Autobahn – Stadtrat-Brief #25

Sitzung vom 29. Februar 2024 – die Themen: Autobahnausbau; Neue Fraktion; Weyermannshaus-Ost; Klimamassnahmen; Shopping; Ratsmitglied der Woche: Lukas Gutzwiller (GFL).

Stadtrat-Brief
(Bild: Silja Elsener)

Gestern dominierte im Stadtrat der Strassenbau: Es waren mehrere Vorstösse traktandiert zur Umgestaltung des Autobahnanschlusses Wankdorf und zum Ausbau der Autobahn A1 zwischen Schönbühl und Wankdorf von sechs auf acht Spuren. 

Die Debatte um die beiden Bauvorhaben ist jahrealt, die Fronten sind verhärtet und die Entscheidungsmacht der Stadt ist eingeschränkt, weil es sich um nationale Projekte handelt. 

Dem Spurausbau auf der A1 hat das nationale Parlament letzten September zugestimmt. Gegen das ganze Paket an Erweiterungen von Schweizer Autobahnen wurde aber erfolgreich das Referendum ergriffen. In Bern sind Parlament und Regierung geschlossen gegen den Ausbau auf acht Spuren. 

Uneinigkeit zwischen Stadtrat und Gemeinderat besteht allerdings bei der Umgestaltung des Autobahnanschlusses Wankdorf. Für die linke Ratsmehrheit hängen die beiden Projekte zusammen, führen insgesamt zu Mehrverkehr und sind klimaschädlich. Der Gemeinderat spricht sich aber für die Umgestaltung beim Wankdorf aus. Er sieht darin eine Chance, die gefährliche Kreuzung sicherer zu gestalten, besonders für Velos und Fussgänger*innen. 

Dieser Zwist führte gestern im Stadtrat zu Diskussionen. «Die schweizweit erste achtspurige Autobahn kann am einfachsten verhindert werden, indem auch der Autobahnanschluss im Wankdorf nicht ausgebaut wird», sagte Michael Sutter von der SP. Die Verbesserungen für Velos und Fussgänger*innen könnte man auch ohne den gigantischen Ausbau erreichen, fand auch Claude Grosjean von der GLP. Der Gemeinderat habe sich vom ASTRA «Langsamverkehr in die Augen streuen lassen». Und auch wenn die Stadt Bern das Projekt nicht verhindern könne, hätte der Bund einen schwierigeren Stand, wenn die Zielgemeinde sich klar dagegen positionierte, sagte Seraphine Iseli vom Grünen Bündnis. Der Gemeinderat müsse hier endlich den Willen der Stadtberner*innen vertreten.

Konkrete Folgen hatten die Voten keine. Bei den Vorstössen handelte es sich um eine interfraktionelle Motion, bei der lediglich der Begründungsbericht des Gemeinderates zur Diskussion stand, sowie zwei Interpellationen. 

Allerdings haben die Gegner*innen der Wankdorf-Umgestaltung Ende Januar eine städtische Initiative eingereicht. Deshalb wird voraussichtlich auch das Stimmvolk bei der  «Verkehrmonster»-Vorlage mitreden können. Die Initiative verlangt, dass sich die Stadtregierung gegen beide Bundesprojekte wehren soll.

Lukas Gutzwiller
Ratsmitglied der Woche: Lukas Gutzwiller

Lukas Gutzwiller sitzt seit 2010 für die GFL im Stadtrat. Der 57-jährige Physiker beschäftigte sich mehr als zehn Jahre lang mit experimenteller Forschung in Atmosphärenchemie. Seit 2003 arbeitet er beim Bundesamt für Energie. 

Warum sind Sie im Stadtrat?

Ich wurde in den 1980er Jahren im Gymer während den Jugendunruhen, den Velodemos durch Bern und den Friedensdemos im Kalten Krieg für Politik sensibilisiert. Damals war Bernhard Pulver Präsident der Schülerorganisation im Gymer Neufeld. Danach war ich 17 Jahre in anderen Kantonen und auch im Ausland. Mein aktives politisches Engagement rückte in den Hintergrund. Erst seit 2006 habe ich mich mit der GFL wieder für ein aktives Engagement entschieden. Im April bin ich 14 Jahre im Stadtrat, und ich habe durch dieses Mandat meine Heimatstadt mit ganz anderen Augen als in meiner Jugendzeit zu sehen gelernt.

Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?

Als stillen Schaffer im Hintergrund, der in verschiedenen Dossiers sattelfest ist: von der Energie- und Klimapolitik über die Wohnbaupolitik bis hin zur Finanzpolitik.

Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?

Dass die Klimapolitik in Bern im Vergleich zu anderen Städten eher stagniert und sich hinter Lippenbekenntnissen versteckt. Da hätte ich mir erhofft, stärkere Akzente setzen zu können. Aber der Einfluss des Parlaments ist sehr begrenzt.

Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?

Ich habe viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier kommen und gehen sehen. Drei der eindrücklichsten Weggefährten waren wohl Luzius Theiler (GaP), Jimmy Hofer (parteilos) und Tinu Schneider (parteilos/BDP). Letzteren erlebte ich als SBK-Präsidenten, als es um die Schliessung des Grossen Tors der Reitschule ging. Ich hatte mit den meisten Leuten einen Austausch auf Augenhöhe und fühlte Wertschätzung. Das freut mich und darauf bin ich auch stolz.

Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum?

Ich wohne seit fünf Jahren eher zufällig in Saali-Wittigkofen und mag dieses sehr lebendige Quartier im Grünen, das gleichzeitig mit einer Tramhaltestelle vor der Tür urban ist, enorm. Zudem habe ich mit dem Schwimmbad Ostermundigen praktisch einen Pool vor der Tür. Für die Kultur mag ich natürlich die Berner Altstadt am besten.

Diese Themen waren ebenfalls wichtig:

  • Neue Fraktion: Die EVP schliesst sich im Stadtrat mit der GLP und der Jungen GLP zu einer Fraktion zusammen. Das teilten die Parteien gestern mit. Die Zusammenarbeit ist vorerst befristet bis zum Ende der Legislatur, also Ende Jahr. Die neue Fraktion ist entstanden, weil die EVP sich im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen dem breiten bürgerlichen Bündnis «Gemeinsam für Bern» angeschlossen hat. Das führte zum Rauswurf der EVP aus der Fraktion mit der GFL.
  • Weyermannshaus-Ost: Der Stadtrat befand über eine Reihe von Anträgen in der Überbauungsordnung Weyermannshaus-Ost III. Auf dem Areal in Ausserholligen soll der neue Campus der Berner Fachhochschule entstehen. Die GB/JA-Fraktion wollte weniger Parkplätze, die SVP mehr, die Mitte wollte das Gewerbe besser berücksichtigen bei den Verkehrsbeschränkungen, und die GLP wollte einen Anschluss ans Fernwärmenetz sowie Solarzellen vorschreiben. Am Schluss gewichtete der Rat den Zeitdruck aber mehrheitlich stärker als die einzelnen Forderungen: Die Überbauungsordnung wurde fast gänzlich nach den Vorschlägen des Gemeinderats angenommen. Denn, das betonte Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) in seinem Votum, Änderungen in der Überbauungsordnung kurz vor Baustart würden zu grossen Verzögerungen führen. So schien er denn auch wenig erfreut über den einzigen knapp angenommenen Antrag der GLP (34 Ja- zu 32 Nein-Stimmen) betreffend Solarzellen. 
  • Klimamassnahmen: Die Stadt Bern ist nicht auf Kurs, um ihre Klimaziele zu erreichen. Ihren Unmut darüber tat die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat gestern gegenüber dem Gemeinderat kund, indem sie zwei Prüfungsberichte zu Klima-Postulaten je knapp ablehnte: Beim ersten ging es um eine Pflicht für Solarzellen auf den städtischen Dächern, das zweite forderte ein Klimabudget nach dem Vorbild der Stadt Oslo. Mit beiden Berichten des Gemeinderates zeigten sich die Initiant*innen der Vorlagen unzufrieden, GB-Stadträtin Katharina Gallizzi bezeichnete sie gar als «Arbeitsverweigerung». Der Gemeinderat muss bis in einem Jahr neue Berichte verfassen. 
  • Shopping: Weil die alten alt sind, braucht die Stadt drei neue Kehrichtwagen. Der Gemeinderat will dabei von dieselbetriebenen auf umweltfreundlichere elektrische Modelle umsteigen. Doch der SVP passen deren Masse nicht: Weil sie breiter sind als die alten Wagen und Berns Strassen oft schmal, befürchtet die Partei, die Stadt werde «die neuen viel zu breiten Kehrichtwagen wieder leider als willkommenen Anlass nehmen, weitere Parkplätze aufzuheben». Sie beantragte deshalb schmalere Wagen. Die gebe es aber nicht «ab Stange», monierte Gemeinderätin Marieke Kruit (SP). Der Rat genehmigte den Kredit von rund 2,8 Millionen Franken für die breiteren, vollelektrischen Modelle. Auch zwei neue Bagger für ihre Entsorgungshöfe darf sich die Stadt genehmigen: Der Kredit über knapp 600’000 Franken wurde einstimmig durchgewinkt. 

PS: Für die zurückgetretene Eva Chen rückte bei der AL gestern Muriel Graf als neue Stadträtin nach. Die 29-jährige Sozialarbeiterin war bei den Wahlen 2020 allerdings gar nicht auf der AL-Liste angetreten, sondern für die Juso. Um die Frauenmehrheit im Berner Stadtparlament zu wahren, verzichteten aber alle Männer, die auf der AL-Liste nachgerutscht wären, und liessen Graf den Vortritt.

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Diskussion

Unsere Etikette
Toni Menninger
12. März 2024 um 15:09

Die Änderung lautet: "Neue, auf Dauer angelegte Bauten und Anlagen sind mit Anlagen zur Produktion von Solarenergie auszustatten."

Dass das nicht selbstverständlich ist und von vorne herein eingeplant wurde, ist wirklich nicht nachvollziehbar.

Thomas Schneeberger
06. März 2024 um 23:40

Wankdorf-Autobahn:

Es ist geradezu peinlich, wenn der Bund und sogar die Stadt (bzw. nur der Gemeinderat) das geplante Autoverkehrsmonster mit Fussverkehrs- und Velomassnahmen begründet.

Weyermannshaus-Ost / Campus BFH:

Zeitdruck wichtiger als sinnvolle Energieversorgung? Das kann doch nicht wahr sein. Warum kam/kommt denn "der Gemeinderat" nicht von selbst auf die Idee - gibt's nun keinen Anschluss an Fernwärme und keine Solarzellen?