Belpmoos – Hauptstadt-Brief #489
Donnerstag, 17. Juli – die Themen: Solaranlage Belpmoos; Gurtenfestival; Amtszeitbeschränkung im Stadtrat; Holligen-Quartier; Rose Wylie im Zentrum Paul Klee; Softwareprojekt der Polizei.
Ganze 289 Stunden schien die Sonne im Juni in Bern. Das ist deutlich mehr als im Vorjahresmonat (160 Stunden) und klar über dem Juni-Durchschnitt der letzten Jahrzehnte (ca. 220 Stunden).
Viel Potenzial, um Sonnenenergie in Strom umzuwandeln.
Potenzial, dass die Energieversorger BKW und EWB sowie die Betreiber*innen des Flughafens Bern nutzen möchten. Ihr Plan: Im Belpmoos soll die grösste Freiflächen-Solaranlage der Schweiz entstehen. Mit 56'000 Fotovoltaik-Modulen und einer Stromproduktion von 42 Gigawattstunden pro Jahr. Das ist genügend Strom, um den jährlichen Bedarf von Gemeinden in der Grösse von Muri und Zollikofen zusammen abzudecken.
So jedenfalls die ursprüngliche Idee. Nun wird das Projekt um rund ein Drittel verkleinert, wie die Verantwortlichen am Dienstag mitgeteilt haben. Hauptgrund dafür ist der Widerstand von Umweltverbänden. Diese sehen mit dem Solarvorhaben die grosse artenreiche Trockenwiese im Belpmoos gefährdet. Die Umweltverbände setzen sich deshalb für den Schutz der Wiese als «Biotop von nationaler Bedeutung» ein. Die «Hauptstadt» hat im Frühjahr darüber berichtet.
Unter Vermittlung des zuständigen Bundesrats Albert Rösti (SVP) ist nun ein Kompromiss ausgearbeitet worden: 21,8 Hektaren Trockenwiese werden auf nationaler Ebene geschützt. Das ist mehr als heute im regionalen Inventar erfasst ist. Im Gegenzug soll das redimensionierte Solarprojekt ermöglicht werden.
Der Deal steht jedoch auf wackligen Beinen: Einzelne Umweltgruppen, etwa Natur-Belpmoos, kündigen bereits an, sich weiter gegen «das unsägliche Kraftwerk» zu wehren. Zudem müssen die Gemeinden Bern und Belp dem Projekt noch zustimmen. Und überhaupt wollen BKW und EWB erst noch prüfen, ob die Solaranlage unter den neuen Bedingungen überhaupt rentieren würde.
Sollte das Projekt dereinst zustandekommen, könnten im Belpmoos bis zu 28 Gigawattstunden Strom erzeugt werden. Das wäre deutlich weniger als ursprünglich vorgesehen – aber genug, um den jährlichen Bedarf der Gemeinden Bolligen und Ittigen abzudecken.
Das möchte ich dir in den Tag mitgeben:
- Gurtenfestival: Auf dem Berner Hausberg läuft seit gestern Abend die 42. Ausgabe des Gurtenfestivals. Neu gibt es dieses Jahr mit dem Forum erstmals auch eine Bühne, auf der Comedy und Live-Podcasts ihren Platz erhalten. Bei der Premiere mit Meral Kureyshi gestern Nachmittag waren – auch witterungsbedingt – nur ein paar Dutzend Personen anwesend. Deutlich mehr Partyvolk lockten die Konzerte von Lokalmatador Jule X und Ski Aggu an. Dieser ersetzte kurzfristig die kranke Nina Chuba. Heute Donnerstag stehen unter anderem der Berner Edb und Jorja Smith auf der Bühne. Die Gurten-Tipps der «Hauptstadt»-Redaktion findest du hier.
- Stadtrat I: Die Berner Stadtregierung will das Schlupfloch bei der Amtszeitbeschränkung im Stadtrat schliessen. Sie empfiehlt eine entsprechende Motion zur Annahme. Nach drei absolvierten Legislaturen soll es eine vierjährige Wartefrist geben. Politiker wie Alexander Feuz (SVP) umgingen die schon heute existierende Beschränkung der Amtszeit, indem sie kurz vor Ablauf der dritten Legislatur zurück- und als «Neue» wieder zu den Wahlen antraten. Das soll nun verunmöglicht werden. Die Regierung argumentiert differenziert: Einerseits drohten ohne griffige Beschränkung Machtmonopolisierung, Vetternwirtschaft und Verfilzung. Andererseits gingen Sachkunde und Erfahrungen verloren. Die SVP wehrt sich gegen die Verschärfung und regt mit einem Postulat die Aufhebung der Amtszeitbeschränkung an, wie die Nachrichtenagentur SDA schreibt. Sollte eines der beiden Anliegen im Stadtrat eine Mehrheit finden, hätte die Stadtberner Stimmbevölkerung das letzte Wort.
- Stadtrat II: Vor vier Jahren warteten über 450 Vorstösse im Berner Stadtparlament darauf, behandelt zu werden. Dabei ging es teilweise um Anliegen, die seit mehreren Jahren hängig waren. Zum Abbau des Pendenzenbergs beschloss der Stadtrat 2023 deshalb mehrere Massnahmen. Mit Erfolg: Anfang Juli hat der Stadtrat mitgeteilt, dass sämtliche Pendenzen abgebaut seien.
- Holligen: Das Holligen-Quartier boomt. Und das nicht erst, seit auf dem Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage eine Siedlung mit mehreren hundert Wohnungen entstanden ist. Die Entwicklung hat Folgen für das Quartier – und nicht nur positive. Das merkt auch der SC Holligen. Journal B und Radio Rabe haben sich dem Fussballverein angenommen. Entstanden ist eine interessante Reportage in Bild und Ton.
- Malerei: Möchtest du dich von Bildern einer Künstlerin inspirieren lassen, die sich auch im Alter von 90 Jahren um Konventionen schert? Dann lohnt sich der Besuch der neuen Ausstellung im Zentrum Paul Klee, die morgen Freitagabend mit der öffentlichen Vernissage beginnt. Gezeigt werden Bilder der englischen Malerin Rose Wylie, deren Spezialität es ist, Inspirationen aus dem Alltag und der Popkultur mit risikofreudigem Pinselstrich zu grossflächigen und oft gewagten Bildern zu verarbeiten. Ihr freiheitlicher Stil ist weltweit in Museen angesagt. Bis zum 5. Oktober kannst du ihn dir in Bern zu Gemüte führen.
- Polizei: Das Softwareprojekt Nevo/Rialto der Kantonspolizei Bern wird deutlich teurer als gedacht. 2016 sprach das Kantonsparlament dafür einen Kredit von 13,5 Millionen Franken. Bis zur endgültigen Einführung könnten sich die Kosten nun fast verdoppeln. Das berichten die Tamedia-Zeitungen. Die neue Software sollte die Prozesse zwischen Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft digitalisieren und vereinheitlichten. Mit mehreren Jahren Verzögerung hat bisher erst die Polizei die Software eingeführt. Bei der Staatsanwaltschaft kommt sie voraussichtlich erst Ende 2026 zum Einsatz.
- Gemeinschaftsraum: Sechs Kollektive um den Klimastreik Bern und Wir alle sind Bern ziehen gemeinsam in ein «Haus der Bewegungen» in Marzili-Quartier. Ein Crowdfunding, um das nötige Geld zusammenzubringen, wurde Anfang Juli erfolgreich abgeschlossen. In dasselbe Gebäude ist auch Radio Rabe gezügelt, das seine bisherigen Studios in der Lorraine im Frühjahr verlassen musste. Das «Haus der Bewegungen» soll den Kollektiven Platz bieten für «Treffen, Vernetzung und zum Auftanken».
PS: Bereits zum 13. Mal bietet die Heitere Fahne in Wabern ein Alternativ- oder Ergänzungsprogramm zum Gurtenfestival. Bis am Samstag gibt es am Gugus Gurte Livemusik, Kulinarisches und Disco bis spät in die Nacht.
Korrigendum: In einer ersten Version hiess es, dass die Stadtberner Stimmbevölkerung direkt über die Amtszeitbeschränkung im Stadtrat entscheiden kann. Das wäre aber nur der Fall, sollte zunächst eines der beiden Anliegen im Rat eine Mehrheit finden. Dann könnten die Stimmberechtigten über die entsprechende Revision der Gemeindeordnung entscheiden.
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