«Hauptstadt»-Brief spezial – Könizer Showdown
Montag, 23. September 2024 – die Themen: Wahlen in Köniz, Ostermundigen, Belp und Mühleberg. Abstimmungen in Bern, Muri, Meikirch – und zu Moutier.
Dieses Wochenende wurde in vielen Agglomerationsgemeinden gewählt und abgestimmt. In diesem «Hauptstadt»-Brief spezial fasse ich für dich kurz und bündig die wichtigsten Resultate zusammen und sage, was sie bedeuten.
Am aufwühlendsten finde ich, was gerade in Köniz passiert. In der nach Bern mit Abstand grössten Agglo-Gemeinde ging es um eine vermeintliche Formsache: Weil Thomas Brönnimann (Grünliberale) vor Legislaturende aus der fünfköpfigen Gemeinderegierung zurücktritt, mussten die Stimmberechtigten nur seine Nachfolge bestimmen. Die GLP trat mit Thomas Marti an. Doch die SP nutzte die Einer-Vakanz für einen Angriff: Géraldine Boesch wollte einen zweiten SP-Sitz und damit eine rot-grüne Mehrheit im Könizer Gemeinderat erzwingen.
Gestern holte Marti zwar am meisten Stimmen (4856), aber Boesch (4439) ist ihm dicht auf den Fersen. Weiter zurück liegt Katja Streiff (2614). Weil niemand das absolute Mehr (über 50 Prozent der Stimmen) erreichte, ist die Entscheidung vertagt. Am 20. Oktober findet der zweite Wahlgang statt – dann gilt das absolute Mehr nicht mehr. Gewählt wird, wer am meisten Stimmen hat.
Marti und Boesch haben bereits angekündigt, am 20. Oktober wieder anzutreten, Katja Streiff muss noch nachdenken. Der zweite Wahlgang wird ein Showdown mit völlig offenem Ausgang. Es geht parteipolitisch um viel. Die GLP, die sich als politische Mitte versteht, kämpft hart um den Regierungssitz in einer grossen Agglo-Gemeinde – besonders, nachdem die Partei gestern Niederlagen einstecken musste. Sie fiel in Belp, aber auch in Worb aus dem Gemeinderat. In Biel blieben die Grünliberalen weit davon entfernt, es in die Regierung zu schaffen.
So gesehen steht Thomas Marti unter Erfolgsdruck. Er wird von Bürgerlichen unterstützt. Aber auch von Regula Rytz, der früheren grünen Nationalrätin und Berner Gemeinderätin – obschon ihre Partei, die Könizer Grünen, sich mit der SP für Géraldine Boesch verbündet haben. Marti hatte in der städtischen Direktion gearbeitet, als Rytz dort Gemeinderätin war.
Auf der anderen Seite kann man es zumindest als ambitioniert bezeichnen, wenn SP und Grüne mit einem Wähler*innenanteil von zusammengezählt rund 45 Prozent in Köniz eine rot-grüne Mehrheit installieren wollen. Allerdings ist es denkbar, dass Géraldine Boesch innert vier Wochen den Rückstand auf Marti aufholt. Entscheidend wird sein, wer im zweiten Wahlgang seine Wähler*innen besser mobilisiert. Und zu wem die Stimmen von Katja Streiff gehen, falls sie nicht mehr antritt. Zu Géraldine Boesch, damit eine zweite Frau in die Könizer Regierung kommt? Oder zu Thomas Marti, damit die politische Mitte im Gemeinderat bleibt?
Der 20. Oktober wird ein interessanter Tag.
In diesen Gemeinden wurde am Wochenende ebenfalls gewählt:
Ostermundigen: Stabilität in der Gemeinderegierung, minimalste Veränderungen im Parlament: Ostermundigen bleibt politisch der Mitte-Rechts-Orientierung treu, aber auch der Frauenmehrheit. Im siebenköpfigen Gemeinderat sitzen ab 2025: Thomas Iten (Gemeindepräsident, parteilos, bisher), Aliki Panayides (SVP, bisher), Emsale Selmani (SP, neu), Melanie Gasser (GLP, bisher), Gerardo Grasso (FDP, bisher), Bettina Fredrich (SP, bisher), Hans Wipfli (SVP, bisher).
Belp: Neu ist ein SPler Gemeindepräsident, aber die Mehrheitsverhältnisse im Gemeindrat kippen nach rechts, weil GLP und SP je einen Sitz an SVP und FDP verlieren. In der Gemeinderegierung sitzt nur noch eine Frau. So sieht der Belper Gemeinderat ab 2025 aus: Stefan Neuenschwander (Gemeindepräsident, SP, bisher Gemeinderat), Kristin Arnold Zehnder (SP, bisher), Thomas Walther (SVP, neu), Hans Peter Iseli (SVP, neu), Jean-Michel With (SVP, bisher), Patrick Müller (FDP, neu), Markus Müller (Mitte, neu).
Mühleberg: Die SVP hatte die absolute Mehrheit in der Mühleberger Regierung, gestern Sonntag verlor sie einen Sitz an die FDP. Die SP hat ihren 2020 gewonnenen zweiten Sitz verteidigt. Die klar bürgerlich dominierte Mühleberger Regierung ab 2025: Andreas Menzi (Gemeindepräsident, SVP, bisher), Gabriele Leuenberger-Patzen (SVP, neu), Christian Tschanz (SVP, neu), Lukas Bühlmann (SP, bisher), Susanne Oehler (SP, neu), Jan Niklas Mäder (Mitte, neu), André Fasnacht (FDP, neu).
Den stets aktualisierten Überblick der «Hauptstadt» über die politischen Kräfteverhältnisse in den Agglomerationsgemeinden findest du hier.
Das sind die interessantesten lokalen Abstimmungsresultate:
Stadt Bern I: Die 42 Millionen Franken teure Sanierung des Strassenraums zwischen dem Brunnhof und der Wendeschleife im Fischermätteli war Gegenstand eines heftigen Abstimmungskampfes. Weder das rot-grüne noch das bürgerliche Lager traten geeint auf. Aber die Mehrheit der Stimmberechtigten handelte, wie sie es in dieser Legislatur immer getan hat: Sie folgte den Vorschlägen der rot-grünen Regierung. Der Kredit, der bei der Stadt offiziell mit nur 15,7 Millionen Franken zu Buche schlägt, wurde mit 76 Prozent Ja-Stimmendurchgewinkt. Was allerdings nicht heisst, dass es mit der Grossbaustelle, die zweieinhalb Jahre dauern soll, schon bald losgeht. Gegen das Projekt sind über 50 Einsprachen – etwa von Pro Velo Bern – eingegangen, die langwierige Verhandlungen nach sich ziehen dürften.
Stadt Bern II: Mit einem Ja-Stimmenanteil von über 85 Prozent haben die Stimmberechtigten den Baukredit für die Volksschule Weissenbühl (78 Millionen Franken) und die zonenrechtlichen Voraussetzungen dafür gutgeheissen.
Muri bei Bern: Obschon Gümligen zu Muri gehört, wird die Gemeinde offiziell auch weiterhin Muri bei Bern heissen. Die Stimmberechtigten lehnten eine Namensänderung mit einem Nein-Stimmenanteil von über 60 Prozent ab. Das Abstimmungsergebnis ist ein Erfolg für die Jungfreisinnigen, die sich an vorderster Front gegen die Umbenennung engagierten. «Natürlich sind wir enttäuscht, dass unser Vorschlag keine Mehrheit gefunden hat, aber wir sind dankbar für die engagierte Diskussion, die wir in den letzten Monaten führen konnten», sagt hingegen SP-Parlamentarier Angelo Zaccaria, der die Namensdebatte angestossen hatte.
Au revoir Moutier: Mit einer Mehrheit von 83 Prozent haben die Stimmberechtigten des Kantons Bern dem Vertrag zugestimmt, der den Wechsel des Städtchens Moutier zum Kanton Jura regelt. Auch die jurassischen Stimmberechtigten hiessen den Vertrag gleichzeitig gut. Nun fehlt nur noch der offizielle Segen der eidgenössischen Räte, der aber unbestritten ist, und dann kann der Transfer Moutiers von Bern zum Jura per Anfang 2026 vollzogen werden.
PS: Die Gemeinde Meikirch am Frienisberg liegt zwar ausserhalb des «Hauptstadt»-Perimeters. Aber die Abstimmung im kleinen Dorf hatte es in sich. Sagenhafte 68 Prozent der Stimmberechtigen äusserten sich an der Urne zu einer Überbauungsordnung auf einer Parzelle nahe der Kirche, an der seit 15 Jahren geplant wird. Obschon SP und FDP die Planung unterstützten, wurde sie mit einem horrenden Nein-Stimmen-Anteil von über 60 Prozent abgeschmettert. Die IG Meikirch, die den Widerstand orchestrierte, will nun dazu beitragen, eine demokratisch bessser abgestützte Überbauungsordnung auf den Weg zu bringen, wie sie in einer Stellungnahme schreibt.