In den Fussstapfen ihrer Jugendhelden
Die neue Berner Band Splendid hat eben das erste Album veröffentlicht. Ausverkauft war ihr Konzert im Dachstock aber schon vorher. Die beiden Köpfe der Band sind in der Schweizer Musikbranche bekannt.
Wer ein neues Musikprojekt startet, muss sich das Publikum oft zuerst verdienen. Man muss damit rechnen, Konzerte vor leeren Rängen zu spielen, wenig Geld zu haben und vieles selbst zu machen.
Der neuen Berner Band Splendid aber gelingt ein Senkrechtstart wie aus dem Bilderbuch. Zweieinhalb Wochen vor der Plattentaufe im Dachstock war das Konzert ausverkauft – obwohl die Band zu dem Zeitpunkt erst vier Tracks veröffentlicht hatte. Erst diesen Freitag ist ihr erstes Album erschienen.
Der Erfolg hängt wohl damit zusammen, dass der Ruf der beiden Sänger der Band vorauseilt. Levin Lucca Dennler und Michael Egger sind in der Musikbranche keine Unbekannten.
Dennler produziert für deutsche und Schweizer Acts wie Trettmann, Cro, Jule X, Stereo Luchs oder Leila, komponiert Spots und Trailer für bekannte Firmen und veröffentlichte 2019 sein erstes eigenes Album «Hainan» zusammen mit Rapper Juri Mischler. Michael Egger ist mit der Band Jeans for Jesus bekannt geworden.
Die beiden Berner, die nun in Zürich leben, sind befreundet und kennen sich durch ihre Musikprojekte: Egger hat bei «Hainan» mitgewirkt, Dennler beim letzten «Jeans for Jesus»-Album.
Zurück zu den Wurzeln des Mundart-Pops
Erstaunt über den Erfolg und das ausverkaufte Konzert ist das Duo trotzdem. «Wir wussten ja nicht, ob unsere Musik den heutigen Zeitgeist treffen wird», sagt Levin Dennler. Ein ausverkauftes Konzert wäre, wenn überhaupt, das höchste Ziel gewesen, wenn sie sich denn ein solches gesetzt hätten.
Das Projekt Splendid hat seinen Anfang vor vier Jahren genommen. Das gemeinsam geschriebene Mundart-Rap-Lied «More Life» von «Hainan» legt den Grundstein der Zusammenarbeit zwischen Egger und Dennler. Sie merken damals, dass sie ähnliche musikalische Interessen haben und etwas Neues ausprobieren wollen: Eine «richtige» Live-Band im Stil ihrer Jugendhelden wie Züri West, Stiller Has oder Polo Hofer.
Die Live-Konzerte von Jeans for Jesus und die Projekte von Dennler – er stand etwa als Synth–Player mit Stereo Luchs auf der Bühne – sind sehr elektronisch. Bei Konzerten von Jeans for Jesus wird stark mit dem Stilmittel digitaler Verfremdung gearbeitet, um die sehr elektronische und aufwändige Produktion auf die Bühne zu bringen
Die beiden treffen sich immer wieder für «Sessions» – intensive Wochen in Zürich, Berlin, Mürren oder im Tessin, wo sie Musik produzieren. Anders als sie es gewohnt sind, schreiben sie alle Songs zusammen im Studio.
Als sich die beiden das erste Mal für eine Bandprobe treffen, sind sie überfordert. «Wir wussten gar nicht, wie eine Bandprobe verläuft, weil wir bisher nur elektronische Musik gemacht haben», erzählt Egger lachend.
Während ihren Sessions haben die beiden immer wieder lustige und skurrile Erlebnisse, wenn sie zusammen ausgehen und zufällig Menschen treffen. Das erdet die Freundschaft zwischen den beiden und beflügelt ihre Kreativität. Ihre Erlebnisse haben aber «leider relativ wenig Platz in den Songtexten», sagt Michael Egger und schmunzelt.
Aus der Zusammenarbeit entstehen ruhige Lieder aus einem Mix der Stile von Hainan und Jeans for Jesus: Eingängiger und solider Mundart-Pop mit Ohrwurm-Potential und nachdenklichen Texten.
Live tritt die Band zusammen mit den Musiker*innen Naiara Barzola Balmer (Bass), Rico Baumann (Schlagzeug), Gianna Bollinger (Keys) und Niklas Stettler (Gitarre) auf.
Tribute zollen
Mit Splendid wollen die beiden zurück zu den Wurzeln des Mundart-Pops, zu dem, was sie in ihrer Jugend gerne hörten. «Splendid ist auch ein Spiel mit der Berner Mundart-Musikschule, die wir sehr gut finden», sagt Michael Egger. Das zeigen die beiden in den Songs, in denen sie ihren Jugendhelden mehrfach Tribut zollen und Parallelen zu ihnen herstellen.
Das Album enthält zwei Covers: «Welcome Home» und «Wägem Geld». «Wägem Geld» ist ein Cover von Polo Hofer und gleichzeitig bewusst und spontan entstanden, betonen Egger und Dennler. Das Covern hat mit der Musikgeschichte der alten Mundart-Musiker zu tun: Sie haben immer wieder bekannte Lieder von amerikanischen Bands gecovert. Bekannte Beispiele sind Polo Hofers «Wyssebüehl», adaptiert von Tom Waits’ «Jersey Girl», oder «I ha di gärn gha» von Züri West, das im Original «When You Were Mine» von Prince gesungen wird.
Züri West coverte nicht nur Hits aus Amerika, sondern auch andere Schweizer Musiker wie Polo Hofer und Mani Matter. Damit zeigten sie der Mundartmusik ihre Anerkennung und Zugehörigkeit. Dasselbe hat nun Splendid mit dem Lied «Wägem Gäld» getan. Die Strophen haben Egger und Dennler umgeschrieben, der Refrain ist derselbe geblieben.
Mit dem zweiten Coversong auf dem Album, «Welcome Home», schliessen Splendid den zweiten Kreis: Es ist die Melodie des internationalen Hits «Let Her Go» des britischen Sängers Passenger. Der Song sei ein bisschen aus Jux entstanden. Die beiden fanden das Lied eigentlich zu kitschig und haben nie einen Bezug zu dieser Form von Kitsch-Folk gehabt. «Wir haben damals natürlich niemals diesen Song gehört», betont Levin Dennler. Welcome Home sei eher aus einer Schreibübung entstanden, und weil Michael Egger die Melodie von «Let Her Go» nachgelaufen sei.
Magic Moments
Wenn die beiden über das Album sprechen, tönt es so, als hätten sie einfach gemacht, ohne gross zu überlegen. In der Tat wussten sie aber genau, was sie wollten.
Ein passendes Beispiel ist das Lied «CHicago», das in rund 36 Stunden entstanden sei – quasi ein Sprint in der Musikproduktion. Es ist ein ruhiges, melancholisches Lied und weckt eine undefinierbare Nostalgie. Der Song beschreibt «Bilder, die für uns den Stadtmoment catchen und die jede Person kennt», sagt Levin Dennler. Die Entstehung sei ein «magic moment» gewesen, erinnert sich Egger. Es habe sich alles einfach zusammengefügt.
Und doch sind sie strategisch vorgegangen. Dennler und Egger haben zuerst darüber diskutiert, wie der Song sein soll. Das sei sehr abstrakt gewesen. «Hätten uns andere bei diesem Gespräch zugehört, hätten sie sich wohl kaum einen Reim darauf machen können, was wir meinen. Es waren sehr wilde Referenzen, die wenig Zusammenhang haben», sagt Michael Egger. Als Levin Dennler das frisch erstellte Demo am nächsten Tag seinem Bandpartner zeigte, klang es genau so, wie Egger es sich vorgestellt hatte.
Das Lied sollte kein typischer Pop-Song werden und folgt deshalb nicht dem Format der «schwedischen Pop-Schule». Es hat weder einen Refrain noch einen klassischen Strophenaufbau. Der Text sei einfach so geflossen, sagt Michael Egger. Die Melodie hatte Dennler innerhalb weniger Stunden komponiert.
Das Netzwerk
Splendid will die Tradition der grossen Mundartmusiker weiterführen. Das tut die Band auch, weil sie beim selben Label unter Vertrag sind wie Züri West, Stiller Has und Polo Hofer: Sound Service.
Da spielte auch ein bisschen Glück mit. Als Splendid «Wägem Geld» rausgeben wollte, setzte sich Dennler mit dem Label von Polo Hofer in Verbindung, um die Rechte zu klären. Sylvie Widmer, CEO des Labels, war so begeistert vom Lied, dass sie die Band daraufhin unter Vertrag nahm. Keine Selbstverständlichkeit. Bei Sound Service, das zwar viele bekannte Schweizer Musiker*innen unter Vertrag hat, finden sich kaum Newcomer. Widmer bestätigt auf Anfrage: Für die Aufnahme neuer Bands lägen «die Hürden sehr hoch».
Dass die Band in so kurzer Zeit so grossen Erfolg hat, liegt – neben Talent und Know-How – wohl auch daran, dass sie durch ihr mehrjähriges Bestehen in der Musikbranche über ein grosses Netzwerk verfügt.
Produzent Dennler hat dank seinem Job viele Kontakte in der Schweizer Musikbranche. Die Featurings mit Faber oder Stereo Luchs, die Splendid in ihren Songs haben, seien aber deshalb nicht selbstverständlich, sagt der Musiker: «Es hätte auch sein können, dass unser Stil gerade nicht in ihre Veröffentlichungsstrategie passt.»
Auch die Musiker*innen Leila und Jule X supporten die Band immer wieder auf Instagram und haben am ersten Konzert im Café des Pyrenées einen unveröffentlichten Song zusammen gespielt. Leila war auf der letzten Tour Teil von Jeans for Jesus, Levin Dennler hat ihre Alben mitproduziert. Der gemeinsame Song namens «Schmier» erscheint aber nicht auf dem ersten Album. Der Track passe nicht zu den anderen Liedern, sagt Michael Egger.
Obwohl das Duo immer wieder unterstreicht, dass sich vieles organisch ergeben hat, wird deutlich: Dennler und Egger sind bei der Produktion des Albums sehr bewusst vorgegangen und haben spezifische Ziele gesetzt. Zum Beispiel sollte der Bandname und die Musik so tönen, als hätte es sie schon immer gegeben. Und nicht zuletzt sollte der Instagram-Auftritt eine sogenannte FOMO (Fear of missing out, Angst etwas zu verpassen) auslösen.
Die Arbeit von Dennler und Egger zeigt: Einfach mal drauflos Musikmachen geht nur, wenn man bereits weiss, was funktioniert und was nicht.
Splendid spielen erneut am 19. Dezember in der Turnhalle im Progr. Ihr Album ist am 24. Oktober erschienen.
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