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Nachrichten – «Hauptstadt»-Brief #134

Samstag, 11. Februar – die Themen: Buchrezension, Marxismus, Entsiegelung, Muri. Berner Kopf der Woche: Christine Eriksen.

Illustration zum Hauptstadt-Brief
(Bild: Marc Brunner, Büro Destruct)

Wie fühlst du dich nach der Lektüre von Nachrichten? Hoffnungsvoll? Niedergeschlagen? Viele Medien tendieren dazu, vor allem über Probleme zu berichten. Missstände zu benennen ist wichtig. Der Fokus darauf führe aber zu einer verzerrten Wahrnehmung der Welt und raube einigen Menschen die Motivation, sich für Verbesserungen einzusetzen. Oder lasse sie gar zu Nachrichten-Verweiger*innen werden.

Das schreibt die Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel in ihrem Buch «Wie wir die Welt sehen». Und weiter: Unter all den Negativmeldungen gehe unter, dass auch positive Dinge geschehen. Jedoch lassen sich günstige Entwicklungen seltener an einzelnen Momenten festhalten als negative. Sie zu erzählen braucht mehr Zeit – was Journalist*innen oft fehlt.

Da geht viel Potenzial verloren. Von Wurmb-Seibel zitiert eine interessante Studie: Menschen wurden gebeten, einen Artikel zu lesen. Die eine Hälfte erhielt eine Version, in der ein Problem beschrieben wurde, die andere eine, in der zusätzlich eine Lösung präsentiert wurde. Wer den Text mit dem Lösungsvorschlag gelesen hatte, fühlte sich besser informiert und hatte das Gefühl, selbst etwas bewirken zu können.

Wir von der «Hauptstadt» versuchen, immer wieder Artikel zu schreiben, die Lösungsvorschläge zeigen. Zum Beispiel ein Gespräch über psychische Gesundheit oder ein Besuch bei einem Kollektiv, das Solidarität im Kleinen lebt. Was hältst du von solchen konstruktiven Geschichten? Schreibe mir eine Mail, ich bin gespannt auf deine Meinung.

auf dem weihnachtsmarkt
(Bild: Marlou Thalheim)
  • Buchrezension: Leichte Sprache, schwerer Stoff. Auf diese Formel bringt meine Kollegin Marina Bolzli den Debütroman der Wahlbernerin Sarah Elena Müller. Es geht um Kindsmissbrauch in einem Umfeld, in dem man ihn nicht zuerst vermutet. Das 200-seitige Werk ist dicht, nahe am Kind, aus einer kindlichen Perspektive geschrieben. Und trotz des schweren Themas enthält es ein bisschen Trost.
  • Marxismus: Die Schweizer Marxist*innen haben ihren Hauptsitz in Bern. Rund 200 Menschen sind Mitglied. Meine Kolleg*innen Jana Leu und Mathias Streit haben das Jahrestreffen der Marxist*innen besucht und sich umgehört, wie der «Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft als Übergang in die klassenlose Gesellschaft» vonstatten gehen soll. Und sie haben mit einem Experten gesprochen, der die Marxist*innen kritisch in die Berner Politlandschaft einordnet.
  • Entsiegelung: Der Rosalia-Wenger-Platz vor dem SBB-Hauptsitz im Wankdorf wird entsiegelt. 900 Quadratmeter Asphalt werden durch einen Mergelbelag ersetzt. Dieser kann Wasser aufnehmen und wieder an die Umgebung abgeben. Dadurch erhitzt sich die Oberfläche weniger stark. Das ist wichtig, weil wegen der Klimakrise mehr und heissere Hitzesommer erwartet werden. Am Rand der entsiegelten Fläche entsteht ein Miniwäldchen mit sieben Bäumen und rund 150 kleinen, sehr dicht stehenden Sträuchern und Gehölzen. Die Bauarbeiten beginnen am kommenden Montag und dauern etwa drei Wochen. Die Kosten von 80’000 Franken werden aus dem Klimafonds der SBB bezahlt, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA schreibt.
  • Muri: Geht es nach dem Gemeindeparlament, könnte «Muri bei Bern» bald «Muri-Gümligen» heissen. Mit dem neuen Namen würden beide Ortsteile gleichermassen berücksichtigt. Das Amt für Gemeinden und Raumordnung hat nun abgeklärt, ob ein Namenswechsel zulässig ist. Das ist er, wie die Berner Zeitung schreibt. Hingegen nicht möglich wäre eine Verschmelzung der beiden Gemeindewappen. In einem nächsten Schritt klärt der Gemeinderat ab, was die Namensänderung konkret bedeuten und wie viel sie kosten würde.
hs-Eriksen

Berner Kopf der Woche: Christine Eriksen

Mit Christine Eriksen zieht eine Forscherin an die Universität Bern, die einen konstruktiven Zugang zu einem ernsten Zukunftsproblem pflegt: Waldbränden.

Die Waldbrandgefahr hat sich in der Schweiz in den letzten 30 Jahren verschärft. Der Grund sind lang anhaltende Trockenperioden bei wärmeren Temperaturen in Folge des Klimawandels. Das geht aus einem Bericht des Bundesrates hervor.

Die Forschung von Christine Eriksen ist darum von hoher Relevanz: Welche Faktoren ermöglichen es Menschen, sich auf Waldbrände vorzubereiten, sie zu überleben und sich von ihnen zu erholen? Diese Fragen wird Eriksen ab August an der Universität Bern erforschen. Eriksen hat diese Woche 1,77 Millionen Franken vom Schweizerischen Nationalfonds erhalten für ihr Projekt, das fünf Jahre dauert.

Christine Eriksen hat in London Geografie und Sozialanthropologie studiert und dann in Australien mit einer Arbeit über Buschfeuer promoviert. Im Moment arbeitet sie am Center for Security Studies der ETH Zürich. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Fallstudien in Australien, Nordamerika, Europa und Afrika.

Internationale Anerkennung als Katastrophenforscherin erreichte Eriksen, weil sie Waldbrände nicht nur als physische Katastrophe versteht, sondern das Verhalten von Menschen einbindet. Damit diese lernen, mit der Gefahr umzugehen, die die Gesellschaft immer mehr beschäftigen wird. Wohl nicht nur wie bis jetzt im Tessin, sondern auch nördlich der Alpen.

PS: Die 57-jährige Mudza E. soll nach 26 Jahren die Schweiz verlassen, weil sie Sozialhilfe bezieht und Schulden hat. Nun haben Unterstüzer*innen eine Petition lanciert mit der Forderung, dass Mudza E. bleiben darf. Heute Abend findet im Dachstock eine «Soli Party» statt, in der unter anderem Geld für die Anwaltskosten gesammelt wird.

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