Forscher Frölicher fürchtet um die Daten

Die Forschung in den USA steht unter Druck. Das beschäftigt auch Forschende in Bern, zum Beispiel Klimawissenschaftler Thomas Frölicher.

Thomas Froelicher fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Thomas Frölicher ist Professor für Klimaphysik. Im Mai reiste er beruflich in die USA und erschrak, welch massive Einschränkungen seine Kolleg*innen durch die Trump-Regierung erleben. (Bild: Simon Boschi)

Im Mai reiste Thomas Frölicher nach New York. Der Berner Professor für Klimaphysik war zu einem Workshop zu Kipppunkten im Ozean eingeladen. Frölicher forscht seit Jahren zu den Auswirkungen der Klimaerwärmung auf das Meer.

Die Veranstaltung fand in einem renommierten Zentrum für Klimawissenschaften der NASA statt. Als Frölicher dort ankam, war das Gebäude fast menschenleer. Viele Büros waren geräumt. «Bis vor Kurzem waren hier bis zu 100 Wissenschaftler im Einsatz. Sie haben eines der weltweit führenden Klimamodelle entwickelt», sagt Frölicher. Die Infrastruktur sei gerade erst erneuert worden. Doch die Trump-Regierung will die Miete für die Räume nicht mehr finanzieren. Alle Mitarbeitenden wurden ins Home Office verlegt. Eine Anschlusslösung gibt es bislang nicht.

«Das war ein Riesenschock für alle», erzählt der 45-Jährige. «Für die Mitarbeitenden ist völlig unklar, wie es mit ihrer Arbeit weitergehen soll. Sie fürchten um ihren Job.»

Einfluss der USA auf Schweizer Forschung

Thomas Frölicher leitet an der Universität Bern eine Forschungsgruppe, die sich auf Extremereignisse und Kipppunkte im Ozean fokussiert. Kipppunkte sind kritische Schwellenwerte im Klimasystem, deren Überschreiten schwerwiegende und in der Regel unumkehrbare Folgen hat. Frölicher ist für seine Forschung bislang nicht direkt auf Geld aus den USA angewiesen. Wohl aber auf Daten. 

Thomas Froelicher fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Thomas Frölicher ist bei seiner Forschung auf Messdaten und Modelle aus den USA angewiesen. (Bild: Simon Boschi)

Thomas Frölicher benötigt auch Daten zum Unterwasser-Zustand der Ozeane. Rund die Hälfte der sogenannten Argo-Messroboter weltweit wird von den USA finanziert. «Damit könnte die Trump-Regierung einen starken Einfluss auf unsere Forschung ausüben», so Frölicher. Andere meteorologische Datenerhebungen haben die USA teilweise bereits eingestellt. Er schliesst nicht aus, dass bei Messanlagen im Meer Ähnliches veranlasst werden könnte.

Ausserdem nutzt Frölichers Team amerikanische Ozeanmodelle, um vergangene und zukünftige Klimaänderungen zu berechnen. In diesem Bereich hat die Trump-Regierung bereits drastische Budgetkürzungen und Entlassungen durchgesetzt, etwa bei der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), einem wichtigen Akteur im Bereich Klimawandel und Ozeane. 

Wenn die Arbeit an diesen häufig verwendeten Ozean-Modellen verzögert oder gar verhindert wird, schade das der Forschungs-Community weltweit. «Deswegen müssen wir uns hier Alternativen überlegen», sagt Frölicher. So sei es eine Option, andere, nicht-amerikanische Klima- und Ozeanmodelle zu benutzen und weiterzuentwickeln.

Thomas Froelicher fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
In den USA traf Thomas Frölicher auf leere Büros. (Bild: Simon Boschi)

An einem Forschungsinstitut der Princeton University, mit dem Frölicher eng zusammenarbeitet, wurden in diesem Jahr bereits zehn Prozent der dort tätigen Klimawissenschaftler*innen entlassen. Frölicher hat früher selbst während drei Jahren in Princeton geforscht und gelebt. Er besuchte die Uni auf seiner Reise im Mai. «Es war erschreckend», sagt er. «Ich sah dort zum ersten Mal leere Büros. Die Forschenden sind in permanenter Unsicherheit.» Die Angst vor weiteren Einschnitten sei stark spürbar. 

Im Vorfeld seiner Reise sei Frölicher von Bekannten gar gewarnt worden, als Klimawissenschaftler überhaupt in die USA einzureisen. «Es gibt einzelne Wissenschaftler, die einen bis zwei Tage an der Grenze festgehalten wurden und deren Laptop konfisziert wurde», sagt er. Kolleg*innen rieten ihm, sein Jobprofil vor den Zollbehörden zu umschreiben. Sich also «Physiker» statt «Klimawissenschaftler» zu nennen. «Schliesslich lief bei mir alles problemlos ab», erzählt er. «Aber dass man sich solche Gedanken machen muss, ist höchst bedenklich.»

Die Forscher*innen-Community reagiert

Thomas Frölicher sagt: «Die Situation bereitet mir ein mulmiges Gefühl.»

Um zumindest bereits vorhandene Daten aus den USA zu sichern, hat er Massnahmen ergriffen. «Meine Gruppe hat Strategien entwickelt und mit IT-Leuten zusammengespannt, um die wichtigsten Datensätze herunterzuladen.» Auch die Universität Bern bestätigt auf Anfrage, dass sie die Möglichkeit zur Sicherung von Daten im Zusammenhang mit Forschungskooperationen prüfe. 

Das hört Thomas Frölicher auch von anderen europäischen Wissenschaftler*innen: «Man versucht, Daten zu spiegeln und auf eigene Server zu bringen». Dann habe man immerhin Zugriff auf die bisher erhobenen Daten und Modelle. 

Thomas Froelicher fotografiert am Montag, 26. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Thomas Frölicher erhofft sich Reaktionen von der Politik. (Bild: Simon Boschi)

Im Vorfeld der UNO-Ozean-Konferenz in Nizza, die aktuell stattfindet, hat Frölicher gemeinsam mit weiteren Klimawissenschaftler*innen aus verschiedenen Staaten ein Paper veröffentlicht, das aufzeigt, wie die derzeitigen und potentiellen US-Kürzungen die internationale Ozeanforschung bedrohen. «Wir wollen damit das Bewusstsein der internationalen Community schärfen», sagt Frölicher.

In den Klimawissenschaften brauche es zwingend verlässliche Daten über einen langen Zeitraum – und zwar vom ganzen Planeten. «Wenn diese nicht mehr erhoben werden, ist das ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung», sagt er. Etwa, weil extreme Naturereignisse schlechter prognostiziert werden können. 

Frölicher erhofft sich Reaktionen von den Regierungen, insbesondere an der UNO-Konferenz. Sie müssten Programme aufstellen, um sich weniger abhängig zu machen von den Messungen eines einzelnen Landes. Der Professor sagt: «Ich bin eigentlich ein positiv denkender Mensch. Aber die riesige Unsicherheit, die ich in den USA erlebt habe, beschäftigt mich schon stark.»

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