Rotes Bern

Die rot-grüne Berner Stadtregierung erfüllt die Erwartungen: Sie budgetiert für das Jahr 2023 ein Defizit von fast 30 Millionen Franken und verfehlt sämtliche Ziele der Finanzstrategie, wie sie selber zugibt. Ein Kommentar.

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(Bild: Silja Elsener)

Lokale Finanzpolitik ist ein beliebtes Beschäftigungsgebiet für Technokrat*innen. Sie jonglieren mit Millionenbeträgen und werfen mit abstrakten Begriffen wie Investitionsvolumen, Selbstfinanzierungspotenzial oder Verschuldungsgrad um sich. Aus der Sicht der Bürger*innen wirkt das oft wie Spiegelfechterei ohne Konsequenzen: Der Staat – in diesem Fall die Stadt – kann trotzdem noch zahlen, auch wenn die Zahlen rot und röter werden. 

Trotzdem finden wir es wichtig, dass man versteht, wie die Stadt Bern mit ihrem Geld, das unter anderen aus Steuereinnahmen besteht, gerade umgeht. Weil das Konsequenzen haben kann, die erst später sichtbar werden. Und vielleicht gewisse Selbstverständlichkeiten in Frage stellen.

Die Stadt Bern gibt pro Jahr rund 1,3 Milliarden Franken aus. Dieser Betrag wächst ständig, auf der Einnahmen-, wie auf der Ausgabenseite. Für das Jahr 2023 rechnet die Stadt Bern mit zusätzlichen Steuereinnahmen von über 30 Millionen Franken. Das ist ein positives Zeichen – es bedeutet, dass die Wirtschaft läuft und die Bevölkerung (ein bisschen) wächst. Trotzdem rechnet die Stadtregierung per Ende 2023 mit einem Defizit von 29 Millionen Franken. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Ausgaben fast doppelt so schnell wachsen wie die Einnahmen.

Das könnte man ja noch wegstecken. Aber: Alle, die in der Stadt Bern etwa Sportanlagen benützen oder Kinder in die Schule schicken, wissen, dass ein hoher Erneuerungsbedarf besteht. Diese Investitionen hatte die rot-grüne Regierung in den Neunziger und Nuller Jahren hinausgeschoben, weil man zuerst aus den roten Zahlen kommen wollte. Jetzt wird investiert – und um genügend Geld dafür auf der Seite zu haben, müsste die Stadt laut Finanzdirektor Michael Aebersold jedes Jahr Überschüsse von 20 Millionen Franken produzieren. So gesehen liegt der Fehlbetrag 2023 nicht bei 29 Millionen Franken, sondern bei fast 50 Millionen Franken – obschon man bereits «Entlastungsmassnahmen» im Umfang von 40 Millionen Franken umgesetzt hat.

Logisch: Wir reden hier von einem Budget, das immer auch politisch gefärbt ist. Die Rechnung kann besser herauskommen – wie zum Beispiel 2021, als sich ein prognostiziertes Defizit in einen Mini-Überschuss verwandelte. Aber unbestritten ist: Weil sie das Ausgabenwachstum nicht in den Griff kriegt, muss die Stadt Investitionen finanzieren, indem sie Schulden macht – und zwar in weit höherem Ausmass, als der Kanton es als gesund erachtet.

Die Finanzsituation der Stadt Bern sei nicht angespannt, wie vom Gemeinderat behauptet, sondern «desaströs», findet zum Beispiel die FDP. Politisch wird jetzt auf den linken Finanzdirektor Michael Aebersold (SP) eingeprügelt, von dem sogar gemunkelt wird, er wolle bei den Wahlen 2024 nicht noch einmal antreten. Seine eigene Partei attestiert ihm eine «nachhaltige Finanzpolitik». Aber wir reden hier nicht von Aebersolds Finanzpolitik, sondern von derjenigen der Gemeinderatsmehrheit.

Was man jenseits des politischen Seilziehens im Auge behalten muss: Vor zehn Tagen präsentierte Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) die Kulturbotschaft der Stadt, in der definiert wird, wie die städtischen Kultursubventionen von 33 Millionen Franken pro Jahr ab 2024 verteilt werden. Die Stadt Bern könne und wolle sich ein Kulturleben leisten, das deutlich über dem Durchschnitt vergleichbarer europäischer Städte liege, sagte von Graffenried. Dazu gehört als grösste Empfängerin auch Bühnen Bern, an sie zahlt die Stadt allein pro Jahr 18 Millionen Franken.

Die Kultur ist nur ein Beispiel. Aber Engagements wie ein Kulturleben in diesem Umfang, das die rot-grüne Mehrheit gefördert hat, sind letztlich gefährdet, wenn man die Finanzen im langfristigen Blick nicht unter Kontrolle hat. Das müsste die Basis sein von Finanzpolitik.

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Diskussion

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Ruedi Muggli
25. Juni 2022 um 10:33

Anzumerken bliebe zum „roten Bern“, dass die bürgerliche Opposition noch vor nicht allzulanger Zeit unbedingt Steuersenkungen wollte. Soviel zur Nachhaltigkeit.