonnen. Da sieht man, dass wir nicht plötzlich eine Übermannschaft geworden sind.

«Gerade nach Spielen auf dem Spitz fiel mir zuletzt die Vorstellung schwer, ins Wankdorf zu ziehen.»

Andri Rüegsegger, Mittelfeldspieler und Geschäftsführer FC Breitenrain

Die Swiss Football League hat den ersten Lizenzantrag des FC Breitenrain für die Challenge League abgelehnt. Der Spitz ist nicht tauglich dafür. Stimmt es, dass nun das Wankdorfstadion eine Option ist?

Es laufen Gespräche mit YB und der Stadt Bern. Sie versuchen uns tatkräftig zu unterstützen. Es ist eine komplexe Angelegenheit, weil wir viele Details beachten müssen. Wenn wir ins Wankdorf ziehen würden, hätte das beispielsweise eine Kettenreaktion bei der Nutzung der Rasenplätze zur Folge.

Was heisst das?

Eine Idee ist, dass wir im Wankdorf spielen würden, und die zweite Mannschaft von YB, die in der Promotion League bleibt, würde im Gegenzug auf den Spitz wechseln. Wir würden aber weitere Spiele blockieren – für dieses Problem gilt es nun, eine Lösung zu finden.

Müsste der FCB im Wankdorf Miete zahlen?

Da sind wir mit YB und der Stadt Bern im Gespräch. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

_DSC6857
In der Pause gibt es hier eine Bierbratwurst: Tribüne auf dem Spitz. (Bild: Danielle Liniger)

Beflügelt oder beängstigt Sie die Vorstellung, im grossen Wankdorf vor fast leeren Rängen zu spielen?

Es ist keine coole Vorstellung. Selbst wenn wir mehr Zuschauer*innen hätten als jetzt, wäre es gefühlt immer noch leer. Andererseits wäre es schön, in dieser Liga mit einem Club zu spielen, der anders ist. Und zu zeigen, dass es auch anders möglich ist als mit einem Profibetrieb. Dass es auch Fussballer gibt, denen es besser liegt, nebenbei zu arbeiten oder zu studieren. Wir würden in dieser Liga dem Breitsch-Spirit treu bleiben wollen.

Wäre es überhaupt möglich, den «Breitsch-Spirit» und den Kultstatus des Clubs aufrechtzuerhalten? Zum Beispiel dürfte die hochgelobte Bierbratwurst durch die YB-Wurst ersetzt werden.

Schwierig zu sagen. Wir wären ziemlich sicher anders, da wir nicht auf einen Profibetrieb umstellen könnten. Das wäre ein grosser Unterschied gegenüber den anderen Mannschaften. Aber dass wir den Spitz verlassen müssten, ist auch das, was uns sehr weh tun würde bei diesem Schritt.

Bedauert der Fan Andri Rüegsegger, dass der Spieler Andri Rüegsegger aufsteigen möchte?

Ich kann weder gewinnen noch verlieren. Wenn wir aufsteigen, geht ein Traum in Erfüllung. Wenn wir in der Promotion League bleiben, spielen wir weiterhin auf dem Spitz. Gerade nach Spielen auf dem Spitz fiel mir zuletzt die Vorstellung schwer, ins Wankdorf zu ziehen. Aber ich könnte mit beidem leben und mache mir da keinen Stress. Es kommt, wie es kommt.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Diskussion

Unsere Etikette
Hanspeter Zaugg
07. Mai 2022 um 15:55

Je älter ich werde umso mehr erlabe ich mich am Amateur Fussball

wenn es die vom Spitz schaffen würden wäre das epochal und zugleich himmeltraurig. Ich entsinne mich als unser FC (Langnau) ie in die 2 Liga Interregional aufgestiegen ist, ich war damals Speaker, da wars vorbei mit lustig etwas ging verloren . Die 4te Schiedsrichterin die es meines Wissens erst ab der 2 Liga Inter gibt, ermahnte mich ich müsse nach 45 Minuten die Zeit genau stoppen. Solche und andere Dinge gab es weiter unten nicht. Aber seis Drum der FC spielt seither wieder dort wo er hingehört und die vom Breitsch spielen bald dort wo sie hin möchten, wenigstens einmal. Der "Spitz" wird bleiben und die Manschaft wird zurückkehren... Oder?