«Es wäre schön, etwas mehr Geld zu haben»
Wie wichtig ist Geld in unserem Leben? Zum Auftakt unseres Themenschwerpunkts sagen Hauptstädter*innen, was ihnen Geld bedeutet. Und wer mehr davon haben sollte.
Wüsstest du was tun, wenn du 55 Milliarden Franken hättest? So gross ist das Vermögen, über das die reichste Schweizer Familie verfügt, wie die Wirtschaftszeitung «Bilanz» in ihrer jährlichen Analyse kurz vor Weihnachten festhielt. Es sind die drei in der Schweiz eingebürgerten Söhne des verstorbenen Ikea-Gründers Ingvar Kamprad, denen nun der Möbelkonzern gehört, dessen Wert auf diesen astronomischen Wert geschätzt wird.
Vergleichsweise bescheiden kommen die reichsten Berner*innen aus: Die Familie von Ernesto Bertarelli bewirtschaftet laut «Bilanz» ein Vermögen von 16 bis 17 Milliarden Franken, der Kunst- und Forschungsmäzen Hansjörg Wyss besitzt 7 bis 8 Milliarden Franken.
Was machen wir mit Geld? Und was macht Geld mit uns? Das ist die inhaltliche Klammer des Schwerpunktthemas, zu dem wir in den nächsten Wochen zahlreiche Artikel veröffentlichen werden. Zum Beispiel haben wir ein Kollektiv in Bern besucht, das ganz auf den Besitz eigenen Gelds verzichtet. Auf der Schuldenberatung fragen wir, ob wirklich selber schuld ist, wer Schulden hat. Wo steckt der Berner Versuch, ein Grundeinkommen einzuführen? Was treibt die Young Boys an, im Business der Kryptowährungen mitzumischen? Und: Wie schafft Geld hier in Bern Ungleichheit?
In der Schweiz konzentrieren sich beim reichsten Prozent der Bevölkerung rund 40 Prozent des Vermögens. Eine andere eindrückliche Zahl: Insgesamt beläuft sich das Vermögen der von der «Bilanz» erhobenen 300 reichsten Schweizer*innen auf gut 820 Milliarden Franken. Würde man diesen Betrag gleichmässig auf alle in der Schweiz lebenden Menschen verteilen, könnte jede*r mehr als 90’000 Franken auf dem Konto gutschreiben.
Umgekehrt sind in der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik gut 700’000 Menschen (8 Prozent der Bevölkerung) armutsbetroffen – das bedeutet, sie haben ein Einkommen von maximal 2279 Franken pro Monat (oder bei einer Zweielternfamilie mit zwei Kindern: 3963 Franken).
Die aktuellsten Armutszahlen stammen aus dem Jahr 2020. Die Pandemie und die für Schweizer Verhältnisse aktuell hohe Teuerung werden die Situation wohl weiter zuspitzen: Namentlich die laut dem Hilfswerk Caritas rund 500’000 Working Poor – Menschen, die trotz Erwerbsarbeit armutsbetroffen oder -gefährdet sind – riskieren, unter die Armutsgrenze zu fallen.
Immer mehr Konsum
Geld zu haben, ist entscheidend dafür, dass man überhaupt an der Gesellschaft teilnehmen kann. Ohne Kaufkraft keine Existenz- und Zukunftssicherung: Das ist der Grund, warum die Geldbeschaffung unseren Lebensalltag bestimmt. In einem eben in der «Republik» erschienenen, lesenswerten Artikel hinterfragen die beiden Ökonomen Werner Vontobel und Bernd Ullrich die immer stärkere Ausrichtung unseres Lebens auf den Markt.
Sie plädieren dafür, Markt- und Bedarfswirtschaft besser aufeinander abzustimmen. Also etwa den Produktivitätsfortschritt nicht einseitig in Konsumwachstum, sondern auch in eine Senkung der Normarbeitszeit umzuwandeln. Und so Kapazitäten freizuspielen, beispielsweise, um die Selbstversorgung zu stärken.
Man kann solche Überlegungen kontrovers diskutieren. Aber es schadet sicher nicht, die dominante Rolle von Geld in unserem Leben zu reflektieren. Dazu will die «Hauptstadt» mit ihren Beiträgen des heute startenden Themenschwerpunkts beitragen.
Was die Community denkt
Als erstes äussern sich fünf Personen aus der «Hauptstadt»-Community, die sich auf unseren Aufruf hin gemeldet haben, um per Mail oder am Telefon sechs Fragen zu beantworten zur Rolle, die Geld in ihrem Leben spielt. Wir publizieren die Antworten unter Angabe von Vorname, Alter und Wohnort der Befragten. Es geht hier nicht darum, Privates öffentlich zu machen, sondern ungefiltert zu zeigen, an was Menschen beim Wort Geld denken.
Selbstverständlich interessieren uns deine persönlichen Gedanken zu Geld auch weiterhin: Kommentiere unsere Artikel auf der Website oder schreibe hierhin ein Mail, wenn du dich zu Geldthemen äussern möchtest.
«Geld ist mir wichtig, weil es mir erlaubt, ein Leben nach meinen Wünschen zu führen.»
Cornelia, 65, Bern
Ist dir Geld wichtig?
Cornelia: Geld ist mir wichtig, weil es mir erlaubt, ein Leben nach meinen Wünschen zu führen, und ich mir Dinge leisten kann, die ich mir wünsche. Ausserdem ist mir Geld wichtig, wenn es um meine Sicherheit im Alter geht. Diese Überlegungen haben ein paar Jahre vor meiner Pensionierung begonnen, bis ich wusste, wieviel Geld ich im Alter haben werde.
Fühlst du dich reich oder arm und warum?
Ich fühle mich reich, weil mir mein Geld erlaubt, ein Leben nach meinen Wünschen zu führen, und ich mir Dinge leisten kann, die ich mit hoher Lebensqualität verbinde, zum Beispiel Wohnen oder Reisen.
Was heisst für dich: viel Geld haben?
Viel Geld haben heisst für mich: Genug Geld, um mir ein Leben nach Wunsch zu gestalten, dies möglichst bis ans Lebensende. Für mich ist «genug» Geld wichtiger als «sehr viel» Geld.
Was ist dein wertvollster Besitz?
Wertvollster Besitz im materiellen Sinn ist meine Wohnung.
Was, das du gerne hättest, kannst du dir nicht leisten?
Nichts. In meinem Alter stelle ich mich auf meine finanziellen Möglichkeiten ein, damit lebe ich sehr gut und kann mir vieles leisten.
Wer sollte mehr Geld haben und wer weniger?
Diese Frage in zwei drei Sätzen zu beantworten ist für mich zu anspruchsvoll, sie ist sehr politisch und gleichzeitig philosophisch. Interessant in diesem Zusammenhang fand ich die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen, welches aus meiner Sicht spannende Ansätze hatte zur Einstellung gegenüber Geld und Arbeit. Als pensionierte Person erlebe ich dies nun seit einem Jahr: Meine Rente ist mein bedingungsloses Grundeinkommen, und ich arbeite freiwillig und ohne Entlöhnung in verschiedenen Funktionen, was ich als unglaublich schön erlebe, aber auch als Privileg.
«Viel Geld zu haben, was ich definitiv nicht habe, würde sicher sehr beruhigen.»
Aldo, 57, Bern
Ist dir Geld wichtig?
Aldo: Geld ist schon wichtig ja, ohne geht ja nichts. Darum wichtig.
Fühlst du dich reich oder arm und warum?
Ich fühle mich reich, weil ich gesund bin und alles habe, was ich brauche.
Was heisst für dich: viel Geld haben?
Viel Geld zu haben, was ich definitiv nicht habe, würde sicher sehr beruhigen.
Was ist dein wertvollster Besitz?
Meine Velos.
Was, das du gerne hättest, kannst du dir nicht leisten?
Einen schönen Kombi Mercedes oder Skoda mit Velodachständer
Wer sollte mehr Geld haben und wer weniger?
Die, die richtig Geld haben, sollten nicht weniger haben, sollen aber gute Löhne zahlen und Sachen unterstützen. Die, die zu wenig haben, sollten unbedingt mehr bekommen, so dass alle monatlichen Rechnungen bezahlbar sind und noch etwas bleibt, damit sie ein bisschen mehr Lebensqualität haben .
«Mir macht es Angst, kein Geld zu haben.»
Claudia, 56, Bubendorf (BL)
Ist dir Geld wichtig?
Claudia: Ja, Geld ist mir wichtig, weil es Sicherheit gibt. Mir macht es Angst, kein Geld zu haben. Ich betreue gerade einen ukrainischen Flüchtling und sehe, wie es Leuten geht, die kein Geld haben. Man ist ausgegrenzt.
Fühlst du dich reich oder arm und warum?
Ich fühle mich weder arm noch reich. Ich habe genug Geld zum Leben und kann den Alltag bestreiten, ohne dass ich mir viel überlegen muss. Allerdings bemühe ich mich, mir selber Genügsamkeit aufzuerlegen, indem ich meinen Konsum drossle, wegen der Klimakrise, in die wir steuern. Ich schränke mich ein und verzichte darauf, Geld auszugeben, aber ich bin deswegen nicht unzufriedener.
Was heisst für dich: viel Geld haben?
Nicht mehr arbeiten und meine Zeit nicht mehr für Geld verkaufen zu müssen.
Was ist dein wertvollster Besitz?
Meine Gesundheit.
Was, das du gerne hättest, kannst du dir nicht leisten?
Nicht mehr arbeiten zu müssen. Ich habe so viele Ideen, was ich sonst machen würde.
Wer sollte mehr Geld haben und wer weniger?
Alle, die mit ihrem Geld Dinge machen, die der Erde nicht gut tun, brauchen weniger Geld. Sie sollten 80 Prozent ihres Gelds abliefern. Ich bin zudem eine Verfechterin des bedingungslosen Grundeinkommens. Die Stigmatisierung derer, die wenig Geld haben, würde verschwinden. Alle haben so viel, wie sie brauchen, alle haben die Möglichkeit, sich einzubringen.
«Es sollte keine Superreichen mehr geben.»
Dominik, 31, Bern
Ist dir Geld wichtig?
Dominik: Erster Gedanke: Nein. Definiere mich oder andere Menschen nicht übers Geld. Trotzdem wäre es schön, etwas mehr Geld zu haben. Mache mir schon ab und zu Sorgen über meine Finanzen, gerade punkto Familiengründung.
Fühlst du dich reich oder arm und warum?
Zusammenfassend fühle ich mich eher reich als arm. Habe genug zum Leben, kann mir vieles leisten. Aber da ich sehr viel arbeiten muss, im Vergleich mit den wirklich reichen Leuten, dann wohl in der Mitte zwischen reich und arm.
Was heisst für dich: viel Geld haben?
Wenn man nicht mehr arbeiten muss. Und so viel Geld hat, dass man den Bezug zur Realität und den anderen Menschen verliert, sich grössenwahnsinnige Projekte oder Objekte leistet, zum Beispiel eine Marsmission oder Luxusjachten.
Was ist dein wertvollster Besitz?
Meine Liebsten. Aufs Geld bezogen: Denke, mein Hüslerbett ist das wertvollste Objekt, welches ich besitze.
Was, das du gerne hättest, kannst du dir nicht leisten?
Würde mir gerne mehr Zeit nehmen können für gemeinnützige Projekte und um bedürftige Menschen finanziell unterstützen können. Und hätte gerne einen Notgroschen für Familiengründung und Unvorsehbares.
Wer sollte mehr Geld haben und wer weniger?
Alle Personen, die viel arbeiten, krank sind oder in Notlage, sollten mehr Geld haben, ebenso alle, die im Vergleich wenig verdienen. In Berufen, die der Allgemeinheit Nutzen bringen, sollte man mehr verdienen (Pflege, Schule, Gastro, Gesundheitswesen, Kita, Coiffeur...). Weniger ganz klar die Finanzleute und alle reichen Menschen. Es sollte keine Superreichen mehr geben. So als Zahl: Alle, die mehr als 1'000'000 Franken Vermögen haben, sollten weniger haben. Dieses Geld sollte man umverteilen.
«Ich fühle mich zur Zeit sehr reich»
Maja, 59, Bern
Ist dir Geld wichtig?
Maja: Mir ist Geld nicht grundsätzlich wichtig. Da ich in der Schweiz lebe, ist es aber sehr hilfreich, genügend davon zu haben. Mit genügend meine ich, folgende Grundbedürfnisse finanzieren zu können: ein Zuhause, Nahrung, Trinken, Wärme, Schlaf, körperliche Sicherheit, Beziehungen leben.
Fühlst du dich reich oder arm und warum?
Ich fühle mich zur Zeit sehr reich! Ich kann mit meinem Liebsten in einer schönen Wohnung leben, habe eine Arbeit, die mir viel Freude bereitet und mich genügend entlöhnt, so dass ich meine Grundbedürfnisse problemlos bezahlen kann und mir auch den einen oder andern Luxus leisten, zum Beispiel auswärts Essen, Kultur, reisen.
Was heisst für dich: viel Geld haben?
Viel haben bedeutet für mich, sich immer wieder einen Luxus leisten zu können.
Was ist dein wertvollster Besitz?
Mein wertvollster «Besitz» ist für mich unsere Eigentumswohnung.
Was, das du gerne hättest, kannst du dir nicht leisten?
Nichts.
Wer sollte mehr Geld haben und wer weniger?
Es sollten alle Menschen so viel haben, wie nötig ist, damit sie in ihrer Kultur und ihrem Zuhause die erwähnten Grundbedürfnisse decken können.