Weltmeisterin, Velogeschichte, Israel
News vom Dienstag – Hauptstadt-Brief #510
Gestern konnte die Schweiz ein Stück Geschichte schreiben: Die Könizerin Ditaji Kambundji ist in Tokio Weltmeisterin im 100 Meter Hürdenlauf geworden. Die 23-Jährige ist die erste Schweizer Leichtathletin, die eine Goldmedaille holt. Das haben vor ihr nur Männer geschafft (André Bucher 2001 über 800 Meter, Werner Günthör drei Mal im Kugelstossen, zuletzt 1993).
«I weiss nid, i bi eifach schnäu gsecklet und ha e Goldmedaille gholt», sagte Kambundji gestern entwaffnend ehrlich im Interview auf SRF.
Selbst ich, kein grosser Sportfan, bin fasziniert von der Schnelligkeit und Präzision, die die Leichtathletin vorgelegt hat und wie sie ihrer Konkurrenz schlichtweg davongerast ist: Mit neuem Schweizer Rekord in 12,24 Sekunden. Das sind nur noch 12 Hundertstelsekunden über dem Weltrekord von Tobi Amusan, die gestern Zweite wurde.
Fast noch mehr freut mich, dass Ditaji Kambundji dadurch zum grossen Vorbild für viele junge und zukünftige Schweizer Athletinnen wird. So dass vielleicht bald nicht nur die Frauenfussball-Teams von Neumitgliedern überrannt werden, sondern auch die Leichtathletikvereine.
- Velogeschichte: In Ittigen steht in vergoldetem Messing das Siegervelo von Fabian Cancellara. Mein Kollege Nicolai Morawitz ist seiner und der Geschichte seines kürzlich verstorbenen Vaters Donato Cancellara nachgegangen und auf eine wilde Velowelt der 1990er Jahre gestossen – die Cancellara Senior stark mitgeprägt hat. Zum Beispiel mit Hobby-Velorennen mit über 100 Starter*innen.
- Nicoletta della Valle: Am 18. Oktober eröffnet Nicoletta della Valle, abgetretene Chefin des Bundesamts für Polizei (Fedpol), im Mattenhof das Caffè Sempre Berna. Dort will sie niederschwellige Beratung für Menschen in schwierigen Lebenslagen anbieten. Schlagzeilen macht sie nun aber mit einem anderen Engagement. Della Valle arbeitet neu als Beraterin des israelischen Investmentunternehmens Champel Capital. Das hat das Westschweizer Fernsehen publik gemacht. Champel Capital, dessen Geschäftsführer ein Parteikollege von Israels Premier Benjamin Netanyahu sei, investiert in Startup-Firmen im Bereich Sicherheit und Rüstung. Bundesrat Beat Jans (SP) zeigt sich laut den Tamedia-Zeitungen (Abo) irritiert über seine frühere Chefbeamtin. Sie sei weiterhin ans Amtsgeheimnis gebunden, sagte Jans: «Sie darf keine sensiblen Daten des Bundes preisgeben. Andernfalls würde sie sich strafbar machen.»
- Uni Bern: Die Berner Uni Rektorin Virginia Richter hat sich vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) unter Druck setzen lassen. Das zeigt eine Recherche von Bund/BZ. Im vergangenen Juni hatte die Nichtregierungsorganisation Amnesty International ein Podium mit der UNO-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, in Uni-Räumlichkeiten durchführen wollen. Nach einer anfänglichen Zusage und zwischenzeitlichen halben Rückzügen folgte wenige Tage vor dem Anlass die definitive Absage. Durch die Recherche wird klar, dass die Uni handelte, nachdem die Rektorin vom Sekretär des SIG angegangen worden war, der Albanese des Antisemitismus bezichtigte.
- Museumsquartier: Michèle Zweifel, Geschäftsführerin des Museumsquartiers, verlässt nach zwei Jahren die Institution auf Anfang 2026 aus persönlichen Gründen. Das teilte das Museumsquartier Bern gestern mit. Der Verein, der aus elf Kulturinstitutionen aus dem Kirchenfeldquartier besteht, gründete sich 2021, um einen «durchlässigen, urbanen Kulturraum» zu schaffen – die bisherigen Projekte sind jedoch kleiner als zu Beginn angekündigt. Auch die politische Unterstützung ist nicht mehr so breit wie zu Beginn des Projekts. Zwar hat der Stadtrat letzte Woche den Beitrag für 2026 in der Höhe von 75’000 Franken knapp genehmigt – dieser war aber eigentlich nicht mehr im Budget vorgesehen.
- Dampfzentrale: Eine informelle Gruppe von rund 40 Kulturschaffenden hat der Stadt einen offenen Brief geschrieben. Sie sorgt sich, dass mit der Neuausschreibung des Leistungsvertrags für die Dampfzentrale die zeitgenössische Musik vergessen gehen könnte. Die Stadt Bern hat den Leistungsvertrag im Frühling 2025 neu ausgeschrieben. Darin werde die neue Musik nicht erwähnt und in der Jury sitze keine Stimme des zeitgenössischen Musikschaffens, heisst es im Schreiben, das auch an die «Hauptstadt» verschickt wurde.
- Studienstart: Heute starten die Unis und Hochschulen. Die Berner Fachhochschule verzeichnet dabei einen neuen Rekord, wie sie gestern mitteilte. Erstmals beginnen über 8000 Studierende das Semester. Die Zahl der Erstsemestrigen ist auf knapp 2500 angestiegen. Besonders stark sei das Wachstum bei der Hochschule der Künste sowie in den Departementen Gesundheit sowie Technik und Informatik.
- Fussball: Am Sonntag spielte das Frauen- wie das Männer-Team der Young Boys. Die YB Frauen unterlagen mit 0:3 gegen Servette (Genf) auf dem «Spitz». Nach drei Runden in der Super League haben sie damit erst zwei Punkte auf dem Konto. Bei den YB-Männern schossen Chris Bedia und Christian Fassnacht YB zu einem 2:1-Auswärtssieg gegen Luzern.
- Länggasse: Im Herbst soll zwischen Bierhübeli und Innere Enge Tempo 30 eingeführt werden. Gleichzeitig stellt die Verkehrsplanung der Stadt Bern die Verlängerung des Muraltwegs bis zur Schwimmhalle Neufeld und die Einrichtung eines rollstuhlgängigen Weges zwischen der Tiefenau und dem Rossfeld aus finanziellen Gründen auf unbestimmte Zeit zurück. Das geht aus dem Newsletter der Quartierpost hervor.
PS: Auf dem Waisenhausplatz kann man zurzeit die internationale Fotoausstellung «Refraiming Neglect» anschauen. Bis am 26. September sind die Kunstplakate von afrikanische Künstler*innen zu sehen, die sich um das Thema vernachlässigte Tropenkrankheiten drehen. PPS: Morgen Mittwoch, 18.30 Uhr, moderiert «Hauptstadt»-Redaktor Jürg Steiner im Kornhausforum die Debatte «Belpmoos Solar - Erneuerbare Energie! Aber wie?».
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