Was steckt hinter dem LGBTI-Label für die Stadt Bern?

Die Stadt Bern erhält das «Swiss LGBTI-Label». Dies mitten im Pride-Monat. Inhaltsloses Marketing oder ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung queerer Menschen?

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(Bild: Silja Elsener)

Im Juni ist Pride-Monat, dieser soll queeren Menschen mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Während dieses Monats herrscht perfekte Blütezeit für regenbogenfarbige Firmenlogos (so zum Beispiel gesehen bei der Swisscom) und unterstützende Statements zur queeren Community von Seiten aller möglicher Organisationen. Viele dieser Aktionen wurden von Aktivist*innen immer wieder als inhaltsloses Marketing entlarvt. Die Stadt Bern hat nun als Arbeitgeberin das «Swiss LGBTI-Label» erhalten. 

Wenn man die Webseite von «Swiss LGBTI-Label» durchliest, könnte man meinen, es handle sich auch hier um so eine ähnlich inhaltslose Aktion. Als Erstes stechen Anpreisungen ins Auge, wie das Label sich positiv auf das Image der ausgezeichneten Organisationen auswirkt. 

Stadtpräsident Alec von Graffenried stellt klar: «Da steckt schon etwas mehr dahinter. Für eine Zertifizierung muss ein grosser Kriterienkatalog erfüllt werden.» 

Mehr als Marketing, was heisst das konkret?

Im Jahr 2018 hat die Stadt vom Stadtrat den Auftrag erhalten, nicht nur die Gleichstellung zwischen Frau und Mann, sondern auch von queeren Menschen voranzutreiben. Deshalb enthält der städtische Aktionsplan zur Gleichstellung nun queere Perspektiven. Im 24-seitigen Dokument werden in fünf Schwerpunkten insgesamt 36 Massnahmen zur Gleichstellung innerhalb der Stadt Bern genannt. Eines der Ziele im Plan: Das Erhalten des «Swiss LGBTI-Label». 

Doch was heisst das konkret? Die physischen Massnahmen sind auch für nicht-queere Menschen gut ersichtlich: Bei der Neuplanung oder der Sanierung städtischer Gebäude werden nebst geschlechtergetrennten Toiletten, Dusch- und Garderobenanlagen auch genderneutrale Versionen davon erstellt. 

Doch tatsächliche Gleichstellung queerer Menschen erfordert mehr als bauliche Massnahmen. Alec von Graffenried erklärt: «Die Stadt soll als Arbeitgeberin ein Umfeld für queere Menschen schaffen, in dem sich diese willkommen fühlen.» Zum Beispiel sei nur ein Drittel aller queeren Menschen am Arbeitsplatz vollständig geoutet. «Etwas verheimlichen zu müssen und so faktisch ein Doppelleben zu führen, kann aber ein massiver Stressfaktor sein», sagt er. So sei man daran, die HR-Verantwortlichen der Stadt als Arbeitgeberin dafür zu sensibilisieren und auszubilden. Im Aktionsplan Gleichstellung wird zudem die Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen von Dienststellen mit Publikumskontakt aufgeführt. 

Stadt auf Kurs

Hochgesteckte Ziele also, doch werden diese auch erreicht? Der letztes Jahr erschienene Zwischenbericht zum Aktionsplan Gleichstellung belegt, dass die Stadt mit der Umsetzung der meisten Massnahmen nach Plan unterwegs ist. Auch die Zertifizierung des «Swiss LGBTI-Labels» wird alle drei Jahre neu geprüft. «Von Zertifizierung zu Zertifizierung müssen sich die Umstände für queere Menschen auch tatsächlich verbessern, sonst bleibt die Rezertifizierung aus», so von Graffenried. 

Dennoch, einige Dinge sind schwer messbar, so zum Beispiel, ob durch die Massnahmen mehr queere Menschen bei der Stadt arbeiten. «Wir dürfen ja die Mitarbeitenden nicht fragen, ob sie nun queer sind oder nicht», meint der Stadtpräsident. 

Vorbilder gesucht

«Damit sich mehr queere Menschen in der Stadtverwaltung trauen, sich als offen queer zu positionieren, braucht es meiner Meinung nach auch Vorbilder», sagt Alec von Graffenried. Anders als in Zürich sei die Berner Stadtregierung halt sehr cis-hetero. Das bedeutet, dass sich keine*r der Gemeinderät*innen einem anderen Geschlecht zugehörig fühlt, als jenem mit dem er oder sie geboren wurde und dass alle Gemeinderät*innen heterosexuell sind. Tatsächlich gehören dem  neunköpfigen Zürcher Pendant zur Berner Regierung vier offen queere Menschen an. Immerhin, im Berner Stadtrat sind 10 von 80 Mitgliedern offen queer. Das sind 12.5 Prozent. 

Nebst der Stadt haben bereits andere grosse Arbeitgeberinnen mit Sitz in Bern das «Swiss LGBTI-Label» erhalten: Post, SBB, Swisscom und die Insel Gruppe. Alec von Graffenried meint dazu: «Das zeigt die grosse Offenheit am Wirtschaftsstandort Bern, somit sind Zehntausende von Arbeitsplätzen zertifiziert queerfreundlich.»

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