Frau. Leben. Freiheit.
Die Iranerin Ronak Firouzi lebt seit vier Jahren in Bern und erzählt, wie sie den Aufstand im Iran wahrnimmt und wie Schweizer*innen sich für den Iran einsetzen können.
«Meine Familie und ich sind seit vier Jahren in der Schweiz. Meine Tochter war 6 Monate alt, als wir unser Land verlassen mussten, weil wir bedroht wurden. Es dauerte ein Jahr, bis wir in der Schweiz ankamen. Wir waren immer zu Fuss und in der Nacht unterwegs, um uns vor der Polizei und den Einheimischen zu verstecken. Immer wieder kamen wir an unsere Grenzen. Hatten kein Essen und Trinken mehr und mussten uns von der Polizei schnappen und zurück in den Iran bringen lassen, damit wir wieder zu Kräften kommen konnten. Das war eine sehr schlimme Zeit.
Hier in der Schweiz habe ich so schnell wie möglich versucht, Deutsch zu lernen. Mein Mann und ich besuchen bis heute einen Deutschkurs. Wir stecken im Asylverfahren und hoffen, dass wir bald eine Arbeit finden werden.
Die Situation im Iran beschäftigt mich Tag und Nacht. Ich kann kaum essen. Ich kann mich nicht gut konzentrieren. Ich schlafe sehr schlecht, weil ich mit meinen Gedanken immer bei meiner Familie und den Menschen im Iran bin. Ich habe Angst. Jede Nacht schreibe ich meiner Schwester und hoffe, dass ich eine Antwort, ein Lebenszeichen von ihr erhalte. Sie geht auf die Strasse und an die Demonstrationen. Einmal wäre sie beinahe von der Polizei mitgenommen worden, konnte aber fliehen.
Das Internet im Iran ist sehr schlecht. Meine Schwester musste einen VPN-Zugang kaufen, um überhaupt auf Plattformen wie Google oder Facebook zugreifen zu können und nicht von der Regierung verfolgt zu werden. Ich kommuniziere mit ihr über Instagram. Sie postet auf ihrem privaten Profil Fotos und Nachrichten. Ich teile diese dann auf Twitter, Instagram und mit all meinen Kontakten. Es ist wichtig, dass Europa und die ganze Welt mitbekommen, was im Iran passiert. Wenn ich jetzt im Iran wäre, würde ich an der Seite meiner Schwester kämpfen.
Frauen wird im Iran nicht nur vorgeschrieben, was sie anziehen dürfen. Sie dürfen auch ihre Haare nicht zeigen oder nicht Fahrrad fahren. Sie führen jetzt die Aufstände an. Sie rufen ‹Frau – Leben – Freiheit›. Denn die Iraner*innen wollen kein diktatorisches Regime mehr. Wir wollen Demokratie und ein gleiches und gleichberechtigtes Leben für alle Menschen im Iran.
Wir haben viele Probleme mit der Regierung, die Bevölkerung wird unterdrückt. Wir haben auch zu wenig Lebensmittel. Viele arme Leute im Iran wühlen im Abfall, um Essen zu finden. Und die Kinder haben in ein paar Teilen des Landes keine richtige Schule. Der Unterricht findet in einem Zelt statt. Dabei ist das Land sehr reich und Menschen, die mit der Regierung in Verbindung stehen, haben viel Geld auf ausländischen Konti.
Die iranische Bevölkerung hat noch nie so viel verloren wie jetzt. Eltern haben ihre Kinder verloren, Kinder ihre Eltern. Es geschieht viel Gewalt. Viele junge Leute sind schon ins Gefängnis gekommen oder wurden erschossen.
Die Leute können bei Schussverletzungen nicht ins Spital, weil die Polizei sie dort aufspüren und mitnehmen kann. Ich habe gehört, dass Ärzt*innen online über Chats helfen, damit sich die Leute selbst verarzten können. Aber das ist nicht genug. Sie brauchen auch Medikamente und Pflege vor Ort.
Für meine Familie ist es hier in der Schweiz sehr schwierig. Wir verstehen sehr wenig und haben kleine Kinder. Wir möchten unserem Heimatland helfen, aber uns fehlen Erfahrung, Kontakte und Mittel in der Schweiz. Wir haben viele Ideen, doch wir brauchen die Unterstützung von Menschen von hier, um sie umzusetzen.
Wir suchen zum Beispiel Organisationen, die Frauen und Kinder unterstützen, um den Menschen im Iran zu helfen. Und meine Freund*innen und ich möchten eine Fotoausstellung über den Widerstand und die Bemühungen des iranischen Volkes veranstalten. Damit die Menschen hier besser verstehen, was dort vor sich geht.
Ich wünsche mir für die Zukunft für meine Leute und mein Land, dass die Regierung wechselt und eine Demokratie entsteht. Die Bevölkerung soll wieder in Frieden und Sicherheit leben können.»