Köniz Spezial

Der Teilzeit-Weltmeister

Köniz hat einen Weltmeister: Miska Mäkinen schoss sein Nationalteam in den Unihockey-Olymp. Wer ist der Finne im Dienst von Floorball Köniz Bern?

Miska Maekinen von Floorball Koeniz fotografiert am Dienstag, 18. Februar 2025 in Urtenen schoenbuehl. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
«Er kann uns alle bereichern», sagt Teamkollege Yann Ruh über Mäkinen. (Bild: Simon Boschi)

Miska Mäkinens Augen leuchten immer noch, als er auf diesen Moment zu sprechen kommt, der jetzt gut drei Monate zurückliegt. Profi-Unihockeyaner Mäkinen ist soeben in Schönbühl aus dem Auto gestiegen, wo in Kürze das Training mit seinem Team Floorball Köniz startet. «The biggest thing in my life», sei das gewesen, sagt er, die grösste Sache seines Lebens.

Sie passierte in der schwedischen Stadt Malmö. Die Unihockey-Halle: ausverkauft. Ein gelbes Farbenmeer mit blau-weissen Tupfern. Hier trifft nicht irgendwer aufeinander, sondern Gastgeber Schweden auf Finnland, die beiden Unihockey-Nationen mit dem grössten Palmarès. Ein Kampf der Giganten. Schweden ist amtierender Weltmeister, Finnland will es werden. Zum fünften Mal. Nur noch wenige Minuten sind zu spielen, es steht 4:4 zwischen den beiden Kontrahenten.

Das Spiel steht auf Messers Schneide, viele der rund 10’000 Zuschauer*innen hält es nicht mehr auf den Sitzen. Dabei hatte Schweden lange Zeit wie der sichere Sieger ausgesehen: Bis auf 4:0 waren sie den Finnen enteilt. Dann setzten diese zur Aufholjagd an. Einer ihrer wichtigsten Antreiber: Miska Mäkinen. Ein langer Schlaks, der in ruhigen Minuten, von denen es jedoch nur wenige im Unihockey gibt, phlegmatisch übers Feld trottet, nur um sich dann in Sekundenbruchteilen in einen finnischen Pfeil zu verwandeln, der in Richtung gegnerisches Tor schnellt.

In dieser unnachahmlichen Art schleicht sich Mäkinen auch an diesem 10. Dezember 2024 Richtung Mittellinie. Die Verlängerung läuft. Nur noch gut anderthalb Minuten sind zu spielen, als Mäkinen förmlich explodiert und einen Augenblick später vor dem schwedischen Tor auftaucht. Mäkinen schlägt, Mäkinen trifft, Mäkinen spurtet in Richtung Fan-Block, als hänge sein Leben daran. 5:4 für Finnland. Das Team fällt danach in einen kollektiven Siegestaumel und liegt sich minutenlang in den Armen liegt. Von wegen unterkühlte Skandinavier.

Er habe diese Szene anfangs beinahe täglich geschaut, sagt Mäkinen nun in Schönbühl, wo den 28-Jährigen der Alltag eingeholt hat. Kein Konfettiregen, kein Scheinwerferlicht, nur ein kalter, grauer Agglo-Unort mit Ausblick auf die Autobahn.

Unscheinbares Kraftpaket

Hier trainiert er in der Regel zwei Mal in der Woche mit seinen insgesamt 24 Teamgefährten, von denen es heute aufgrund von Verletzungen nicht alle in die Halle geschafft haben. Weitere zwei Male pro Woche geht es in die heimische Halle im Fischermätteli. 

Mäkinen wischt zu Trainingsbeginn den Ball derart schnell mit dem Schläger von links nach rechts, dass dem Beobachter beinahe schwindlig wird. Anschliessend drischt er den weissen Ball mit voller Wucht auf das Tor, um den Goalie warm zu schiessen. Mäkinens Kräfte scheinen nicht unbedingt zu seiner Erscheinung passen zu wollen. Der Hüne mit dem schulterlangen blonden Jahr und dem mächtigen Kreuz-Ohrring erinnert eher an den Gitarristen einer skandinavischen Metal-Band als an einen bis in die letzte Faser austrainierten Spitzenathleten.

Miska Maekinen von Floorball Koeniz fotografiert am Dienstag, 18. Februar 2025 in Urtenen schoenbuehl. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Mäkinen freut sich bereits auf die kommende Unihockey-WM, die 2026 im finnischen Tampere stattfinden wird. (Bild: Simon Boschi)

Der 28-Jährige spielt erst seit dem Sommer in Köniz – er wechselte zusammen mit seinem Landsmann Rasmus Kainulainen aus Finnland in die Schweiz. Sein Arbeitgeber Floorball Köniz Bern gehört der höchsten Schweizer Unihockey-Liga an – 2018 und 2021 schloss man die Saison gar mit dem Meistertitel ab. Damit weitere Titel folgen, verpflichtete der Club Mäkinen und lobte bei der Vorstellung seine «Agilität und sein ausgezeichnetes Spielverständnis». 

Vom Präsidentenempfang zum Entsorgungshof

Für Mäkinen war der Transfer ein grosser Schritt: Seine ganze Karriere hatte der Finne in der Heimat absolviert, erst mit 28 Jahren wagte er den Schritt ins Ausland und unterschrieb für zwei Jahre bei Köniz. Es habe nicht den einen Grund für seinen Wechsel gegeben, sagt Mäkinen rückblickend. Die Schweiz sei von der Kultur und Geografie komplett anders als sein Heimatland – das habe ihn gereizt. Ausserdem sei die Bezahlung in der Schweiz besser, auch wenn Finnland als eines der Unihockey-Mutterländer gilt und der Sport sehr populär ist. Doch auch dort können die wenigsten von ihm leben.

In der Schweiz ist das ähnlich. Bei Floorball Köniz Bern studieren die meisten Spieler noch oder gehen einer Beschäftigung mit einem Pensum bis 80 Prozent nach. Allerdings werden für begehrte ausländische Spieler attraktive Pakete geschnürt, die auch eine fixe Arbeitsstelle beinhalten. So auch im Fall von Mäkinen. Er arbeite zusammen mit seinem Landsmann Kainulainen zwei Mal pro Woche im Recyclinghof Resag, so Mäkinen. Der Betrieb vor den Toren Berns ist auch Sponsor von Floorball Köniz Bern.

Ein Weltmeister, der erst kürzlich vom finnischen Staatspräsidenten zu einem Gala-Empfang nach Helsinki eingeladen wurde, trabt zum Schichtbetrieb auf einem Entsorgungshof in Bümpliz-Riedbach an. Es sind Geschichten, die sie nicht nur der Unihockey-Sport schreibt, doch hier sprechen die Zahlen eine besonders deutliche Sprache: Floorball Köniz Bern hat laut Vereinsangaben für die erste Mannschaft nur ein Jahresbudget von rund 450‘000 Franken zur Verfügung. Und zahlt damit Löhne, Prämien und auch sämtliches Material und Trainingslager. Zum Vergleich: YB hat gemäss Geschäftsbericht im Jahr 2023 rund 44 Millionen Franken für das Personal aufgewendet.

Gestatten: Mr. Unihockey

Für Mäkinen geht die Rechnung in der Schweiz bislang auf. Er lebe mit seiner Freundin im Fischermätteli-Quartier und fühle sich in Bern sehr wohl. Auch wenn es in den ersten sechs Monaten in Bern noch nicht viele Gelegenheiten gegeben habe, neue Bekanntschaften zu knüpfen. «Ich bleibe viel in meiner Unihockey-Bubble», sagt der Verteidiger.

Miska Maekinen von Floorball Koeniz fotografiert am Dienstag, 18. Februar 2025 in Urtenen schoenbuehl. (hauptstadt.be / Simon Boschi)
Mäkinen gilt als offensiver Verteidiger – er ist also häufiger vorm gegnerischen Tor anzutreffen. (Bild: Simon Boschi)

Unihockey, das ist das Lebensthema des Finnen – das in seiner Muttersprache «salibandy» heisst. Schon mit fünf Jahren führte Mäkinen zum ersten Mal den gelöcherten Plastikball am Schläger, nachdem er seine Tante an einem Match spielen gesehen hatte. «Ich habe nie davon geträumt, Unihockey-Spieler zu werden», sagt er, doch wirklich losgelassen hat ihn der Sport nie. Er besuchte eine Sportschule und trainierte jeden Tag –  am Ende setzte er alles auf die Karte Unihockey und verzichtete auf eine weitere Berufsausbildung. Eine Entscheidung, die mit grossen Risiken behaftet ist. Vor drei Jahren verletzte er sich am Knie, konnte sich aber zurückkämpfen.

Mäkinens Motivation für den Sport ist auch an die Hoffnung geknüpft, dass es die kommende Spielergeneration besser haben wird als er. «Floorball wird sich noch weiterentwickeln», ist sich der Finne sicher. «Doch dafür müssen wir Opfer bringen und Geduld haben.»

Wird Köniz wieder Meister?

Das hohe Tempo, ein Spiel, das von einem auf den anderen Moment komplett kippen kann  – so wie im WM-Final Finnland-Schweden. Das sind für Mäkinen die faszinierenden Aspekte seines Sports. Auch die anstehenden Playoffs in der höchsten Schweizer Unihockey-Liga dürften viele solcher Momente liefern. Köniz hat sich zwar die Teilnahme schon gesichert, doch im März beginnt die entscheidende Saisonphase.

«Unser Ziel bleibt der Titelgewinn», sagt Mäkinen. Zwar liegt man deutlich hinter dem Lokalrivalen Wiler-Ersigen und dem Tabellenführer Zug United, doch gerade letzteren habe man diese Saison bereits besiegt, so Mäkinen.

Finnische Kolonie in Köniz

Auch wenn der Triumph dieses Jahr nicht gelingen sollte: Die Ambitionen von Floorball Köniz Bern bleiben hoch. Sehr hoch. Auf nächste Saison kehrt Coach René Berliat an die Seitenlinie zurück – er führte Köniz 2018 zum ersten Meistertitel. Ausserdem verstärkt sich FBK mit einem weiteren finnischen Star. Aaro Astala, der zusammen mit Miska Mäkinen den WM-Titel 2024 gewann kommt vom finnischen Meister Esport Oilers nach Köniz. 

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