Panini-Heftli gegen Macarons

Nun ist weitgehend transparent, wer wie viel Geld in den Stadtberner Wahlkampf investiert. Grob gerechnet: Der Wahlkampf generiert mindestens einen Umsatz von 1,5 Millionen Franken.

SP Medienanlass
Lena Allensbacher, Matthias Aebischer, Marieke Kruit, Meret Schindler, Barbara Keller
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© Danielle Liniger
Kandidierende als Panini-Bildli: SP-Stadträtin Barbara Keller präsentiert das Wahlkampf-Gadget ihrer Partei. (Bild: Danielle Liniger)

Erstmals müssen Kandidierende und Parteien offenlegen, mit wie viel Geld aus welchen Quellen sie den städtischen Wahlkampf im Hinblick auf die Wahl vom 24. November bestreiten. Kürzlich hat die Stadtkanzlei die eingegangenen Deklarationen publiziert. Sie können von allen Menschen heruntergeladen und eingesehen werden.

Allerdings ist die Les- und Interpretierbarkeit der Dokumente kompliziert. Es ist schwierig, belastbare Vergleiche zu ziehen. Beispielsweise haben einige Parteien ihre Ausgaben für den Stadtrats- und Gemeinderatswahlkampf zusammengerechnet. Andere listen sie getrennt auf.

Zudem klaffen in vielen Deklarationen Lücken von teilweise mehreren 10’000 Franken zwischen den budgetierten Ausgaben und den bisher eingegangenen Spenden. Diese Gelder müssen noch beschafft (oder aus dem eigenen Sack beglichen) werden. Einen definitiven Überblick erhält man erst, wenn nach den Wahlen die Abrechnungen vorliegen.

Die «Hauptstadt» hat die Deklarationen durchforstet und stellt hier die wichtigsten Zahlen zusammen, ohne daraus eine exakte Wissenschaft zu betreiben. Wir unterscheiden vier Ebenen:

  1. So viel kostet der Wahlkampf die beiden Listen Rot-Grün-Mitte (RGM) und «Meh Farb für Bärn!» (Mitte Rechts).
  2. So viel wenden die Parteien mit Gemeinderats-Kandidat*innen auf.
  3. So viel wenden die Parteien ohne Gemeinderats-Kandidat*innen auf.
  4. So finanzieren Verbände und Interessengruppen den Wahlkampf mit.

Der Listen-Wahlkampf

Für die Ausmarchung um die fünf Regierungssitze haben sich zwei Listen gebildet, wie es das Wahlsystem in der Stadt Bern nahelegt. Auf der linken RGM-Liste kandidieren Alec von Graffenried (GFL, bisher), Marieke Kruit (SP, bisher), Matthias Aebischer (SP) und Ursina Anderegg (GB). Auf der Liste «Meh Farb für Bärn!» treten Melanie Mettler (GLP), Béatrice Wertli (Mitte), Florence Pärli (FDP), Janosch Weyermann (SVP) und Bettina Jans-Troxler (EVP) an.

Finanziell rechnet die RGM-Liste mit einem Wahlkampfbudget von 88’000 Franken. Es speist sich im wesentlichen aus den Kandidat*innenbeiträgen von Ursina Anderegg (15’000 Franken), Alec von Graffenried (15’000 Franken), Marieke Kruit und Matthias Aebischer (zusammen 30’000 Franken, wird von der SP bezahlt) sowie aus den Zuwendungen der Parteien: GB 6’400 Franken, GFL 6'400 Franken, SP 12’700 Franken.

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Farbige Macarons: Wahlkampf-Süssigkeit der Mitte-rechts-Liste. (Bild: Manuel Lopez)

Die Mitte-rechts-Liste hat ein Wahlkampfbudget von 170’100 Franken aufgestellt. Dieses setzt sich hauptsächlich zusammen aus Beiträgen des Hauseigentümerverbands (55’000 Franken), des Handels- und Industrievereins (41’000 Franken), von KMU Stadt Bern (24’200 Franken), des Arbeitgeberverbands (16’400 Franken) und von BernCity (5000 Franken). Dazu kommen die Beiträge der Kandidierenden. Melanie Mettler zahlt 6’500 Franken, Florence Pärli und Béatrice Wertli steuern je 5000 Franken bei.

Fazit: Auf Listen-Ebene greift Mitte-Rechts mit deutlich mehr Muskeln an als Rot-Grün-Mitte.

Der Grossparteien-Wahlkampf

Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die deklarierten Wahlkampfaufwendungen der Parteien durchgeht, die mit Kandidat*innen für den Gemeinderat antreten. Auch hier ist die Vergleichbarkeit schwierig herzustellen, weil die Ausgaben für den Gemeinderatswahlkampf teilweise bei den Kandidierenden gelistet sind, teilweise bei den Parteien. Eine einigermassen verlässliche Rangliste ergibt sich, wenn man pro Partei sämtliche Ausgaben zusammenrechnet – diejenigen für Stadtrats- und Gemeinderatswahlkampf, aber auch diejenigen der einzelnen Kandidierenden. Aber ohne die Budgets der Jungparteien, die nur für den Stadtrat kandidieren.

Die Rangliste:

  1. SP (mit Kandidat*innen Kruit und Aebischer): 402’571 Franken
  2. GLP (Mettler): 195’490 Franken
  3. GFL (von Graffenried): 176’400 Franken
  4. FDP (Pärli): 170’300 Franken
  5. GB (Anderegg): 160’000 Franken
  6. Mitte (Wertli): 90’465 Franken
  7. SVP (Weyermann): 29’900 Franken
  8. EVP (Jans): 19’004 Franken

Zählt man die Beträge zusammen, die Rot-Grün-Mitte in den Parteienwahlkampf investiert, kommt man auf die Summe von 739’000 Franken. Bei den Bürgerlichen belaufen sich die Investitionen auf 505’000 Franken. 

Gesamtfazit zum Gemeinderatswahlkampf: Bei den Bürgerlichen finanziert die Wirtschaft kräftig mit. Links ist die SP die grosse Investorin.

Rot-Grün strebt drei oder vier Regierungssitze an, die Bürgerlichen kämpfen erklärtermassen um einen zweiten Sitz. Stellt man zudem die bessere Finanzierung von «Meh Farb für Bärn!» im Listenwahlkampf in Rechnung, lässt sich wohl die Aussage machen: Die Mittel beider Seiten bewegen sich in einem vergleichbaren Rahmen.  

Der Kleinparteien-Wahlkampf 

Der Wahlkampf um den Einzug in den Gemeinderat ist sozusagen die König*innendisziplin. Aber für die Mehrheitsverhältnisse ist die Verteilung der 80 Stadtratssitze ebenso wichtig. Bei den Gemeinderatsparteien ist nicht genau auseinander zu dividieren, wieviel sie in den Stadtratswahlkampf stecken. Deshalb publizieren wir hier sozusagen eine Nationalliga-B-Rangliste derjenigen Parteien, die nur Stadtratskandidat*innen stellen. Dazu gehören insbesondere die Jungparteien.

Die Rangliste:

  1. Juso: 28’600 Franken
  2. Jungfreisinnige: 20’000 Franken
  3. Tier im Fokus: 20’000 Franken
  4. Alternative Linke: 17’000 Franken
  5. Junge Alternative: 16’400 Franken
  6. Partei der Arbeit: 13’000 Franken
  7. Piratenpartei: 4’500 Franken
  8. Aufrecht: 3’000 Franken
  9. Volt: 2’500 Franken 

Die grössten Sponsoren

Ein noch einmal anderer Blick auf die Finanzierungsverhältnisse des Stadtberner Wahlkampfs entsteht, wenn man auflistet, wer von ausserhalb der Politik in Listen oder Kandidierende investiert. Unangefochten an der Spitze steht der Hauseigentümerverband (HEV). Neben der Unterstützung für die Liste «Meh Farb für Bärn!» stattet der HEV seine Vorstandsmitglieder Simone Richner (FDP/JF) und Stephan Ischi (SVP) mit je 15’000 Franken für ihren Stadtratswahlkampf aus. Das ist im Vergleich ein sehr stolzer Betrag.

Bemerkenswert ist auch, dass die laut Selbstdarstellung parteipolitisch neutrale Bonny Stiftung für die Freiheit knapp 20’000 Franken an die Gemeinderatskandidatur von Florence Pärli (FDP) zahlt. Gemäss den vorliegenden Deklarationen eher bescheiden ist die Unterstützung linker Interessengruppen. Die Gewerkschaft VPOD zahlt an die Kampagne von Marieke Kruit 5000 Franken.

Einen substanziellen Beitrag leisten die nationale und kantonale GLP (zusammengerechnet 30’000 Franken) ans Wahlkampfbudget von Nationalrätin Melanie Mettler. Wobei: Zu grossen Sponsoren ihrer Kampagnen dürften die Kandidierenden selber werden. Melanie Mettler gibt jetzt bereits an, 30’000 Franken an Eigenmitteln in ihren Wahlkampf einzuschiessen. Bei anderen dürften noch namhafte Beträge dazukommen, sofern Spenden das Budget nicht decken.

Die Rangliste:

  1. Hauseigentümerverband (bürgerliche Liste plus Richner/Ischi): 85’000 Franken
  2. KMU Stadt Bern (bürgerliche Liste): 41’000 Franken
  3. Handels- und Industrieverein (bürgerliche Liste): 24’400 Franken
  4. Bonny-Stiftung (für Florence Pärli): 20’000 Franken
  5. GLP Kanton Bern (für Melanie Mettler): 20’000 Franken
  6. Verband der Arbeitgeber (bürgerliche Liste): 16’400 Franken
  7. GLP Schweiz (für Melanie Mettler): 10’000 Franken
  8. VPOD Bern (für Marieke Kruit): 5’000 Franken
  9. BernCity (bürgerliche Liste): 5’000 Franken

Gesamtumsatz

Zählt man die transparent gemachten Budgets für die Wahlkampffinanzierung zusammen, kommt man auf einen Betrag von mindestens 1,5 Millionen Franken. In der Sprache der Wirtschaft könnte man sagen: Das ist der Umsatz, den der städtische Wahlkampf generiert – hauptsächlich in Form von Büro-Arbeitsstunden, Aufträgen an Grafiker*innen, Kommunikationsagenturen, Videoproduzent*innen, Webmaster*innen und Hersteller*innen von Werbegeschenken.

Von letzteren sind bisher in Umlauf: Panini-Magazine mit Bildern der Kandidierenden (SP), Macarons («Meh Farb für Bärn!»), Handfächer gegen die Sommerhitze (Ursina Anderegg), 500-Gramm-Packungen mit linken Bio-Spaghetti (Alternative Linke).  

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Diskussion

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Tobias Frehner
03. Oktober 2024 um 07:35

Ich bin überzeugt, dass die Gewerkschaften nicht die ganze Wahrheit sagen. Denn die SP weist null Arbeitsstunden zugunsten des Wahlkampfs aus. Das kann aus meiner Sicht aber gar nicht sein. Die Gewerkschaften stellen traditionell immer ihre eigenen Leute zur Wahlkampfunterstützung zur Verfügung (Stand- und/oder Flyeraktionen). Dem sollte die Hauptstadt einmal noch auf den Grund gehen …