Wabern Spezial

Zeit vor Mode

Tabitha Wermuth betreibt in Wabern ein eigenes Modelabel. Sie produziert nachhaltig in der Schweiz und Berlin. Und macht auch mal weniger statt mehr.

Tabitha Wermuth, Mode Designerin ausu Wabern fotografiert auf der Bern am 21.08.2023. (Hauptstadt / Jana Leu)
Ein mutiger Schritt: Tabitha Wermuth produziert nun weniger und ohne Druck – zugunsten ihres Wohlbefindens. (Bild: Jana Leu)

Wer durch den Instagram-Feed oder die Website von Tabitha Wermuth scrollt, würde nicht auf den ersten Blick erkennen, dass das Modelabel aus Wabern stammt und hauptsächlich in der Schweiz produziert. Die Bilder zeigen Models am Strand oder in einem Industriegebäude. Das Gesamtbild versprüht einen internationalen Flair. 

Besucht man Tabitha Wermuth in ihrem Atelier in Wabern, das gleichzeitig ihr Zuhause ist, fühlt man sich auch nicht wie in einem Haus in der Berner Agglo. Wermuth trägt ein Kleid aus ihrer Modelinie und im sonnendurchfluteten Atelier überwiegen natürliche Farben und Minimalismus. Sie wirkt ausgeglichen. Auch, weil sie jetzt, wo ihr Label immer besser läuft, sich ganz bewusst entschieden hat, einen Schritt zurückzutreten. Weil ihr, wenn sie ehrlich ist, alles über den Kopf gewachsen ist.

Ein mutiger Entschluss, der auf ihrer Einstellung beruht, zu schauen, wie es passt und weniger vorauszuplanen. 

Nachhaltiges Berlin

Tabitha Wermuth ist 34 Jahre alt und Mutter eines vierjährigen Kindes. Sie hat eine Ausbildung zur Bekleidungsgestalterin gemacht und arbeitete nach ihrem Abschluss für ein kleines Berliner Label. Zwei Jahre war sie in der deutschen Hauptstadt und lernte dort, was sie danach für ihr eigenes Geschäft brauchen konnte.

Tabitha Wermuth, Mode Designerin ausu Wabern fotografiert auf der Bern am 21.08.2023. (Hauptstadt / Jana Leu)
Hat in Berlin Wichtiges gelernt für ihre jetzige Arbeit: Tabitha Wermuth im Atelier. (Bild: Jana Leu)

Und das war nicht das, was sie in der Lehre geübt hatte. «Dort habe ich perfekt, auf den Millimeter genau, schneidern gelernt», sagt sie. Und winkt ab. Das sei in der Realität gar nicht möglich und nicht nötig. Pro Grösseneinheit gebe es immer Unterschiede von ein bis zwei Zentimetern. 

Das Label in Berlin legte viel Wert auf Nachhaltigkeit. In der Schweiz sei das 2014 noch kein so grosses Thema gewesen, sagt Wermuth. Das neue Bewusstsein für nachhaltige Kleidung und Produktion habe sie von Berlin nach Bern mitgenommen. Und das habe ihr geholfen, als sie sich 2017 selbständig machte.

Organisch wachsen

Damals wollte sie der Liebe wegen zurück nach Bern. Mit dem letzten Lohn, den sie in Berlin verdiente – 1000 Euro – kaufte sie Stoffe. Daraus nähte sie Kleidungsstücke, steckte sie an sich selbst ab und verkaufte sie an Märkten. «Ich wollte herausfinden, ob es dafür eine Nachfrage gibt», erklärt Wermuth.

Tabitha Wermuth, Mode Designerin ausu Wabern fotografiert auf der Bern am 21.08.2023. (Hauptstadt / Jana Leu)
Wermuth hat viel Strick, Leinen und Baumwolle in ihrer Kollektion – allesamt natürlich gefärbt und nachhaltig hergestellt. (Bild: Jana Leu)

Es gab sie: Mit den Einnahmen kaufte Wermuth neue Stoffe, alle biologisch und natürlich. Die Produzent*innen der Stoffe kannte sie entweder schon vom Berliner Label oder suchte gezielt nach ihnen. Langsam wuchs aus der anfänglichen Neugier ein kleines Geschäft. 

«Es war nicht mein grosser Traum, ein eigenes Modelabel zu führen», sagt Tabitha Wermuth. Sie habe nie einen Businessplan aufgesetzt, das Label sei organisch gewachsen.

Nahe Produktion

Mit der Anfrage von ersten Läden, die ihre Kleidungsstücke verkaufen wollten, brauchte sie mehr als einen kleinen Marktstand. So gründet sie 2018 ihr Label. Und beginnt eine ganze Kollektion zu produzieren. Stoffe kaufen, Samples nähen, die Teile an Models fotografieren für ein Lookbook, damit die Läden daraus ihre Kleidungsstücke auswählen können. Und nach der Bestellung der Läden: produzieren. Nebenbei arbeitet sie 20 Prozent bei einem Kleidungsgeschäft in der Lorraine – und wird bald schwanger.

Nachhaltige Produktion sei theoretisch überall möglich, erklärt Wermuth. Aber ihr war wichtig, dass sie mit den Produzent*innen sprechen und sie einmal im Jahr besuchen kann. Das schränke den Radius ein. «Ich würde gerne in Portugal produzieren», sagt Wermuth und schmunzelt. «Das Land ist wunderschön, dann hätte ich einen Grund dorthin zu gehen. Aber ich spreche kein Portugiesisch und es ist weit.»

Tabitha Wermuth, Mode Designerin ausu Wabern fotografiert auf der Bern am 21.08.2023. (Hauptstadt / Jana Leu)
Hier näht Tabitha Wermuth die Samples. Produzieren lässt sie sie an verschiedenen Standorten in der Schweiz und in Berlin. (Bild: Jana Leu)

Das sei der Grund, weshalb sie in der Schweiz – in Huttwil, im Thurgau, im Tessin – und in Berlin produziere. Zudem habe sie so weniger Schwierigkeiten mit dem Zoll, bei dem manchmal Bestellungen stecken bleiben können. 

Organisch überwachsen

Als das Kind da ist, betreut sie es oft zu Hause und produziert weiterhin Kollektionen. Doch irgendwann wird alles zu viel. 

Als Modelabel muss Wermuth den Kleiderläden mehr als ein Jahr voraus sein. «Im Sommer wählen die Geschäfte Kleidungsstücke für die Frühling/Sommer Kollektion des nächsten Jahres aus», erklärt sie. Die ganze Kollektion müsse bereits stehen und fotografiert sein. Das bedeute Druck und Deadlines. 

Sie kann nicht mehr Schritt halten. 

Darum ist Tabitha Wermuth dieses Jahr auf die Bremse getreten. Sie nimmt sich einen Monat Auszeit, ist ausgebrannt. «Mein Job hat mich nicht mehr glücklich gemacht. Ich spürte nur noch den Druck. Aber so will ich nicht arbeiten», sagt sie. 

Luft holen

Wermuth entscheidet sich, es langsam angehen zu lassen. Das organische Wachstum ihres Geschäfts wuchs ihr über den Kopf. Jetzt beliefert sie noch wenige ausgewählte Läden. Nicht auf ihre Bestellung, sondern einfach, was sie an Lager hat. So kann sie in ihrem Tempo produzieren. Das nimmt ihr Druck weg. Den Rest der Kleidungsstücke verkauft sie über die Webseite, das einzige (No-Budget) Marketinginstrument ist der Instagram-Kanal.

Tabitha Wermuth, Mode Designerin ausu Wabern fotografiert auf der Bern am 21.08.2023. (Hauptstadt / Jana Leu)
«Kleidung und Stoffe dürfen mit der Zeit altern.» Tabitha Wermuth gefällt es, wenn sie das Leben im Stoff spürt und sieht. (Bild: Jana Leu)

«Es dauerte gut vier Jahre, bis ich eine Balance fand zwischen Arbeit, Familie und Haushalt. Jetzt geht es langsam auf», sagt Wermuth. Es ist ein Trade-Off: Sie verkaufe nun weniger als vorher. Aber das sei es ihr wert: «Ich habe die letzten Jahre so viel gemacht und war trotzdem dauernd in Verzug. Ich brauche jetzt mal Luft.»

Ihre Motivation für den Beruf bleibt. «Ich möchte Kleider machen, die die Menschen lange tragen und an denen sie lange Freude haben», sagt Wermuth. Sie ist fasziniert von Stoffen, ihrer Haptik und ihrer Veränderbarkeit durch die Zeit. «Ich finde, Kleidung und Stoffe dürfen mit der Zeit altern.» Es gefällt ihr, wenn man das Leben im Stoff spüre und sehe. «Sweatshirts werden, je älter sie sind und je öfter man sie trägt, umso weicher und gemütlicher», sagt sie. Genau so sollen auch ihre Kleider getragen werden. 

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