Militär-Käseschnitte – Hauptstadt-Brief #456

Samstag, 26. April 2025 – die Themen: BEA; neue Festhalle; Stadtrat; Steuersenkungen; Partizipation; FC Breitenrain; Essen im Breitsch.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

In den ersten 15 Jahren meines Lebens war die BEA ein Fixpunkt für mich. Ein Besuch lief so ab: Wir steuerten das Grüne Zentrum an, wir schauten Landmaschinen, wir assen Militär-Käseschnitten.

Gestern wurde die 72. BEA eröffnet. Zeit, nach meinen Kindheitserinnerungen zu suchen.

Das Grüne Zentrum ist wie damals aufwändig bepflanzt und dekoriert mit Früchten, Gemüsen und Pflanzen. Eine Halle, in der alles zu wachsen scheint. Kräuter, Wildblumen und Kartoffeln. Damals staunte ich nur, heute frage ich mich: Wieviel Erde braucht es, damit man eine Zucchettipflanze in eine Halle setzen kann? Und werden die so imposant angeordneten Auberginen und Salate wohl ersetzt, wenn sie nach einigen Tagen zu faulen beginnen?

Ich probiere ein Tomätli aus einem Seeländer Treibhaus (geheizt), schaue zu, wie sich Kinder am Migros-Stand in Bauernkinder verkleiden und fotografieren lassen. Auch draussen geht es volkstümlich zu. Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob die Landwirtschaft in die Stadt kommen würde. Aber nur der schöne Teil: Bauernhoftiere, Gemüse und Heu. 

Landmaschinen hingegen sehe ich keine. Nur Mähroboter und Mähtraktoren für den Rasen. Mein Vater bedauerte schon damals, es gebe an der BEA fast keine Landmaschinen mehr. Und erst jetzt begreife ich: Vielleicht wollte er nicht Landmaschinen sehen, sondern Bekannte. Etwa alle fünf Meter hielten wir an und redeten mit jemandem, den ich natürlich nicht kannte.

Auch heute ist die BEA ein grosses Treffen. Immer wieder winken Leute einander, schwatzen. Über 300’000 Menschen besuchen die BEA jedes Jahr, die allermeisten kommen aus dem Kanton Bern. Was heisst, dass etwa jede*r vierte Berner*in an die BEA geht. Es fühlt sich vertraut an, auch wenn mich noch niemand begrüsst hat.

Eigentlich bin ich ja sowieso auf der Suche nach den Militär-Käseschnitten. Dabei bin ich schon an vier Crèpe-Ständen, zwei Öpfuchüechli-Anbietern und mindestens acht Wurst-Zelten vorbeigelaufen. Gibt es die Käseschnitten etwa nicht mehr? 

Erst weit hinten, schon fast beim Luna-Park, ist der unscheinbare Militär-Käseschnitten-Stand. Die frittierten Schnitten schmecken genau so, wie ich mir das erträumt habe. Warm, knusprig-weich, fettig. Und ich weiss jetzt: Doch, es ist alles noch gleich.

Die Breitenrain-Frauen (4. Liga) siegen in Ins BE gegen die Frauen des FC Lerchenfeld (2. Liga) 4:1 und gewinnen den Berner-Cup.
Bilderserie von Peter Eichenberger (12/12): Die Breitenrain-Frauen (4. Liga) siegen 2023 in Ins gegen die Frauen des FC Lerchenfeld (2. Liga) 4:1 und gewinnen den Berner-Cup. (Bild: Peter Eichenberger)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Festhalle: Rechtzeitig zum Start der BEA ist auch die neue Festhalle eröffnet worden. Mein Kollege Jürg Steiner hat sie besucht und zuerst über ihre Farbe gestaunt, die mal golden, mal erdfarben wirkt. Er hat aber auch mit Bernexpo-CEO Tom Winter und Vertretern des angrenzenden Nordquartiers gesprochen. Klar ist, dass die neue Halle Bern in andere Sphären katapultiert. Bis zu 9000 Personen können dort Grossanlässe besuchen. Unklar ist, ob Parkplatz- und Verkehrsfragen wirklich nachhaltig gelöst werden können.  
  • Stadtrat: Im Berner Stadtparlament wurde am Donnerstag über Nachkredite debattiert. Am meisten zu reden gab derjenige für die städtischen Kitas, die seit jeher ein Zankapfel zwischen Bürgerlichen und Linken sind. Mein Kollege Joël Widmer hat diese Diskussion und auch die weiteren wichtigen Geschäfte für dich im Stadtrat-Brief zusammengefasst.
  • Steuersenkung: Der Kanton Bern soll die Steuerbelastung für tiefere bis mittlere Einkommen weiter senken, das geht aus den Vernehmlassungsantworten zur Steuergesetzrevision 2027 hervor. Von zwei vorgeschlagenen Varianten will der Regierungsrat allerdings die für Kanton und Gemeinden weniger einschneidende umsetzen. Die Berner Kantonsregierung will laut einer Mitteilung insbesondere die verhältnismässig starke Progression bei den tiefen bis mittleren Einkommen glätten. So sollen Entlastungen von teilweise 20 Prozent und mehr erreicht werden. Das Parlament berät die Vorlage in zwei Lesungen im Herbst 2025 und Frühling 2026.  
  • Partizipation: In Bevölkerungsräten werden Menschen per Los in politische Entscheidungsprozesse einbezogen. Dieses Modell beschäftigt Bern derzeit gleich in zweierlei Hinsicht: Das Polit-Forum fragt in einer Ausstellung, ob Bevölkerungsräte ein sinnvolles Update für die Demokratie sind. Heute ist die letzte Gelegenheit, die Ausstellung anzuschauen. Eher im fiktionalen Bereich ist dagegen das Projekt «Politique en scène» angesiedelt, das am Mittwoch im Rathaus zum ersten Mal zu sehen war. Dort berät ein Notrat im Jahr 2037 darüber, wie die Schweiz mit den Folgen einer Jahrtausendflut umgehen soll. Teil der Inszenierung sind unter anderem Daniel Koch oder Nationalrätin Christine Badertscher (Grüne). Das Stück wird noch am 29. und 30. April sowie am 5. Mai aufgeführt.  
  • FC Breitenrain: Der Fotograf Peter Eichenberger war drei Jahre lang mit dem FC Breitenrain unterwegs und hat dabei 2500 Bilder gemacht. Zwölf davon haben wir diesen Monat in unseren Hauptstadt-Briefen gezeigt. Zum Abschluss kannst du dir die ganze Serie ansehen und etwas mehr über den 76-jährigen Fotografen erfahren.  
  • Essen im Breitenrain: In unserer Aussenwoche assen wir saisonale Seeländer Spargeln, sättigende Pizza und zum Abschluss Libanesisch. Im «Mont Liban» am Breitschplatz wurde das Menü zwar sehr trocken angekündigt, es hat sich aber als kostengünstiger Geheimtipp herausgestellt. Besonders die zitronigen Bratkartoffeln machen glücklich. Hier gehts zu unseren Food-Kritiken. Und im Zweifelsfall: Wie wärs mit einer Militär-Käseschnitte?

PS: In einer gemeinsamen Recherche mit Correctiv wollen wir herausfinden, was dir in Bern den Alltag erschwert. Bereits gibt es über 70 Einträge zu Hindernissen in Stadt und Region Bern. Auch du kannst deine Barrieren ganz einfach auf der Karte eintragen und so zur Recherche beitragen. Danke!

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