Harter Kampf um drei vakante Sitze
Die Kandidierenden für die Wahl in die Kantonsregierung im März 2026 sind bekannt. Das sind die zehn Personen, die für die sieben Sitze in Frage kommen.
Die Wahlen im Kanton Bern finden zwar erst in acht Monaten statt. Was aber jetzt schon feststeht: Die Regierungs- und Parlamentswahlen werden spannender, als sie es vor vier Jahren waren.
Das hat zwei Gründe:
- Es kommt zu einem Generationenwechsel. Von den sieben aktuellen Regierungsmitgliedern treten drei (Christine Häsler, Grüne; Christoph Neuhaus, SVP; Christoph Ammann, SP) nicht mehr an. Das bietet taktische Möglichkeiten, aber auch Unsicherheiten.
- Die SVP ist in Angriffslaune. Aktuell sind die sieben Regierungssitze so verteilt: Zwei SVP, zwei SP und je einer FDP, Mitte und Grüne. Nun tritt die SVP aber mit drei Kandidaten an mit dem erklärten Ziel, drei Sitze zu holen – und zwar auf Kosten von SP oder Grünen, was die bestehende bürgerliche Mehrheit auf 5:2 erhöhen würde. Denkbar ist aber auch, dass die Mitte aus der Regierung verdrängt wird.
Die Kantonsregierung wird nach Majorzsystem gewählt. Das heisst: Wähler*innen wählen nicht Listen oder Parteien, sondern Einzelpersonen. Die sieben Regierungssitze gehen an die Kandidat*innen mit den meisten Stimmen.
Trotzdem schliessen sich die Parteien zu Wahlkampfbündnissen zusammen. SVP, FDP und Mitte bilden das bürgerliche Lager, SP und Grüne formieren ein rot-grünes Ticket, die Grünliberalen kämpfen als Zentrumspartei allein um einen Sitz.
Am Mittwochabend in Biel haben die Grünen Aline Trede zu ihrer Kandidatin gewählt. Damit sind nun alle Personen bekannt, die für ein Regierungsamt eine Chance haben. Das sind die zehn Köpfe, die um die sieben Sitze kämpfen:
Die 47-jährige Vorsteherin der Direktion für Inneres und Justiz ist seit 2018 Regierungsrätin. Sie strebt ihre dritte Legislatur an. Evi Allemann interpretiert ihr Regierungsamt betont unaufgeregt und steht mit ihrer Direktion selten im Fokus der Öffentlichkeit. In dieser Legislatur fiel sie auf, weil sich die frühere Nationalrätin zweimal hintereinander als Bundesratskandidatin ins Spiel brachte, aber von ihrer Partei nicht nominiert wurde. Auffallend an ihrem Politstil ist ihr Flair für die pragmatische Kompromisssuche. Es gibt jedoch auch Dossiers, bei denen es nicht richtig vorwärtsgeht. Beim Problem der langwierigen kantonalen Raumplanungsverfahren, mit dem viele Gemeinden hadern, gelingen ihr nur langsam Fortschritte. Trotzdem: Ihre Wiederwahl ist ungefährdet.
Der Sicherheitsdirektor ist seit 2018 im Amt. Seinen früheren Reflex, als Präsident der FDP Stadt Bern die rot-grüne Mehrheit leidenschaftlich zu bekämpfen, hat er nie abgelegt. In Asyl- und Sicherheitsfragen verfolgt er einen harten Kurs, auch rhetorisch. Energie investiert Philippe Müller (62), der Ausbildungen als Fürsprecher und Ingenieur Agronom absolviert hat, auch in eine Auseinandersetzung mit dem Medienkonzern Tamedia. An der Führung seiner Direktion gibt es wenig Kritik. Allerdings droht bei der neuen Software, die zwischen Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft eine Brücke schlagen soll, ein Debakel. Seine Wiederwahl ist ungefährdet.
Vor vier Jahren trat Astrid Bärtschi (52) das Erbe ihrer Vorgängerin Beatrice Simon als Finanzdirektorin an. Einen Angriff von Rot-Grün auf die bürgerliche Mehrheit mit dem damaligen Bieler Stadtpräsidenten Erich Fehr (SP) hatte sie nach einem souveränen Wahlkampf relativ locker abgewehrt. Als Regierungsrätin pflegt Bärtschi einen schnörkellosen Stil. Unter ihrer Führung hat die Regierung ein Steuersenkungsprogramm eingeleitet, doch Bärtschi verschweigt nicht, dass dieser Kurs beim gleichzeitigen hohen Investitionsbedarf auch Risiken birgt. Im bürgerlichen Lager ist die Mitte die kleinste Partnerin, deshalb könnte ihr das Powerplay der SVP bei den Wahlen schaden. Bärtschi geht bis jetzt bemerkenswert cool damit um, dass ihre Wiederwahl nicht gesichert ist.
Daniel Bichsel wird seit Jahren als Regierungsrat gehandelt und tritt nun auch wirklich an. Der 56-Jährige ist seit 2013 Gemeindepräsident von Zollikofen. Seit 2014 gehört er dem Grossen Rat an, wo er für einige Jahre die wichtige Finanzkommission präsidiert hat. Finanzen sind sowieso seine grosse Kompetenz: Vor seiner Wahl zum Gemeindepräsident war er bereits jahrelang Finanzverwalter von Zollikofen. Bichsel gilt als umgänglich, bodenständig und dossierkompetent. Seine Wahl wäre eine Formsache, wenn nicht auch Raphael Lanz kandidieren würde.
Seit 2011 sitzt Raphael Lanz in Thun fest im Sattel. Der dortige Stadtpräsident gilt als Teamplayer, aber auch als urban und intellektuell. Der 57-jährige Jurist war vor seiner politischen Karriere Gerichtspräsident in Thun. Nach dem Rücktritt der beiden Oberländer*innen Häsler und Ammann könnte der Wohnort Thun für ihn, der seit 2014 auch Mitglied des Grossen Rats ist, ein Pluspunkt sein. Aber dafür muss er auch die Wähler*innen auf dem Land überzeugen. Für den Nationalrat ist ihm das bisher nicht gelungen. Dort hat er dreimal vergeblich kandidiert. Ob er oder Parteikollege Daniel Bichsel am Schluss vorne liegen werden, ist schwer vorherzusagen. Doch die Wahlchancen von Lanz sind intakt.
Der Stadtpräsident von Langenthal ist als Nachfolger von Christoph Ammann fast gesetzt. Der 47-jährige Reto Müller, der auch im Grossen Rat sitzt, wäre der erste Oberaargauer Vertreter im Regierungsrat, seit Hans-Jürg Käser (FDP) 2018 zurückgetreten ist. Interessant dabei: Auch Käser war vor seiner Wahl Stadtpräsident von Langenthal. Müller hat vor seiner politischen Karriere als Lehrer gearbeitet, Bildung ist ihm ein wichtiges Anliegen. Falls Rot-Grün nur zwei Sitze macht, könnte seine Wahl in Gefahr sein.
Nationalrätin Aline Trede soll für die Grünen den Sitz sichern, der aufgrund des Angriffs der SVP in Gefahr ist. Die 42-jährige studierte Umweltwissenschaftlerin hat insgesamt zehn Jahre Erfahrung im Nationalrat gesammelt. Sie kann auf Bekanntheit im ganzen Kanton setzen, jedoch fehlt ihr im Gegensatz zu allen anderen Kandidierenden die Regierungserfahrung. Doch das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein: Ihre Vorgängerin Christine Häsler schaffte den Sprung in den Regierungsrat ebenfalls aus dem Nationalrat. Damals rutschte Aline Trede für sie nach. Falls Rot-Grün nur zwei Sitze macht, könnte ihre Wahl in Gefahr sein.
Der politische Erfahrungsschatz des 30-jährigen Juristen ist bemerkenswert. In einer Familie mit neun Geschwistern in Frauenkappelen aufgewachsen, sass er dort von 2018 bis 2023 im Gemeinderat. 2022 wurde er ins Kantonsparlament gewählt. Aufsehen erregte er 2018 als Uni-Politiker. Eine Professorin hatte Jus-Student*innen Fragen aus einer früheren Prüfung vorgelegt, weshalb die Prüfung wiederholt wurde. Dagegen rekurrierte Vögeli, damals Vorstandsmitglied der Studierendenschaft, und bekam vor Verwaltungsgericht Recht. Bei bisherigen Wahlen war die GLP weit von einem Regierungsratssitz entfernt. Vögelis Wahlchancen sind gering.
Spezialfall Jura-Sitz
Eine Besonderheit der Berner Regierungswahlen: Sechs der sieben Sitze werden im Deutschschweizer Kantonsteil vergeben. Ein Sitz ist fix für eine Kandidatur aus dem Verwaltungskreis Berner Jura reserviert. 2026 gehört die Stadt Moutier erstmals nicht mehr dazu. Für diesen Sitz gilt eine spezielle Berechnungsformel (siehe Box unten), deshalb ist das Rennen um den Jura-Sitz ein besonderes Duell.
Die Kandidaten:
Der 62-Jährige ist seit 2016 im Amt und somit länger als alle anderen. Der Unternehmer aus Champoz, der zuvor eine erfolgreiche Softwarefirma führte, ist erst spät in die Politik eingestiegen – der SVP trat er 2013 bei. Dann aber legte er eine steile Karriere hin: 2014 wurde er in den Grossen Rat gewählt, 2016 in die Regierung. Dort ist das Mitglied einer Freikirche zuständig für die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion. Sein Kurs im Sozialbereich ist hart, im Gesundheitsbereich macht er Druck auf die Spitäler. Was ihn aber auch auszeichnet: Er gibt sich nicht so rasch zufrieden, arbeitet sich in Dossiers ein und trifft klare Entscheidungen. So etwa entzog er dem Verwaltungsrat der Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD) letztes Jahr das Vertrauen. Auch wenn immer wieder Kritik an ihm geäussert wird, sollte die Wiederwahl für Schnegg kein Problem sein.
Der 52-jährige ehemalige Grossratspräsident ist Historiker und seit 2023 Gemeindepräsident von Tramelan. Vor vier Jahren erachtete er eine Kandidatur gegen den amtierenden Pierre Alain Schnegg als aussichtslos. Jetzt sei die Situation anders, weil die Linke im Berner Jura besser zusammenarbeite. Die Kandidatur von Gullotti machte Cyprien Louis (Grüne) möglich, der sich zurückzog. Das Wahlziel von SP und Grünen ist es, in der Kantonsregierung zum dritten Mal nach 1986 und 2006 die rot-grüne Wende zu schaffen. Das ginge nur auf, wenn dem zurückhaltenden, konsensorientierten Gullotti ein krasser Wahlkampf gelänge. Das ist aber unwahrscheinlich.
Der Jura-Sitz ist eine Berner Besonderheit – und von grösster strategischer Bedeutung: Einen Mehrheitswechsel in der Regierung – von bürgerlich zu rot-grün – gab es in der Vergangenheit (1986 und 2006) nur dann, wenn die Linke den Jura-Sitz holte.
Jura-Sitz bedeutet, dass eine*r der sieben Regierungsrät*innen eine französischsprachige Person aus dem Verwaltungskreis Berner Jura sein muss. Wer diesen Sitz holt, wird mit einer eigenen mathematischen Formel berechnet: Die Stimmen, die Kandidierende im Berner Jura holen, werden mit den Stimmen multipliziert, die sie im Gesamtkanton machen. Daraus wird anschliessend die Wurzel gezogen.
Diese Berechnungsmethode führt dazu, dass die Stimmen aus dem Jura für diesen Sitz ein viel höheres Gewicht haben. Es kann sein, dass ein Kandidat im gesamten Kanton mehr Stimmen macht als die Konkurrenz, den Sitz aber doch nicht erhält, weil der Rückstand im Kanton Jura zu gross ist. Passiert ist genau das 2014 dem heutigen SVP-Präsidenten Manfred Bühler, als er gegen Philippe Perrenoud (SP) verlor. (jsz)
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