Grosser Job mit kleinem Ego

Katharina Bhend ist als Cutterin von Dokumentarfilmen wahnsinnig begehrt. Über Monate arbeitet sie eng mit Regisseur*innen zusammen. Bei «Echte Schweizer» wurde sie sogar zur Co-Autorin.

Katharina Bhend, Cutterin fotografiert am Dienstag, 26. Maerz 2024 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Als Cutterin hat Katharina Bhend viel Einfluss auf einen Film, steht am Schluss aber nicht im Rampenlicht. (Bild: Manuel Lopez)

Alles begann mit einem Bluff: Katharina Bhend studierte noch an der HKB, wollte Zeichnungslehrerin werden. Spontan sprang sie bei TeleBärn für einen Dreh ein. Der zuständige Redaktor fragte sie, was sie so mache in ihrem Leben. «Ich schneide Filme», log sie.

Bhend erinnert sich nicht, wann genau das war. Aber es war ein Schlüsselmoment für sie, irgendwann vor knapp 20 Jahren. Denn einen Film hatte sie damals noch nie geschnitten.

Sie erhielt auf der Stelle einen Teilzeitjob beim Regionalfernsehen. «Ich lernte dabei viel, auch wenn die Beiträge manchmal auf nicht sehr hohem Niveau waren», sagt Bhend heute. Sie rutschte in einen Beruf hinein, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass es ihn gibt: Cutterin.

Dass sie für ihren Berufseinstieg etwas angewandt hat, was man beim Militär Sabta nennt, wurde der 48-Jährigen erst kürzlich bewusst.

Sabta ist die Abkürzung für «Sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit». Den Ausdruck hat sie von Luka Popadić gelernt, der es wiederum im Militär gelernt hat. Während Monaten ist Bhend zusammen mit Popadić in die ihr bisher unbekannte – und auch nicht so sympathische – Welt der Schweizer Armee abgetaucht. Der Grund dafür war der Dokumentarfilm «Echte Schweizer» von Popadić. Bhend hat ihn geschnitten und wurde dabei auch zur Co-Autorin.

Jetzt kommt das Werk in die Kinos. Es geht darin um die Bedeutung des Militärs für Secondos. Im Januar wurde der Film bereits an den Solothurner Filmtagen gezeigt – und gewann den Publikumspreis.

Das sind auch Lorbeeren für Katharina Bhend. So hat sie zum Beispiel massgeblich dazu beigetragen, dass Regisseur Popadić auch seine eigene Geschichte und seine Liebe zum Militär einfliessen lässt.

Es ist dieser Einfall, der «Echte Schweizer» zu einem persönlichen und berührenden Stück Migrations- und Integrationsgeschichte macht.

Die Kunst des Weglassens

Katharina Bhend hat ein feines Gespür für Geschichten. Für das, was in einem Dokumentarfilm gesagt werden muss – und das, was eher zwischen den Zeilen mitschwingen sollte. Oder, wie sie es formuliert: «Man muss die richtigen Inputs geben für das, was sich im Kopf abspielen soll.» Aus dem Rohmaterial jedes Dokumentarfilms könnte man noch einen zweiten, ganz anderen machen, findet sie.

Ihre Kunst des Weglassens hat sich auch in der Szene rumgesprochen. «Sie hat ein gutes Rhythmus- und Sprachgefühl», sagt der Berner Regisseur Simon Baumann («Zum Beispiel Suberg», 2013) über sie. «Du kannst dir die Zähne ausbeissen an ihrer Art. Im Nachhinein merkst du dann: Es war ein Glück, hat sie dich herausgefordert.»

Bei persönlichen Dokumentarfilmen führt mittlerweile fast kein Weg mehr an Katharina Bhend vorbei: Sie arbeitet mit Dieter Fahrer («Die vierte Gewalt», 2018) oder Aron Nick («Tscharniblues 2.0», 2019) zusammen. Und eben immer wieder mit Erfolgsregisseur Simon Baumann. Soeben haben Bhend und Baumann seinen neuesten Dokumentarfilm «Wir Erben» fertiggestellt. Er soll noch in diesem Jahr in die Kinos kommen.

Bis Mitte nächsten Jahres ist Bhend mit weiteren Filmprojekten ausgebucht. Die Cutterin ist so begehrt, dass die Regisseur*innen ihre Filme zeitlich nach hinten schieben, um mit ihr arbeiten zu können. So wie bei den beiden nächsten Projekten von Bhend.

Sie mag es lieber finster

Katharina Bhend sitzt in ihrem luftigen Atelier am Klösterlistutz. Es ist eine Studiowohnung unter dem Dach, man sieht die alten Balken. Der Raum ist gemütlich mit Brockenstubenmöbeln eingerichtet, aber es ist ziemlich finster.

«Genau richtig», findet Bhend das. Zu viel Licht ist ihr bei der Arbeit am Schnittplatz ein Graus. Hier sitzt sie jeweils wochenlang mit Regisseur*innen an ihren neuesten Werken. Man arbeitet zusammen, Schulter an Schulter am Schnittplatz. Man isst zusammen, diskutiert zusammen, riecht sich, kann sich fast nicht ausweichen.

«Es ist so viel Lebenszeit, das geht nur, wenn man sich mag», sagt Bhend. Um einen Film zu schneiden, müsse sie deshalb in erster Linie den Regisseur oder die Regisseurin sympathisch finden. Aber natürlich überlege sie sich auch, ob das Rohmaterial Potenzial habe, ob es einen guten Film geben könne. «Es braucht Herzblut und ein bisschen Liebe zu den Figuren.»

Katharina Bhend, Cutterin fotografiert am Dienstag, 26. Maerz 2024 in Bern. (Hauptstadt / Manuel Lopez)
Gerade hat Katharina Bhend zusammen mit Regisseur Simon Baumann einen Film fertiggestellt. (Bild: Manuel Lopez)

Katharina Bhend hat lange in einem Orchester Bratsche gespielt. Das helfe ihr in ihrem Beruf, meint sie. «Der Rhythmus, die Komposition, das Loslassen, ja, die ganze Dramaturgie ist wie bei einem Konzert mit dem Orchester.»

Wo genau sie einen Schnitt mache, sei zweitrangig, sagt Bhend. Es gehe um die grosse Frage: Wie erzählt man eine Geschichte? Was braucht es dazu?

Sie denkt immer schon einen Schritt weiter und überlegt auch psychologisch. «Ich muss rausspüren, wann ich Kritik anbringen soll, und wann ich besser noch damit warte.»

Das sei von Regisseur zu Regisseurin verschieden. «Manchmal müssen Regisseure erst einen Prozess durchlaufen, bevor sie offen sind für meine Vorschläge. Sie haben vielleicht lange für eine Szene gekämpft, die dem Film aber nicht dienlich ist – da braucht es Zeit, diese dann loslassen zu können.» Für sie sei Loslassen einfacher, weil sie mehr Distanz zum Gefilmten habe.

Als Cutterin hat Katharina Bhend einen sehr grossen Einfluss auf den Film. Das Resultat trägt nicht nur die Handschrift der regieführenden Person, sondern auch ihre. Aber am Schluss steht nicht sie im Mittelpunkt. «Für ein grosses Ego ist mein Beruf sicher nicht der richtige», sagt sie.

Viele Männer

Das Rampenlicht sucht sie nicht. Sowieso hat sie es lieber ruhig. Manchmal sei es ihr zu betriebig am Klösterlistutz, mit all den Tourist*innen, die immer das genau gleiche Sujet fotografieren würden, Aare mit Altstadt, Kirche und Brücke.

Deshalb schätzt Bhend es, dass sie privat auf dem Land wohnt. In einer Achter-WG in einem grossen Haus in der Nähe von Oberdiessbach. Nicht einmal öffentlichen Verkehr gibt es dort. Sie pendelt mit dem Elektrovelo und dem Zug nach Bern. Auch ihr Partner, Kameramann und Regisseur Patrick Bürge, lebt dort. Mit ihm realisiert sie immer wieder gemeinsame Projekte, so war Bürge etwa auch bei «Echte Schweizer» beteiligt.

Es ist auffällig, dass Katharina Bhend fast ausschliesslich mit Männern arbeitet. «Ich suche das nicht, aber es stört mich auch nicht», sagt sie. Sie habe deutlich mehr Anfragen von Männern als von Frauen. Auch bei Protagonist*innen von Dokumentarfilmen sei ihr dieses Geschlechter-Missverhältnis schon aufgefallen. «Leider», sagt Katharina Bhend.

Darum freue sie sich sehr, ihr übernächstes Projekt mit einer Regisseurin zu bestreiten. Mit Romana Lanfranconi wird sie an einem Film über Begegnungen in der Badi arbeiten.

«Echte Schweizer» läuft ab Donnerstag, 4. April, in den Kinos.

Sondervorstellung in Anwesenheit des Regisseurs Luka Popadić, Mi, 10.4., 20.15 Uhr, cineMovie 1

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