Das Compobag-Dilemma

Kompostierbare Säckchen sind beliebt. Bei der Grüngut-Verarbeitung sorgen sie allerdings für Probleme. Nun haben erste bernische Gemeinden sie verboten.

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Im Visier der Behörden: Der kompostierbare Compobag. (Bild: Manuel Lopez)

Sie sind praktisch. Und sie führen zu Problemen: Die sogenannten Compobags – biologisch abbaubare Säckchen zur Entsorgung von Rüstabfällen oder Speiseresten. Viele Haushalte statten damit ihr «Kompostkübeli» aus. So muss dieses nicht gereinigt werden und der Inhalt kann gleich mitsamt Sack in die Grüngut-Tonne. Bloss: Erste bernische Gemeinden haben die Säckchen verboten. Andere könnten folgen. Was sind die Gründe?

In Zollikofen sind die kompostierbaren Säcke seit Anfang Jahr verboten. Aktuell läuft eine Übergangsfrist, in der noch vorhandene Compobags aufgebraucht werden dürfen. «Ab Juli leeren wir dann keine Grüngut-Container mehr, in welchen es Compobags hat», sagt Samuel Scherler. Er ist als Bereichsleiter bei der Gemeinde Zollikofen für die Entsorgung zuständig.

Risikofaktor Mensch

Was ist das Problem mit den Compobags? Scherler nennt zwei Aspekte: «Erstens produzieren wir mit den Säcken zusätzlichen Müll, um Müll zu entsorgen.» Dies allein sei unsinnig. Zweitens führen die Säcke gemäss Scherler zu Verwechslungsgefahr: «Eine Person wirft einen Compobag in den gemeinsamen Grüngutcontainer; eine andere Person sieht das, denkt sich nur ‹Ah, Plastiksack› und wirft ihr Grüngut in den Container – mitsamt Plastiksack.»

«Wir produzieren Müll, um Müll zu entsorgen.»

Samuel Scherler, Leiter Entsorgung der Gemeinde Zollikofen

Das eigentliche Problem ist also weniger der Compobags selbst, sondern die Tatsache, dass dieser Menschen zu Fehlverhalten anstiftet. Mit erheblichen Konsequenzen: Plastik und andere Fremdstoffe landen auf Feldern, von wo sie in unsere Nahrung und als Mikroplastik in unseren Körper gelangen.

Dies, weil Grüngut in der Schweiz oftmals in zwei Schritten verwertet wird:

  1. In Vergärungsanlagen wird aus dem Grüngut zunächst Biogas gewonnen. Dieses wird zur Strom- oder Wärmeproduktion eingesetzt.
  2. Die übriggebliebenen Gärreste kommen in die Kompostieranlage, wo nährstoffreicher Kompost entsteht. Dieser wird als Recyclingdünger in der Landwirtschaft verwendet.

Die verwertete Abfallmenge ist immens: Zusätzlich zu den kompostierbaren Abfällen aus Industrie und Gewerbebetrieben sammeln die Gemeinden im Kanton Bern jährlich rund 100’000 Tonnen Grüngut von Privaten. Das entspricht rund 96 Kilogramm pro Kopf.

Gleichgeschreddert

«Der Fremdstoffanteil in diesem Teil des Grünguts ist hoch», sagt Andreas Utiger. Er leitet die KEWU, das Krauchthaler Entsorgungsunternehmen, in dem auch das Zollikofer Grüngut landet. Plastikteile werden hier maschinell vom kompostierbaren Material getrennt. Doch das allein reicht nicht mehr: «Wir mussten eine Person anstellen, die von Hand Fremdstoffe aus dem Grüngut aussortiert», so Utiger.

Auch die Compobags werden in diesem Arbeitsschritt aussortiert. Damit Grüngut verwertet werden kann, muss es nämlich zunächst grob geschreddert werden. «Und einmal geschreddert sieht ein Compobag in vielen Fällen wie ein normaler Plastiksack aus», sagt Utiger.

In der Konsequenz bedeutet das: Compobags sind für Haushalte praktisch und können dazu beitragen, dass mehr Grüngut gesammelt wird. Für Kompostierbetriebe bedeuten sie aber einen Mehraufwand.

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Kleidet man das «Kompostkübeli» mit einem Compobag aus, bleibt der Behälter einfacher sauber. (Bild: Manuel Lopez)

Trotzdem ist Utiger bei seinem Urteil zu den Compobags vorsichtig: «Die These, dass Compobags dazu führen, dass vermehrt Plastiksäcke im Grüngut landen, ist wissenschaftlich nicht belegt.» Genauso gut könnten andere Faktoren, wie etwa die Bevölkerungsstruktur oder die Kosten für die Entsorgung, einen Einfluss auf die Reinheit haben.

Aktuell läuft eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zur Qualität des schweizerischen Grünguts. Sie dürfte erste Erkenntnisse in dieser Hinsicht liefern. Dabei wird auch der Einfluss von Compobags untersucht.

Kanton empfiehlt Verbot

Das kantonale Amt für für Wasser und Abfall geht in seiner Beurteilung der Compobags weiter: Im aktuellen Muster-Abfallreglement aus dem Jahr 2020 empfiehlt es den Gemeinden ein Verbot der kompostierbaren Säckchen. «Bis heute ist es nicht gelungen, allen Personen klar zu machen, dass nur die Säcke mit Gitternetzaufdruck auch wirklich kompostierbar sind», heisst es in den Erläuterungen zum Reglement. Der Gitternetzaufdruck ist für alle kompostierbaren Säcke obligatorisch und soll eigentlich helfen, eine Verwechslung mit Plastiksäcken zu verhindern.

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Der Gitternetzaufdruck sollte Verwechslungen mit anderen Plastiksäcken verhindern – eigentlich. (Bild: Manuel Lopez)

Das Musterreglement des Kantons hat Signalwirkung: Viele Gemeinden orientieren sich bei der Überarbeitung ihrer Abfallreglemente jeweils an diesem. So auch die Gemeinde Zollikofen. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass bald schon weitere Gemeinden mit einem entsprechenden Verbot folgen. In der Region Bern hat Worb bereits vor einigen Jahren in Eigenregie ein Compobag-Verbot eingeführt, in Münchenbuchsee steht ein solches aktuell zur Debatte.

Aus Sicht des Kantons sind die Compobags ein Teil der Fremdstoff-Problematik im Grüngut. Diese versucht das Amt für Wasser und Abfall aktuell mit einer Sensibilisierungskampagne zu bekämpfen. Mitgetragen wird die eben angelaufene Kampagne von mehreren Kantonen, Entsorgungsunternehmen und Gemeinden.

Kompostierbare Trendprodukte

Klar ist jedoch: Das Problem dürfte in Zukunft eher grösser werden. Je mehr Produkte künftig aus rezyklierbaren Materialien hergestellt werden, desto grösser ist das Risiko einer Verwechslung. Und Produkte aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW) liegen aktuell im Trend.

Zum Beispiel in Form von Tellern, Besteck oder gar Kaffeekapseln. Sie bestehen aus Palmblättern, Holzfasern oder dem Biokunststoff PLA, der aus Zuckerrohr gewonnen wird. Mit den Firmen Pacovis, Petroplast und Bioapply gibt es gleich mehrere Unternehmen, die BAW-Produkte in der Schweiz herstellen.

Dabei steht es grundsätzlich gut um die Abbaubarkeit dieser BAW-Produkte, wie eine Studie des Bundesamtes für Umwelt zeigt. Sofern sie in industriellen Betrieben verarbeitet werden, klappt die restlose Kompostierung zuverlässig.

Was darf überhaupt ins Grüngut?

Was also gilt es zu berücksichtigen, wenn man als Privatperson seine Küchen- und Gartenabfälle entsorgen will? «Zunächst sollte man abklären, was überhaupt ins Grüngut darf und was nicht», sagt Felix Rusterholz vom Kompostforum Schweiz. Das sei von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich, je nachdem, wie das Material anschliessend verarbeitet werde.

«Zunächst sollte man abklären, was überhaupt ins Grüngut darf»

Felix Rusterholz vom Kompostforum Schweiz

Tatsächlich gleichen die Regeln einem hyperlokalen Flickenteppich. Den Durchblick zu behalten, fällt aus Sicht der Abfallverursacher*innen oft schwer. So akzeptieren einige Gemeinden nur Gartenabfälle, nicht jedoch Speisereste. Hinzu kommt, dass vielerorts BAW-Produkte wie kompostierbare Kaffeekapseln oder rezyklierbare Teller und Verpackungen unerwünscht sind. So auch in der Stadt Bern, wo einzig Compobags zugelassen sind. Ein Compobag-Verbot plant die Bundesstadt übrigens nicht, wie sie auf Anfrage schreibt.

Ansonsten gilt: «Kompostkübeli regelmässig leeren, das hilft gegen lästige Fliegen und sorgt für bessere Qualität der Kompost-Erde», so Rusterholz. Beginnt das Grüngut nämlich bereits im «Kompostkübeli» zu faulen, entstehen pathogene Stoffe, die den späteren Kompostierungsprozess behindern. Ausserdem habe das regelmässige Leeren einen weiteren Vorteil, so Rusterholz: «Es braucht gar nicht erst einen Compobag, um das Kompostkübeli sauber zu halten.»

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Die Grüngut-Regeln für Stadt und Teile der Agglomeration Bern findest du hier: Stadt Bern, Köniz, Ostermundigen, Muri, Ittigen, Zollikofen, Bremgarten.

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Diskussion

Unsere Etikette
Georg Tobler
28. Mai 2022 um 16:48

Das Problem beim Grüngut ist weniger das Kompostkübeli. Das kann sehr gut gewaschen werden. Schwieriger ist es mit dem Grüncontainer: ohne Compobag kleben die Reste am Containerboden fest. Ich habe wenig Lust, jeden Monat in den Grüncontainer zu kriechen, um ihn zu reinigen. Gibt es Tipps, wie das vermieden werden kann, ohne Compobags zu verwenden?

Andreas Joss
27. Mai 2022 um 16:13

Ich bin kürzlich von der Gemeinde Bern in die Gemeinde Köniz umgezogen.

In Bern hatten wir einen Grüngutcontainer, wo ich täglich meine Rüstabfälle entsorgen konnte.

In Köniz gibt es das nicht. Hier muss ich sämtliche Rüstabfälle im normalen Kehricht entsorgen. Dies finde ich sehr schade und ich hoffe, dass dies irgendwann möglich sein wird.

Da ich nämlich täglich frisch koche, entsteht ziemlich viel Rüstabfall und der Kehricht füllt sich doppelt so schnell.