Mittagessen in der Matte
Die Redaktion der «Hauptstadt» testete eine Woche lang das Gastro-Angebot in der Matte.
Albert & Frida: Auberginentatar, Bratwurst mit Fregola, Artischockenböden und «vo auem e chli»
Die Matte versprüht ein ganz eigenes Flair. Die Aare – so nah, dass man sie beinahe fliessen hört – und all die versteckten Winkel, die es zu erkunden gäbe, wecken Feriensehnsucht. Verstärkt wird dieses Gefühl durch unseren Donnerstagmittagsbesuch bei Albert & Frida.
Immer auf der Suche nach kulinarischen Entdeckungen würde mich ein Lokal wie das Café & Bistro im Hotel Landhaus auf jeder Reise entzücken. Direkt an der Untertorbrücke, etwas versteckt hinter Bäumen und Buschwerk, liegt die lauschige Terrasse. An den Fensterläden hängen handgeschriebene Schilder mit Getränkeempfehlungen. Beim Eingang laden auf einem Mäuerchen Kissen zum Verweilen ein, und fast bedaure ich, dass nicht schon Apérozeit ist.
Unser Gartentisch für vier ist jedoch nicht minder gemütlich, und die freundliche Bedienung bringt sofort die Speisekarten. Die Auswahl ist klein gehalten, bietet aber trotzdem auch vegane, laktose- und glutenfreie Gerichte.
Meine zwei Kolleginnen bestellen ein Auberginentatar (24 Franken), lauwarme Artischockenböden gefüllt mit Frischkäse, Birnen und Rauchschinken (13.50 Franken) und einen saisonalen Salat (9.50 Franken). Als jemand, der sich jeweils am liebsten durch die ganze Speisekarte probieren möchte, macht mich die Aussicht auf «vo auem e chli» glücklich (Überraschungsteller mit Fleisch oder vegan, 26 Franken).
Der Kollege entscheidet sich für das Tagesgericht, St. Galler Bratwurst mit Fregola-Salat (16 Franken). Als Vorspeise wählt er die Curry-Lemongrassupe (10.50 Franken). Wirt Patrick Stadelmann, der die Bestellung aufnimmt, fragt, ob der Hunger gross sei. «Die Bratwurst ist nicht so wie die, die ihr kennt», sagt er in seinem Ostschweizer Dialekt. Derart vorgewarnt sind wir gespannt auf die Portionengrösse.
Die Suppe kommt rasch auf den Tisch und hält genau, was der Name verspricht. Leicht pikant schmeckt sie vor allem nach Curry und Zitronengras. Die verwendeten Gemüsesorten lassen sich von uns nicht eruieren, was den Kollegen aber nicht weiter stört. Auch die Hauptgänge folgen zügig. Zur St. Galler Bratwurst wird Senf gereicht und eine Erklärung gleich mit: Er hätte sich dem Berner Bratwurst-Diktat beugen müssen, sagt Patrick Stadelmann scherzhaft.
Die Wurst ist tatsächlich gross, die Portion Fregola-Salat mit Paprikastücken und Brunnenkresse auch, doch des Kollegen Hunger ebenfalls. Er reicht sogar aus, um noch etwas Senf auf Brot zu probieren. Die Bratwurst verzehrt er ganz puristisch und zur Freude des Wirtes ohne.
Die Kollegin sitzt derweil entrückt vor ihrem Auberginentatar und findet es «wirklich mega fein». Mit seiner leichten Ketchup-Note erinnert es sehr an die klassische Variante und passt ausgezeichnet zum leicht gerösteten Brot. Auch die gefüllten Artischockenböden munden, obschon ihre Esserin sich etwas mehr Würze gewünscht hätte. Der Rauchschinken dazu ist für eine Vorspeisenportion reichlich bemessen und bringt das vermisste Salz ins Spiel.
Auf dem Überraschungsteller ist der Gazpacho der Star: Angerichtet in der Mitte des appetitlich dekorierten Tellers, mit feinen Frühlingszwiebelringen, würzig und herrlich erfrischend. Auch das schon gelobte Auberginentatar, gegrilltes Gemüse, vegane Samosas, fein abgeschmecktes Püree aus grünen Erbsen, Insalata Caprese, ein Melonenschnitz und ein Schälchen Poulet-Tajine mit Cranberries und Kichererbsen an einer leichten Tomatensauce bereiten Vergnügen. Ich geniesse die mediterranen Aromen und die Vorfreude, dass es mit dem nächsten Bissen immer noch etwas Neues zu probieren gibt.
Die üppige Auswahl lässt keinen Platz für ein Dessert. Zumindest dieses Mal. Denn eins ist klar: Wenn die Feriensehnsucht im Alltag zu gross wird, weiss ich jetzt, wo ich sie in Bern stillen kann. (Edith Krähenbühl)
Fischerstübli: Crêpes, Ossobuco – und Schoggikuchen
Zugegeben, der Name «Fischerstübli» weckt, in meinem Alter sowieso, üppige Assoziationen. Die Matte, das traditionell unangepasste Quartier. Man sieht eine dampfende Fischsuppe vor dem geistigen Auge. Und in der Gaststube vom Leben gegerbte Giele und Modis aus dem Quartier. Sie erzählen Geschichten aus den wilden Zeiten, als man in der Matte im Nachtleben noch über die Schnüre drosch wie in einer richtigen Hafenstadt, wenn Hochsee-Matrosen auf Landgang sind.
Inzwischen ist die Matte ruhiger und braver. Man speist gepflegter und leichter verdaulich. Vor ein paar Jahren beflügelte Suresh das Fischerstübli mit seinen Currys. Inzwischen führt er sein eigenes Lokal vis-à-vis, das die «Hauptstadt» gestern getestet hat (siehe weiter unten). Das Fischerstübli wechselte nach einem Abstecher in die orientalische Küche zu französischem Flair und ist heute auf Tatar spezialisiert. Dieser wird in so vielen Variationen serviert, dass fast sämtliche Diversitätsansprüche befriedigt werden (ausser diejenigen im Portemonnaie).
Wir hingegen konzentrieren uns auf die Mittagskarte. Das macht uns, ich kann es vorwegnehmen, vorbehaltlos glücklich (auch beim Bezahlen der Rechnung).
Lässt man sich auf den Aussensitzplätzen an der Gerberngasse nieder, fragt man sich, wie man je im Leben in Hektik verfallen konnte. Alles so schön gemächlich, auch der Service: ungestresst und sehr freundlich. Die Portionen sind exakt so bemessen, dass man am Tisch zwar in Versuchung gerät, Nachschlag zu verlangen. Es dann aber doch nicht tut und froh ist darum, weil am Nachmittag die müde machende Verdauungsschwere ausbleibt.
Angesichts des kühlen Winds, der durch die Matte zieht, verspricht sich meine Kollegin vom Ossobuco (mit Polenta, Bio-Saisongemüse, Tomatensauce, 20 Franken) innere Wärme. Sie wirkt sehr zufrieden, als sie das Fleisch vom Knochen zieht. Sie freut sich über die feinen, geschmacksintensiven Gemüsestreifen, die auf der körrnigen Polenta drapiert sind. Das Fleisch ist ihr leicht zu fad, sie würzt mit der Salzmühle am Tisch nach.
Ich wähle (wie auch unsere beiden Kolleg*innen, die uns begleiten) die Crêpe (18 Franken). Eingepackt in den liebevoll gefalteten Pfannkuchen, der sich auf dem Polenta-Bett räkelt, ist eine solide Portion Frischkäse. Dazu fallen uns allen dieselben zwei Worte ein: Sehr fein. Neckisch ist der kleine Oregano-Zweig ganz oben auf der Crèpe.
Kann man ihn essen oder nicht?
Offensichtlich euphorisiert vom rübis und stübis verzehrten Oregano lasse ich mich komplett gehen und bestelle als Nachtisch das Schokoladetörtchen (mit Glacé des Augenblicks und Früchtecoulis, 15 Franken).
Geliefert wird ein kleiner, warmer Kuchen, aus dem, sobald angeschnitten, verführerisch warme Schoggi fliesst. Jahrelang habe ich für Kindergeburtstage und Schulfeste serienmässig Sven-Epinay-Kuchen gebacken und es in dieser wenig herausfordernden Tätigkeit auf ein gewisses Niveau gebracht. Das Dessert im «Fischerstübli» zeigt mir, wie weit der Weg bis in die Champions League des Schoggiküchleins noch wäre.
Unerreichbar für mich.
Egal. Zufrieden und zuversichtlich überlasse ich mich dem Nachmittag. (Jürg Steiner)
Suresh: Bruschette, Chutney-Rösti, Samosas und Curry
Wie ein kleines Dorf erstreckt sich die Berner Matte unterhalb der Altstadt. An der Gerberngasse, quasi der Hauptstrasse der Matte, befindet sich das Suresh. Mittags kann man es sich draussen vor dem Lokal, das Bar und Restaurant zugleich ist, gemütlich machen. Zwischen Strasse und Trottoir sind mehrere Tische aufgestellt, gut vom Verkehr abgeschirmt durch das Grün dichter Bambus-Sträuche und Blumentöpfe. Auch Sonnenschutz ist garantiert dank der grossen weissen Schirme. Die schöne Farbkulisse wird von den orangen Tischsets und den roten Kissen unterstrichen.
An heissen Sommertagen kommt das erfrischende Angebot der indisch-mediteranen Küche ganz gelegen. Die Auswahl ist gross: Von Pasta über Burger bis zum Curry findet sich alles. Sogar ein Kamasutra-Dessert. Und dank der übersichtlichen, doppelseitigen Karte überblickt man schnell alle Speise- und Getränke-Angebote. Wir entscheiden uns für den hausgemachten Eistee mit Holunder und Minze (Fr. 6.50) und Bruschette (Fr. 14.80) vorab.
Die Tomaten-Bruschette sind mit Oliven und Zwiebeln gespickt und werden mit oranger Zuckermelone und Salat serviert. Die senfgelbe Salatsauce und die süsse Melone ergänzen sich im Mund zu einem vollen Geschmackserlebnis. Süss und Salzig: Das scheint das Credo des Suresh zu sein. Auch die Hauptgänge sind danach ausgerichtet.
So zum Beispiel das Rösti-Teller (Fr. 25.-). Hier kriegt man das klassische Gericht einmal anders: mit Mango-Chutney. Man könnte es aber auch einfach Gemüseteller nennen. Denn zu den gebratenen Kartoffeln sind in gleichen Mengen Bohnen, Karotten und Spinatblätter beigegeben worden. Die Gemüsemischung erreicht so eine ausgewogene Konsistenz: mal knackig, mal eher zart. Und das Chutney ergänzt das Ganze mit seiner Süsse optimal. Ein gelungenes Pendant zu Älplermaccaroni mit Apfelmus.
Wer grösseren Hunger hat, bestellt aber besser die Samosas (Fr. 23.-) oder das Indische Gemüse-Curry (Fr. 26.-). Doch Achtung: Die mit Gemüse – vorwiegend Kartoffeln – gefüllten Samosas sind alles andere als mild.
Und das Curry? Klassisch! Wir lassen es uns schmecken. Passant*innen grüssen und wünschen «Ä Guetä!». Manche bringen ihren Teller grad selbst mit und nehmen das Essen take away direkt in die eigene Wohnung, ins Atelier oder an die Aare.
Es ist schön ruhig, während wir zum Abgang an unseren Espressos (Fr. 5.-) nippen und die Atmosphäre der Matte geniessen. (Mara Hofer)