China, Kantonsfinanzen, Elterntaxi

News vom Samstag, Hauptstadt-Brief #500

Eierbecher
(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Gestern fuhr ich mit dem Velo in den Ostring und landete in China. In einem Hochhaus aus den 1960er-Jahren, oberhalb des Migros-Einkaufszentrums Freudenberg an der Giacomettistrasse, hat die chinesische Botschaft kürzlich das China Cultural Center Bern eingerichtet. Am Freitag fand die Eröffnungszeremonie der ersten grossen öffentlichen Ausstellung (Mo-Sa, 10-12, 14-17 Uhr) statt.

Kulturzentren betreibt China in vielen europäischen Städten – in Brüssel etwa oder in Berlin. Es ist offensichtlich, dass sie auch ein Instrument sind, mit Softpower das Image der kommunistischen Volksrepublik im Westen zu pflegen.

Qian Minjian, Parteimitglied und seit wenigen Wochen Chinas Botschafter in Bern, bestätigte den politischen Hintergrund an der Ausstellungseröffnung sogar indirekt: Chinas Regierung habe das Kulturzentrum in Bern gewollt. Sie verstehe es als wichtigen Ort zur Vertiefung «der strategischen Freundschaft» zwischen der Schweiz und China. Kulturaustausch helfe, sich besser zu verstehen. China und die Schweiz könnten gemeinsam auf ein höheres Niveau kommen, sagte Qian mit chinesischem Pathos.

Der Ausstellungseröffnung, begleitet von meditativer Live-Musik auf der chinesischen Zither (guqin), wohnten rund 50 Personen bei, darunter viele chinesische Expats. Schweizer*innen in offizieller Mission waren nicht vor Ort.

Von aussen wirkt das Kulturzentrum, versteckt im angejahrten Freudenbergzentrum, direkt an der Autobahn, etwas unbeholfen. Im Innern zeigt sich, wie viel Kraft und Strategie dahintersteckt. Die reich befrachtete Ausstellung stammt aus dem Bestand des hoch angesehenen Prince Kung’s Palace Museum in Beijing. Sie zeigt den Lebensstil chinesischer Intellektueller während der kaiserlichen Qing-Dynastie, als China dort war, wo es wieder hin will: an die Spitze der Weltwirtschaft. Die Botschaft ist deutlich.

Ich sah am Ostring ein Bild des chinesischen Selbstvertrauens. Aber auch der Lebensfreude. Das zeigte sich nach der Eröffnungszeremonie, als die offizielle Etikette abgelegt wurde und sich die Anwesenden brillant gelaunt auf die Berge von Apérohäppchen stürzten.

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Bilderserie von Gaby Moehl (9/12): Heitere 2. (Bild: Gaby Moehl)

Und das gebe ich dir ins Wochenende mit:

  • Operndirigentin: Heute Samstagabend steht in Bern ein musikalisches Highlight an: Das Berner Symphonieorchester spielt auf dem Bundesplatz (20.30 Uhr, Eintritt frei) das traditionelle Openair-Konzert. Dirigiert wird das BSO von Alevtina Ioffe. Meine Kollegin Marina Bolzli hat die aus Russland stammende neue Chefdirigentin Oper bei Bühnen Bern zu einem intensiven Gespräch getroffen.
  • Mobilität: Zwei für Bern wichtige Verkehrseinschränkungen entschärfen sich: Auf der während der letzten acht Wochen komplett gesperrten Bahnstrecke zwischen Bern und Freiburg verkehren die Züge ab Montagmorgen früh wieder fahrplangemäss, schreiben die SBB. Leichtere Einschränkungen gebe es noch punktuell. Zudem: Über die seit Monaten gesperrte Kornhausbrücke darf man ab Montagmittag mit dem Velo wieder vorsichtig fahren, wie die Stadt Bern mitteilt
  • Kantonsfinanzen: Finanzdirektorin Astrid Bärtschi (Mitte) hat am Freitag das Budget 2026 und die Finanzplanung bis 2030 des Kantons vorgestellt. Die Kernpunkte: Der bürgerlich dominierte Regierungsrat will viel investieren (Fachhochschulen Bern und Biel, Polizeizentrum Niederwangen), aber auch das Steuersenkungsprogramm und den Schuldenabbau vorantreiben. Gleichzeitig bestehen erhebliche Risiken: Etwa der labile finanzielle Zustand von Spitälern und Psychiatrie-Institutionen oder die Tatsache, dass der Bund künftig mehr Kosten auf die Kantone abwälzt. Unter dem Strich wird der Spardruck gross, was SP und Grüne heftig kritisieren. SVP,  FDP und GLP wünschen sich eher noch mehr Finanzdisziplin. Eine Kontroverse für den Kantonswahlkampf im Frühling 2026 ist damit gesetzt.
  • Fussball: Heute Samstag beginnt mit einem Auswärtsspiel in St. Gallen für die YB Frauen die neue Fussballmeisterschaft. Die Meisterinnen der Saison 24/25 haben mehrere Leistungsträgerinnen abgegeben – Iman Beney (Manchester City), Naomi Luyet (Hoffenheim), Leana Zaugg (Bochum), Courtney Strode (Wien) wechselten ins Ausland, Noa Schärz trat zurück. Dafür verstärkte sich YB mit Carla Schwarz (von Bayern München), Géraldine Ess (GC) und Nachwuchsnationalspielerin Caterina Tramezzani. Captain Stephanie Waeber findet, das neue Team sei gut unterwegs. Spannend wird es nächsten Mittwoch: In Zypern spielt YB gegen Limassol einen ersten Match um die Champions-League-Qualifikation.
  • Stadtrat: Die geplante Wohnüberbauung auf dem Gaswerkareal soll so rasch wie möglich vorankommen: Das war die klare Mehrheitsmeinung im Stadtparlament, das am Donnerstag drei Vorlagen – etwa die nötige Umzonung – beriet, die wohl im November vors Volk kommen. Auf der Tribüne sass kritisches Publikum, zum Beispiel Bewohner*innen der alternativen Siedlung Anstadt, die auch in die Gaswerk-Planung einbezogen werden möchten. Meine Kollegin Marina Bolzli serviert dir die engagierte Debatte knapp zusammengefasst im Stadtrat-Brief.
  • Mindestlohninitiative: Regierungsstatthalterin Ladina Kirchen (SP) sieht keinen Grund, warum die Mindestlohninitiative, die rot-grüne Parteien, Gewerkschaften und Hilfswerke in der Stadt Bern eingereicht haben, nicht gültig sein sollte. Sie weist eine Beschwerde der Stadtberner Wirtschaftsverbände gegen die Gültigkeitserklärung durch die Stadt Bern ab, wie sie mitteilt. Ihr Entscheid kann beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Die Initiant*innen wollen, dass niemand in der Stadt Bern weniger als 23.80 Franken pro Stunde verdient.
  • Elterntaxi: Vor knapp einem Jahr lancierte die Gemeinde Köniz beim Schulhaus Blindenmoos in Schliern einen Pilotversuch zur Erhöhung der Schulwegsicherheit. Auslöser war das Verkehrsaufkommen durch Eltern, die ihre Kinder zur Schule chauffieren und durch Wendemanöver Gefahrensituationen hervorrufen. Man richtete «Kiss&Ride»-Zonen ein, sensibilierte aber auch dafür, den Schulweg zu Fuss zu machen. Nun liegt die Auswertung vor. Es gebe «weniger Elterntaxis und mehr Sicherheit», schreibt die Könizer Verkehrsabteilung. Der Gemeinderat prüfe, das Massnahmenpaket vom Blindenmoos auf andere Schulstandorte zu übertragen.

PS: Lesen, aber chly anders? Wenn dir das gefällt, solltest du sofort ins Pinprinza, die Pop-up-Bar im Schlosspark Bümpliz. Heute vormittag (10.30 Uhr) gibts Silent reading. Du nimmst dein Buch mit und liest für dich, aber nicht alleine. Am Abend um 19.30 Uhr wird laut gelesen: Du bringst einen x-beliebigen Text mit, Poetry Slammer um Fehmi Taner fabrizieren daraus live Comedy.

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