Ohne Handy – Hauptstadt-Brief #472

Donnerstag, 5. Juni 2025 – die Themen: Handy-Fasten; Edith Siegenthaler; Noa Schärz; Adrianos; «Spaghettiteller»; Köniz; Bahnhofplatz; Wölfe; Hunde; Begegnungszone; Symphonieorchester.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Guten Tag!

In der Siedlung in Mittelhäusern, in der ich lebe, läuft in diesen Tagen ein aussergewöhnliches Experiment. Rund 40 Personen, die hier wohnen, haben für eine Woche freiwillig ihre Smartphones abgegeben, und zwar an zwei Journalistinnen von SRF. Rahel Sahli und Deborah Schlatter sind ins Gemeinschaftshaus der Siedlung gezogen und dokumentieren das einwöchige Handy-Fasten mit ihren Kameras.

Die abgegebenen Smartphones liegen eingeschlossen und gut bewacht in einer Glasbox. «In absoluten Notfällen gewähren wir natürlich Zugang», sagt Schlatter zur «Hauptstadt». Das sei schon am ersten Tag mehrfach vorgekommen. Weil sich Versuchsteilnehmer*innen beim Arbeiten am Computer irgendwo einloggen wollten – und die SMS mit dem Authentifizierungscode an das weggesperrte Handy ging.

Die Alltagsherausforderungen ohne Smartphone sind nicht ohne. Den Zugang ins selbstverwaltete Dorflädeli entsperrt man am einfachsten mit dem Handy, und bezahlt wird vorzugsweise mit Twint. Gut, wenn man Freund*innen hat, die temporär aushelfen.

Jugendliche und Erwachsene gehen laut Schlatter unterschiedlich mit der Smartphone-Diät um. Während die ältere Generation es eher als Entspannung wahrnehme, dominiere bei den Jüngeren das Verzichtsgefühl. Zugfahrten etwa fühlten sich für sie unendlich langweilig an.

Viele Jugendliche wenden laut Schlatter mehr oder weniger gut kaschierte Umgehungsstrategien an – zum Beispiel indem sie Whatsapp über den Computer nutzen oder weiterhin täglich am Laptop gamen. «Eine Woche ohne Gamen geht leider nicht», sei ein Satz, den sie schon mehrfach gehört habe, sagt Schlatter. Ein Challenge sei es für Jugendliche, Stundenplan und Agenda ohne Smartphone im Griff zu behalten – und fünf Minuten vor dem Termin beim Arzt nicht noch kurz dessen Standort googeln zu können.

Mir gefällt dieser Versuch von SRF, unser aufs Smartphone gebautes Alltagsleben spürbar zu machen. Ich bin gespannt auf die Rundschau-Sendung am 25. Juni (SRF 1, 20.05 Uhr), in der die Dokumentation des Handy-Fastens am TV gezeigt wird – und in der die Berner Neurowissenschaftlerin Barbara Studer erzählt, was im Hirn passiert, wenn man ein paar Tage offline ist.

Ich mache am Experiment übrigens nicht mit. Auch die «Hauptstadt» erscheint nur, wenn ihre Macher*innen am Smartphone erreichbar sind.

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Bilderserie von Regine Strub (4/12): Kinderfahrzeuge Spielplatz Länggasse. (Bild: Regine Strub)

Und das gebe ich dir in den Tag mit:

  • Edith Siegenthaler: Die Stadtberner SP-Politikerin feiert heute Donnerstag mit einem Fest ihre Wahl zur Präsidentin des Kantonsparlaments. Während einem Jahr ist sie formell die höchste Bernerin. Als sie Co-Präsidentin der SP Stadt Bern war, blies ihr auch heftige Kritik entgegen. Sie habe gelernt, sich in der Politik nicht von Kränkungen leiten zu lassen, erzählte sie mir bei einem Gespräch an der Aare.
  • Fussball: Die YB-Frauen sind im Hoch. Jüngst gewann das Team von Trainerin Imke Wübbenhost den Schweizer Meisterinnentitel – auch weil der Verein seine Frauenabteilung nachhaltig aufbaut. Doch nicht alles ist rosig, wie das Interview der WOZ mit YB-Spielerin Noa Schärzzeigt. Darin äussert sie differenzierte Kritik und geht auf die Löhne im Frauenfussball ein: «Ich kann von monatlich 2’500 Franken leben, weil ich auf einem Wagenplatz wohne», sagt Schärz.
  • Adrianos: Das Berner Kaffeehaus Adrianos expandiert nach Biel. Am Dienstag hat es auf der Esplanade ein Café und einen Kaffeeladen eröffnet, wie Ajour (Abo) berichtet. Schon seit April ist bekannt, dass Adrianos ab 2026 im Bahnhof Bern das Caffè Spettacolo ersetzt. Gegründet wurde Adrianos 1998 am Kornhausplatz von Adrian Iten.
  • Autobahnausbau: Anfang Woche hatte die Berner Stadtregierung bekannt gegeben, dass sie gegen den vom Bund geplanten Ausbau des Autobahnknotens Wankdorf Beschwerde einlegt. Nun fordern auch rote und grüne Parteien und Verbände einen Planungsstopp sowie einen «ergebnisoffenen Dialog». Nur so könne ein «Weg aus der Sackgasse gefunden werden», schreiben SP, GB, GFL, GLP sowie der VCS, Pro Velo Bern und Läbigi Stadt in einer gemeinsamen Mitteilung.
  • Bärnoise: Patricia Michaud hat ihr Herz an Aeschiried verloren. Wie es dazu kam und warum der Kraftort sogar über ihre Freundschaften entscheiden kann, verrät sie in ihrer französischsprachigen «Bärnoise»-Kolumne.
  • Zentrumslasten: Köniz fühlt sich bei der Reform des kantonalen Finanzausgleichs übergangen. Als einzige der sechs grossen Berner Gemeinden solle sie nicht berechtigt sein, Zentrumslasten geltend zu machen, kritisiert die Gemeinde in einer Mitteilung. Aktuell überarbeitet der Kanton sein Gesetz, über das Städte für ihre Zentrumsfunktion entschädigt werden. Burgdorf und Langenthal gehören neu zu den Begünstigten, obschon sie kleiner sind als Köniz.
  • Bahnhofplatz: Die Fläche rund um den Berner Bahnhof ist ein Hotspot – viele Menschen und Verkehrsmittel auf kleinem Raum, im Sommer eine regelrechte Hitzeinsel. Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) möchte das ändern. Gemeinsam mit dem Verein Bollwerkstadt hat der VCS Bern eine Vision für das Jahr 2045 entworfen. Veranschaulicht für die Bevölkerung wird die Vision mit einer Plakat-Serie, die noch bis zum 13. Juni auf dem Bahnhofplatz zu sehen ist.
  • Wölfe: Das bernische Kantonsparlament hat am Dienstag den Gegenvorschlag zur Wolfsinitiative mit 78 zu 71 Stimmen angenommen. Ein neues Gesetz soll vereinfachte Abschüsse von Wölfen ermöglichen, damit der Kanton seinen durch das eidgenössische Jagdgesetz limitierten Spielraum zur Begrenzung des Bestands ausschöpfe. SVP, FDP, Mitte und EDU stimmten geschlossen für den Gegenvorschlag, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtet.
  • Hunde: Wer im Kanton Bern erstmals einen Hund anschafft, soll in Zukunft einen Kurs besuchen und eine Prüfung absolvieren müssen. Das hat das Kantonsparlament gestern beschlossen, schreibt die Nachrichtenagentur SDA. Keine Mehrheit fand ein Vorstoss der Grünen, der verlangte, dass bestimmte Hunderassen künftig nur noch mit einer Bewilligung gehalten werden dürfen oder gar verboten werden.
  • Begegnungszonen: Die Stadt Bern erhält voraussichtlich gleich neun weitere Begegnungszonen. Die betroffenen Strassenabschnitte hat die Stadtregierung in ihrer Mitteilung aufgelistet. Sofern keine Einsprachen eingehen, sollen die Tempo-20-Zonen bereits ab Herbst 2025 realisiert werden. Wie schon in den letzten Jahren an einzelnen Tagen im Sommer ganz gesperrt werden Teile der Mittel- und der Zähringerstrasse in der Länggasse.

PS: Ich freue mich darauf, heute Abend abzuheben. Das Berner Symphonieorchester spielt im Programm «Aus der neuen Welt» ein Violinkonzert des armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan. Dieser schrieb das Stück «wie auf einer Woge des Glücks und der Freude» – er wartete auf die Geburt seines Sohnes. Für die Konzerte von heute und morgen Freitag (je 19.30 Uhr, Casino) gibt es noch einzelne Tickets. 

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Diskussion

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Hanspeter Zaugg
05. Juni 2025 um 11:58

Seit Jahren benutze ich ein, mittlerweile wieder in mode gekomenes, Tastenhändi(y) das mit N beginnt... und zwar nur im Notfall also etwa 6 mal im Jahr.

Leider ist es so dass einem sugeriert wird ohne H geht es nicht, wass ja auch stimmt, wenn du ab 2026 die Steuern im Kt Bern ausfüllen willst(Agov)

macht man es etweder von Hand (Für Leute mit Handy!cap) nicht geeignet, i gehöre dazu, oder mit Schlüssel was unsicher ist.

Es geht aber auch ohne Händy mit I Pad.

Tatsache ist dass es scheinbar als ganz normal gilt ein Händy zu benutzen, keines zu haben oder sich zu verweigern oder auf ein minium zu beschränken führt dazu Fernsehzeit mit etwas banalem wie einem nicht benutzen eines Telefons zu füllen. ich bin gespannt...

Es lebe die Festnetztelefonie und hier noch ein Radio Tip

https://www.srf.ch/audio/treffpunkt/festznetz-bald-kein-anschluss-mehr-unter-dieser-nummer?id=dc9b1f3e-2c75-4c7d-a72f-793a6d31ab85 wenn nicht erlaubt einfach löschen.