Klima- und Demokratieschutz
Mehr Tempo bei der Energiewende und mehr Sorge zur Demokratie und zu Mitarbeitenden: Diese Akzente setzt die neue Berner Stadtregierung in ihren Legislaturzielen.
Es ist eine Pflichtübung und für die neue Regierung war es gleichzeitig wohl wichtiges Teambuilding. Nach dem holprigen Start mit der Desavouierung des ehemaligen Stadtpräsidenten Alec von Graffenried (GFL) bei der Direktionsverteilung im Dezember, setzte sich die Regierung ab Februar in mehreren Sitzungen hinter ihren gemeinsamen Legislaturplan. Dieser liegt seit gestern vor. Auf die Frage nach ihrem persönlichen Highlight in den neuen Legislaturzielen sagte Stadtpräsidentin Marieke Kruit (SP) an der gestrigen Medienkonferenz: «Die gute Diskussionskultur, die wir pflegen.»
Die Startkrise der im November gewählten Stadtregierung scheint überwunden. Geeint präsentieren die fünf Gemeinderäte*innen ihren Plan. Dieser fokussiert – aufgeteilt auf drei Schwerpunkte – auf stabile Finanzen und einen dynamischen Wirtschaftsstandort, mehr Klimaschutz und nachhaltige Mobilität, und er will Demokratie und die soziale Teilhabe fördern.
Viele Ziele des Plans, wie sozialer Wohnungsbau, die Bekämpfung von Armut oder eine nachhaltige Mobilität, hat schon das Vorgänger*innengremium verfolgt. Doch es gibt Akzentverschiebungen.
Stabile Finanzen: Die Stadt Bern stabilisiert ihre Finanzlage so, dass der städtische Haushalt bis in vier Jahren ausgeglichen ist und dadurch ein nachhaltiger finanzieller Handlungsspielraum entsteht.
Verantwortungsvolle Arbeitgeberin: Die Stadt Bern stärkt die Qualität ihrer Führungskultur und die Effektivität ihrer Arbeitsorganisation.
Dynamischer Wirtschaftsstandort: Die Stadt Bern steigert ihre Attraktivität als Wirtschafts- und Bildungsstandort und fördert den Dialog mit Unternehmen und weiteren Akteur*innen.
Beim Mega-Thema Klimaschutz will die aktuelle Regierung bei der Umsetzung von Massnahmen das Tempo erhöhen. Der neu für Umweltthemen zuständige Alec von Graffenried räumte ein, dass die Stadt beim Ausbau der Photovoltaik Luft nach oben habe. Nun will sie Vorbild werden. «Geeignete Flächen städtischer Liegenschaften wollen wir bis 2035 zu hundert Prozent für erneuerbare Energien nutzen», sagte der GFL-Gemeinderat. Auch der Umbau auf nachhaltige Heizungen in städtischen Häusern soll forciert werden.
Mehr Gewicht als bisher haben im Legislaturplan die Wirtschaft (vor vier Jahren blieb diese fast unerwähnt, nun erhält sie ein eigenes Kapital) und die Finanzen. Finanzdirektorin Melanie Mettler (GLP) strebt kleine Überschüsse statt Defizite an und will die Eigenkapitaldecke bei 100 Millionen Franken stabilisieren.
Mehr Augenmerk will Mettler auch auf die nachhaltige Führung der Mitarbeitenden legen. Die Leistungsversprechen der Stadt seien zum Teil nicht in der Balance mit den Kapazitäten der Mitarbeitenden. «Als inklusive Arbeitgeberin wollen wir Teilzeitarbeit möglich machen», sagte Mettler. Aber das stelle zum Beispiel neue Anforderungen an die Organisation der Arbeit. Die Verwaltung sei zudem konfrontiert mit dem Phänomen, dass mehr Menschen psychisch belastet seien, ergänzte Sozialdirektorin Ursina Anderegg (GB). Und es mangle an Fachpersonen, nicht nur bei Ingenieuren, sondern auch bei sozialen Berufen und in den Schulen. «Der Druck auf die übrig gebliebenen ist damit höher», so Anderegg. Die Finanzdirektion gleist darum eine Überprüfung der städtischen Aufgaben und deren Priorisierung auf.
Energiewende umsetzen: Die Stadt fördert klimafreundliche Bauweisen. Sie erhöht die Energieeffizienz im Gebäudebereich und fördert den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf geeigneten städtischen und privaten Flächen
Nachhaltige Mobilität: Die Stadt Bern fördert eine nachhaltige und stadtverträgliche Mobilität.
Klimaresiliente Stadt: Die Stadt Bern trifft wirkungsvolle Massnahmen zur Klimaanpassung und verbessert damit die Resilienz gegenüber Hitze, Trockenheit und Starkniederschlägen.
Einen weiteren Akzent setzt der neue Gemeinderat beim Schutz der Demokratie. Die Zahl der liberalen Demokratien gehe weltweit zurück, anti-demokratische Bewegungen seien auf dem Vormarsch, sagte von Graffenried. «Dem müssen wir entgegenwirken, auch in Bern.» Mit «wir» meine er alle Berner*innen, nicht nur die Regierung. Konkret wolle der Gemeinderat die Bevölkerung befähigen, sich mit Themen wie Fake News, Zensur und dem Aufstieg autoritärer Regimes auseinanderzusetzen und Diskussionen zu führen. So sollen im Politforum regelmässig Veranstaltungen zu Medienkompetenz und Demokratieförderung durchgeführt und in der Quartiermitwirkung die Partizipation gestärkt werden.
Zudem will die Regierung in die Vernetzung der Stadt mit Kantonen und Bund investieren. «Auf nationaler Ebene werden urbane Sichtweisen noch zu wenig berücksichtigt», sagte von Graffenried.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Die Stadt Bern stärkt soziale Netze, fördert den Zugang zur Grundversorgung und den Schutz vulnerabler Bevölkerungsgruppen und bekämpft Armut wirkungsvoll.
Demokratie fördern: Die Stadt Bern fördert das Verständnis für demokratische Werte und stärkt die Partizipation der Bevölkerung.
Gerechter Zugang für alle: Die Stadt Bern verbessert den chancengerechten Zugang zu Bildung, öffentlicher Infrastruktur und gesellschaftlicher Teilhabe.
Die Demokratie zu fördern sei visionär und wichtig. Darum sei das sein persönliches Highlight, sagte SP-Gemeinderat Matthias Aebischer. Auf Nachfrage führte der ehemalige Journalist aus: «Die Medienvielfalt ist etwas vom Wichtigsten für eine Demokratie.» Daher sei er betrübt, dass die Medienvielfalt auch in der Stadt Bern abgenommen hat und froh, wolle der Gemeinderat die Demokratie stärken. Es gebe Länder wie die USA oder Ungarn, die es verpasst haben, rechtzeitig über Medien und Demokratie zu debattieren. «Wir wollen die Sensibilität steigern, dass Medienvielfalt und Meinungsvielfalt ein Gradmesser der Demokratie sind», so Aebischer.
Eine konkrete Medienförderung hat die Stadtregierung nicht vorgesehen. Da sei der Ball eher bei Bund und Kanton, findet Aebischer. «Aber wir alle können Abos von Onlinemagazinen oder Zeitungen kaufen, auch wenn man diese nicht unbedingt jeden Tag liest.» Das sei auch Medienförderung.
Umweltdirektor von Graffenried nannte als sein Highlight die «Etablierung des Klimaschutzes im Legislaturplan». Ursina Anderegg freute sich, dass die Regierung sich schnell einig gewesen sei, sich künftig bei Kanton und Bund deutlicher für die Interessen der Stadt einsetzen. Und Melanie Mettler betonte den Teamgedanken: «Wir haben uns vorgenommen und geliefert: Ziele aus Gesamtsicht definieren und uns als Gesamtgremium zuständig fühlen.»
Die Pflichtübung hat der neue Gemeinderat damit standardmässig erfüllt. Mit der neuen Fokussierung auf den Schutz der Demokratie kündigt er zwar keine bahnbrechenden Massnahmen an, setzt aber doch ein wichtiges politisches Zeichen.