Es wird heisser auf dem Spaghetti-Teller
Beim Ausbau des Autobahnknotens Wankdorf haben die angrenzenden Quartiere nichts zu melden. Sie wurden vom Bund aus dem Einspracheverfahren ausgeschlossen. Zudem: Die Stadt erlaubt keinen Protest-Anlass auf der Allmend.
Der Autobahnanschluss Wankdorf heizt sich auf als Konfliktzone der Berner Verkehrspolitik. Gelegen an der Grenze zu Ostermundigen, zwischen grosser und kleiner Allmend, ist er zu Stosszeiten oft überlastet und gilt in den Augen des Bundesamts für Strassen (Astra) als Unfallschwerpunkt. Deshalb soll er für budgetierte 250 Millionen Franken voraussichtlich ab 2026 erneuert werden.
Erneuern bedeutet im vorliegenden Fall einen Um-, aber auch einen Ausbau. Drei neue Zu- und Abfahrtsrampen sollen entstehen, um die Verkehrsströme auf dem Knoten zu entflechten. Zusätzlich wird das Berner Expogelände mit einer neuen sogenannten Eventspur ab der Autobahn direkt erschlossen. Und: Es kommt zur Realisierung lange erwarteter Velo- und Fussverkehrsverbindungen über den heute für den Langsamverkehr nur schwer zu querenden Schermenweg, der in Tat und Wahrheit eine mehrspurige Strasse ist.
Gerollte Spaghetti
Im Esperanto der Verkehrsplaner*innen werden Kreuzungen mit diversen Auf- und Abfahrtsrampen sowie Über- und Unterführungen wie im Wankdorf gerne «Spaghetti-Knoten» genannt. Das Strassenmuster gleicht aus der Vogelperspektive einem Teller mit Spaghetti, bereit, auf die Gabel gerollt zu werden. Allerdings: Beim Anschluss Wankdorf ist an eine fröhliche Spaghetti-Party immer weniger zu denken. Die Kontroverse zwischen Ausbaukritiker*innen und Umbaubefürworter*innen verhärtet sich.
Die Frage, die das Pro- vom Contra-Lager trennt: Führt der Ausbau des Wankdorf-Knotens zu schnellerem Verkehrsabfluss und damit eher zu einer Entlastung der Stadt- und Agglomerationsquartiere? Oder öffnet er das Ventil und kurbelt das Verkehrswachstum erst recht an? Eine eindeutige Antwort gibt es nicht.
Eindeutig aber ist die jüngste Zuspitzung des Konflikts: Ernüchtert müssen Quartiervertreter*innen der Stadtteile IV (Kirchenfeld, Schosshalde, Galgenfeld) und V (Lorraine, Breitenrain, Wyler) zur Kenntnis nehmen, dass ihnen vom Departement von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) im laufenden Verfahren die Einspracheberechtigung aberkannt worden ist. Obschon das Astra gerne den Miteinbezug der Quartiere beim Projekt Anschluss Wankdorf hervorhebt.
13 Einsprachen «nicht legitimiert»
Auf Anfrage der «Hauptstadt» bestätigt das Generalsekretariat des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek), dass auf 13 von 47 Einsprachen nicht eingetreten werde. Der Verein Spurwechsel, in dem sich die Ausbau-Kritiker*innen von links bis in die Mitte zu den Grünliberalen zusammengeschlossen haben, macht die Einsprachen sowie die Begründungen, warum der Bund nicht auf sie eintritt, am Freitag auf seiner Website öffentlich.
Einspracheberechtigt sind laut Uvek bei Nationalstrassenprojekten grundsätzlich direkt betroffene Anwohner*innen sowie nationale Organisationen mit ideellem Zweck, etwa der WWF Schweiz, Pro Natura oder der VCS. Andere Einsprecher*innen müssen unter anderem nachweisen können, dass sie eine grosse Anzahl direkt betroffener Mitglieder vertreten – was nach Uvek bei den Quartierorganisationen nicht der Fall zu sein scheint.
Quartiermitwirkung «eine Farce»
Ortstermin mit verärgerten Kritiker*innen des Umbauprojekts bei der Friedenslinde auf dem Hügel, zuhinterst auf der grossen Allmend. Den Zorn namentlich der Quartiervertreter*innen befeuern zwei Sätze auf einer Infotafel des Astra, nur ein paar Schritte vom Allmendhügel entfernt: «Eine Umgestaltung für alle: Das Astra hat dazu gemeinsam mit verschiedenen Partnern, darunter auch die Stadt Bern und die Quartiere, das Projekt Umgestaltung Anschluss Wankdorf entwickelt.»
Ein Witz sei das, sagt Urs Jost, der sich bei Dialog Nordquartier, der von der Stadt anerkannten Vertretung des Stadtteils V, mit Verkehrsfragen befasst. Die Öffentlichkeit werde im Glauben gelassen, die Quartiere seien beim Umgestaltungsprojekt ernsthaft einbezogen gewesen. «Aber die Quartiermitwirkung ist eine Farce», kritisiert Jost.
«Ein Affront»
Schon in früheren Projektphasen seien Quartiervertreter*innen vom Astra zum Austausch über den Umbau des Knotens Wankdorf eingeladen worden, ergänzt Verena Näf, Präsidentin von Dialog Nordquartier, auf Anfrage. Allerdings habe man maximal Vorschläge einbringen können, die «lapidare Details» betrafen, obschon «die Bevölkerung des Nordquartiers stark betroffen ist von diesem Projekt».
Durch den Bau der neuen Zu- und Abfahrten werde der für das Quartier wichtige, aber immer knapper werdende Grünraum der beiden Allmenden erneut beschnitten. Ausserdem verflüssige der Umbau des Anschlusses den Verkehr, erhöhe dadurch die Strassenkapazität, wodurch mehr Verkehr durch das Nordquartier fliesse. Dass das Departement Sommaruga nicht auf die Einsprache von Dialog Nordquartier eintrete, könne sie juristisch zwar nachvollziehen, sagt Näf. Für die Bevölkerung sei es «trotzdem ein Affront».
Auch Stapi-Partei betroffen
Identisch ist die Gefühlslage bei Jürg Krähenbühl, Co-Präsident von QuaV4, der Vertretung des Stadtteils IV. Ihn stört vor allem der Aufwand, den die Jurist*innen des Bundes betrieben haben, um auf mehreren Seiten haarklein darzulegen, warum QuaV4 nicht einspracheberechtigt sei. «In dieser Zeit hätte man genauso gut inhaltlich auf unsere Vorschläge eintreten können», sagt Krähenbühl, «aber das wollte man offensichtlich nicht».
QuaV4 ist nicht fundamental gegen den Umbau des Anschlusses, fordert aber klare Verbesserungen: breitere, bessere Fuss- und Velowege, ein Parkverbot auf den Allmenden, die Umwandlung des unbrauchbaren Waldstücks in einen parkähnlichen Wald und den Verzicht auf das Abholzen der Baumallee entlang der Bolligenstrasse.
Die Einspracheberechtigung aberkannt hat das Uvek etwa auch der Grünen Freien Liste (GFL), der Partei von Stadtpräsident Alec von Graffenried, der den Umbau des Knotens Wankdorf befürwortet. Seine Parteikolleg*innen hingegen stufen das Projekt «als Ausbau ein, der vor allem dazu dienen soll, den Durchgangsverkehr flüssiger abzuwickeln». Deshalb sei «diese Kapazitätserhöhung» abzulehnen.
Partizipation oder nicht?
Warum bleibt das Astra trotzdem dabei, öffentlich festzuhalten, dass der Umbau des Knotens Wankdorf unter Einbezug der Quartiere erfolgt sei? Astra-Sprecher Mark Siegenthaler hält auf Anfrage fest: «Die Quartiere hatten bei der Konzeption und der weiteren Ausarbeitung des sehr langfristigen Projekts ein höheres Gewicht als dies normalerweise der Fall ist.»
Er verweist darauf, dass der Umbau des Knotens ursprünglich vom Kanton entwickelt worden sei, der Quartiervertreter*innen bereits einbezogen habe. Später habe auch das Astra «aussergewöhnliche Schritte» unternommen und bei der Projektierung etwa eine «Begleitkommission Quartier» geschaffen. Siegenthaler gibt überdies zu bedenken, dass der Umbau des Autobahnzubringers Wankdorf nicht nur den Standort betreffe, sondern die ganze Region – beispielsweise das Worblental, das von ihm abhängig sei.
«Stimmt», entgegnet Markus Heinzer vom Verein Spurwechsel. Allerdings, findet er, sei die Region nie in die Projektierung einbezogen worden. Und zur «Begleitkommission Quartier» präzisiert Kritiker Heinzer, dass diese nur zur Gestaltung der Velobrücke angehört worden sei. Das eigentliche Projekt sei zu diesem Zeitpunkt bereits mehr oder weniger fertig geplant gewesen.
«Partizipation misst sich auch daran, dass diejenigen, die eingeladen sind, das auch so empfinden», sagt Heinzer. Im Fall des Anschlusses Wankdorf könne im besten Fall von Information der Quartierbevölkerung gesprochen werden, aber nicht von Partizipation.
Anders als Westast in Biel
Aus der Sicht der Kritiker*innen aus den Quartieren wäre das Einspracheverfahren die letzte Gelegenheit gewesen, auf institutionellem Weg auf das Strassenvorhaben einzuwirken. Der aus Gegner*innensicht erfolgreiche Widerstand gegen das Autobahnprojekt Westast in Biel entstand unter anderem deshalb, weil mehrere Hundert direktbetroffene Anwohner*innen Einsprache machen konnten. Das ist in Bern definitiv ausgeschlossen.
Auch deshalb sucht der Verein Spurwechsel andere Möglichkeiten der Mobilisierung. Am 17. September ruft die aus Klimaaktivist*innen bestehende Gruppierung «Verkehrswende jetzt!» einen nationalen Aktionstag gegen Autobahnprojekte aus. Spurwechsel plant für diesen Aktionstag ein Open-Air-Protestfest auf der Allmend.
Enttäuschung über linken Gemeinderat
Doch die Berner Stadtregierung erteilt dafür keine Bewilligung. «Die kleine Allmend ist kein offizieller Veranstaltungsperimeter und steht in erster Linie der Öffentlichkeit zur Verfügung», schreibt die Stadtregierung in ihrer Antwort auf das Veranstaltungsgesuch an den Verein. Zudem bestünden Nutzungsverträge mit verschiedenen Vereinen. «Das Interesse der übrigen Nutzer*innen ist höher zu gewichten», so der Gemeinderat.
Präsident Markus Heinzer, SP-Stadträtin Katharina Altas und der grüne Grossrat Bruno Vanoni, die den Verein Spurwechsel am Ortstermin mit der «Hauptstadt» vertreten, sind enttäuscht: Ausgerechnet der rot-grüne Gemeinderat, der sich hohe Klimaziele gesetzt hat und sich als Promotor der «Stadt der Beteiligung» versteht, tritt auf das Anliegen von Strassenausbaukritiker*innen nicht ein. «Wir beraten nun, wie wir mit Führungen vor Ort wenigstens die Bevölkerung über das geplante Projekt informieren können. Viele wissen noch nichts von ihrem Glück», sagt Markus Heinzer.
Rot-Grün gegen Rot-Grün
So oder so vertiefen sich die Widersprüche bei diesem Thema zwischen der rot-grünen Stadtregierung und einem grossen Teil ihrer Basis. Der Gemeinderat steht hinter der Umgestaltung des Zubringers Wankdorf, weil er sie als Vorbedingung dafür sieht, den Verkehr am Stadtrand zu kanalisieren und damit die Quartiere zu entlasten.
Die Gegner*innen sehen die Verflüssigung des Autobahnverkehrs im Wankdorf hingegen als Massnahme, die dem ebenfalls geplanten Autobahnausbau am Grauholz auf acht Spuren den Boden bereitet. «Es ist die klassische Engpassbeseitigung, deren Hauptwirkung Mehrverkehr sein wird», befürchtet Bruno Vanoni, Vorstandsmitglied von Spurwechsel.