«Wir spüren Unzufriedenheit mit dem Stadtpräsidenten»
Co-Parteipräsidentin Lena Allenspach erklärt den Angriff der SP auf Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried und warum Marieke Kruit eine gute Kandidatin sei.
Warum tritt die SP für das Stadtpräsidium an? Ihr Bündnis Rot-Grün-Mitte (RGM) stellt ja mit Alec von Graffenried (GFL) aktuell schon das Präsidium.
Lena Allenspach: Wir sind überzeugt, dass eine SP-Stadtpräsidiumskandidatur das RGM-Bündnis stärkt. Damit geben wir der Bevölkerung eine echte Auswahl.
Diese Kandidatur ist ein Zeichen dafür, dass Sie mit der Arbeit des Stadtpräsidenten nicht zufrieden sind. Was macht Alec von Graffenried derzeit falsch?
Wir würden nicht kandidieren, wenn im Stadtpräsidium alles gut liefe. Wir spüren in der Bevölkerung eine gewisse Unzufriedenheit. Das letzte Beispiel war die gescheiterte Fusion mit Ostermundigen. Auch in unserer Partei hören wir diese Unzufriedenheit. Wir wollen das ernst nehmen und agieren, bevor diese Stimmung RGM schadet.
Sie schlagen als Stadtpräsidentin die Tiefbaudirektorin Marieke Kruit vor. Was würde sie besser machen?
Wir haben heute Abend den Delegierten die Grundsatzfrage gestellt, ob wir eine Kandidatur für das Stadtpräsidium stellen sollen. Dass sich Marieke Kruit als Kandidatin zur Verfügung stellt, freut uns sehr. Sie hat in den letzten vier Jahren gezeigt, dass sie nahe bei den Leuten ist und den Menschen zuhört. Sie steht auch hin, wenn es nicht so gut läuft. Und sie hat grosse Projekte umgesetzt. So etwa bei den Klima-Anpassungsmassnahmen. Zudem sind wir der Meinung, dass es nun Zeit ist für die erste Berner Stadtpräsidentin. Diese Stadt hat bei den letzten Wahlen 70 Prozent Frauen ins Parlament gewählt. Marieke Kruit kann gut führen und übernimmt Verantwortung.
Diese Führungsfähigkeit ist aber aktuell in Frage gestellt. Frau Kruit hat letzte Woche beim Farbsack-Trennsystem und der Containerpflicht ein totales Umsetzungsdebakel präsentiert. Sie setzt das Stadtbild und den Erhalt von Parkplätzen über den Schutz von Arbeitnehmenden. Das scheint uns keine überzeugende SP-Politik. Wie wollen Sie so das Stadtpräsidium holen?
Dieses Beispiel rund um den Farbsack zeigt, dass Marieke Kruit auch dann hinsteht, wenn es nicht rund läuft. Der Gesundheitsschutz ist Marieke Kruit sehr wichtig. Darum ist es richtig, dass man an der teilweisen Containerpflicht festhält. Sie zeigt der Bevölkerung transparent, wo das Geschäft steht.
Was soll künftig die Rolle von Alec von Graffenried sein, wenn die SP das Präsidium holt?
Das ist nicht an mir zu beantworten.
Wie wollen Sie die Menschen vom Bündnis RGM überzeugen, wenn die SP nun selbst den GFL-Stadtpräsidenten mit ihrer Kampfkandidatur abwertet?
Wir zeigten mit dieser Kandidatur, dass RGM nicht nur verwaltet, sondern die Zukunft gestalten will. RGM ist wandelbar und zeigt damit Stärke. Und wir sind ein inhaltliches Bündnis, das eine soziale, ökologische und fortschrittliche Politik machen will. Wir haben einen inhaltlichen Anspruch. Im Gegensatz zum bürgerlichen Bündnis, das keine gemeinsamen Inhalte und Werte teilt.
Ein Bündnis, das sich intern bekämpft, ist aber nicht die beste Werbung im Kampf gegen das Mitte-Rechts-Bündnis.
Wir müssen uns innerhalb von RGM immer wieder selber hinterfragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, um unseren inhaltlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Wir wollen mit dem Grünen Bündnis und der GFL einen engagierten Wahlkampf führen. Die Grundlagen dafür haben wir in der gemeinsamen Vereinbarung gelegt.
Auch das Grüne Bündnis (GB) lassen Sie links liegen. Denn die Klimagerechtigkeits-Initiative will die SP nicht mitlancieren. Warum?
Wir haben diese Initiative nicht miterarbeitet und uns nach einer intensiven Prüfung gegen eine Mitlancierung entschieden. Als Parteien haben wir jeweils auch unterschiedliche politische Projekte. Wir arbeiten sonst gut mit unseren Bündnispartner*innen zusammen.