Sparwille – Stadtrat-Brief #15/2025

Sitzung vom 11. September 2025 – die Themen: Budgetdebatte, 1. Teil; die Erhöhungen im Budget im Detail.

Stadtrat-Brief
(Bild: Silja Elsener)

Man könnte sagen, die Budgetdebatte, die sich jährlich über viele Stunden zieht, sei langweilig, weil langfädig. Wahr ist aber auch: Nie sonst ist der Einfluss des Parlaments so gross wie dann. Parteien und Kommissionen können Änderungsanträge zum vom Gemeinderat ausgearbeiteten Budget einreichen. Kommen sie durch, schlagen sie sich direkt nieder. Finanziell – und für die betroffenen Bereiche auch ganz praktisch.

Am Donnerstag gingen die ersten vier Stunden der diesjährigen Budgetdebatte über die Bühne. Sie hat bisher eine erste Verliererin: Die Ombudsstelle. Diese wollte nächstes Jahr ihr 30-Jahr-Jubiläum mit einer Feier für 40’000 Franken begehen. Die FDP fand das bei der aktuellen Finanzlage unangebracht und reichte einen Kürzungsantrag ein. Der wurde mit 41 Ja zu 30 Nein-Stimmen angenommen.

Ausschlaggebend war die Unterstützung der SP für den Antrag. Das ist bemerkenswert, weil bürgerliche Kürzungsanträge in den letzten Jahren praktisch chancenlos waren. Und es zeugt vom Willen der mit Abstand grössten Partei im Parlament, das Budget nicht übermässig zu belasten. In den letzten beiden Jahren hatte das Parlament im Vergleich zum Antrag der Regierung jeweils Mehrausgaben von etwa 1,8 Millionen Franken beschlossen.

Nach der Diskussion von einer der fünf Direktionen sind es bisher 255’000 Franken Mehrausgaben im Vergleich zum Budget. Die Details dazu findest du weiter unten im Brief.

Hoher Investitionsbedarf

Für das anstehende Jahr hat der neu zusammengesetzte Gemeinderat im Budget einen kleinen Gewinn von 2,6 Millionen Franken vorgesehen. Es handelt sich um das erste schwarze Budget seit 2020. Die Steueranlage soll wie gehabt bei 1,54 bleiben.

Bei einigen Dingen verlief die Eintretensdebatte jedoch wie in den Vorjahren: SVP, FDP und Mitte forderten chancenlos eine Rückweisung des Budgets. «Bei einem so tiefen Selbstfinanzierungsgrad wirkt auch ein ausgeglichenes Budget wieder tiefrot», hatte etwa Laura Curau (Mitte) seitens ihrer Partei argumentiert. Die Alternative Linke forderte erfolglos eine Steuererhöhung, keine einzige andere Partei stimmte dafür.

Die GLP, die mit Melanie Mettler neu die Finanzdirektorin stellt, kritisierte das Budget im Gegensatz zu früheren Jahren nicht. Man habe zwar Diskussionen gehabt, ob man bei den Sparmassnahmen noch hätte weitergehen können, sagte Sprecherin Natalie Bertsch. Aber: «Wir geben dem neuen Gemeinderat einen Vertrauensvorschuss.» Das schwarze Budget sei ein erster Schritt zur Gesundung der Finanzen.

Ebenfalls bemerkenswert war das Votum von Finanzkommissions-Sprecher Georg Häsler (FDP). «Wir spüren, dass die Exekutive einen Sparwillen hat und die Situation ernst nimmt.» Deshalb habe er sich bewusst entschieden, als FDPler für die Finanzkommission zu sprechen, die das Budget zur Genehmigung empfehle.

Klar ist: Die Stadt hat einen hohen Investitionsbedarf. 156,5 Millionen Franken werden es im nächsten Jahr sein. Davon kann sie nur 44 Prozent selbst finanzieren. Für 80 Millionen Franken muss sie Fremdkapital aufnehmen. Ein Umstand, der von den Bürgerlichen hart kritisiert wird. «Unsere Aufgabe gleicht der Quadratur des Kreises», sagte SP-Fraktionssprecherin Ingrid Kissling-Näf, «bei so hohem Investitionsbedarf ein ausgeglichenes Budget zu präsentieren.»

Grosse Einigkeit herrschte im Rat jedoch dazu, dass die Stadt «kostengünstig» bauen solle. Der entsprechende Antrag der Finanzkommission wurde mit nur 4 Gegenstimmen angenommen. Finanzdirektorin Mettler hat diese Woche im «Hauptstadt»-Interview insbesondere die teure Marzili-Sanierung kritisiert.

Ob der Sparwille anhält, wird sich bei der Fortsetzung der Debatte nächste Woche zeigen. Wobei die Zeichen da sind: So unterstützte die SP am Donnerstag zwar den Antrag, den klammen Konzertveranstalter Beeflat mit einmaligen 100’000 Franken zu unterstützen, brachte aber erfolgreich einen Ordnungsantrag durch, dass über diesen Betrag erst nächste Woche abgestimmt wird. Dann, wenn die Anträge über die Erhöhung der Gelder zur Förderung der Zweisprachigkeit behandelt worden sind.

Werden die Kredite, die einst für das bilinguale Modell Clabi eingestellt waren, angenommen, könnte es für Beeflat doch noch düster aussehen.

Denn etwas hat sich nicht geändert: Die SP ist so stark, dass sie in der Regel darüber entscheidet, ob ein Antrag angenommen wird oder nicht.

Portraits von Ratsmitgliedern des Stadtrats Bern fotografiert am Donnerstag, 22. Mai 2025 in Bern. (hauptstadt.be / Daniel Buergin)
Ratsmitglied der Woche: Michael Ruefer

Michael Ruefer (39) sitzt seit 2020 im Stadtrat. Ursprünglich gewählt wurde er für die Grünliberalen, 2024 wechselte er zur Fraktion der Grünen Freien Liste (GFL), die er seit Anfang 2025 präsidiert. Die GLP verliess er, weil sie für die Gemeinderatswahlen eine gemeinsame Liste auch mit der SVP beschloss. Ruefer arbeitet im Stab der Güterbahn BLS Cargo und ist dort zuständig für Kommunikation und Public Affairs. Warum sind Sie im Stadtrat?

Ich könnte zu Protokoll geben, ich sei halt so reingerutscht. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ich sass mit 23 schon mal im Ortsparlament von Münchenbuchsee, dann mal im Studirat der Uni Bern, und so begleitet mich die Politik schon ziemlich lange. Schon von Beginn an mit dabei: meine Begeisterung für Verkehrspolitik. Mich treibt eine intrinsische Motivation: Ich lerne gerne dazu, sprudle vor Ideen und streite ab und an auch ganz gerne. Wofür kennt man Sie im Rat – auch ausserhalb Ihrer Partei?

Man bescheinigt mir, ich sei zugänglich, gründlich, engagiert und doch ruhig. Aber ich möchte hinzufügen: keine Sympathie ohne Respekt! Nur mit nett kommt man in der Politik nirgends hin, wie auf der Arbeit ja auch nicht. So pflege ich mit den Worten einer lieben Verwandten zu sagen: Ich bin lieb, aber streng. Welches ist Ihr grösster Misserfolg im Rat?

Misserfolge vergesse ich zum Glück ganz schnell. Hinfallen, aufstehen, Krone richten! Ich kann ganz gut diversifizieren, weil ich immer ein paar Eisen gleichzeitig im Feuer habe. Am meisten frustriert mich wohl, dass es in der rot-grün dominierten Stadt so schwierig scheint, den Verkehr deutlich nachhaltiger zu gestalten. Da ist etwas der Wurm drin, und daran beisse ich mir regelmässig die Zähne aus. Aber: Aufgeben? Niemals! Worauf sind Sie stolz bei Ihrer Ratsarbeit?

Mich erfüllt es mit Demut, in diesem schönen Ratssaal und mit meinen 79 Mitstreiter*innen die Stadt ein Stück weit prägen zu dürfen. Ich ziehe viel Knowhow, auch im Umgang mit eigenen Schwächen, aus dem Engagement, lerne jede Menge Auftrittskompetenz, wertschätzendes Feedback, Konfliktmanagement, Moderation von schwierigen Gesprächen. Ein Stadtratsmandat ist eine wahrhaftige Lebensschule. Ich fühle mich privilegiert, Teil von etwas Grösserem sein zu dürfen. Welches ist Ihr liebster Stadtteil und warum? 

Ich lebe seit 14 Jahren im Nordquartier, zuerst im Breitsch, jetzt in der Lorraine. Der Verkehr am Nordring ist höllisch, da muss die Stadt unbedingt Gegensteuer geben. Aber um auf die Frage zu antworten: Ich bin tatsächlich manchmal neidisch auf Länggass-Bewohner*innen, wenn ich dort unterwegs bin, es ist komplett kindisch. Ich liebe es aber, auch nach 14 Jahren in Bern mit dem Velo oder zu Fuss immer mal eine Strasse neu zu entdecken. Meine Streifzüge führen mir oft vor Augen: Wow, wir haben es wirklich schön hier in Bern, und wir meckern grundsätzlich auf hohem Niveau.

Das sind die Zusatzausgaben zum Budget, wie es der Gemeinderat vorgelegt hat:

  • Schützenmatte: Die linke Mehrheit im Rat folgte dem Antrag der Kommission für Soziales, Bildung und Kultur (SBK) und sprach einen Beitrag von 80’000 Franken an den Verein Vorplatz Reitschule. Dieser will den Vorplatz beleben und so präventiv Gewaltfälle verhindern. Das Thema war Anfang Jahr akut geworden, als die Reitschule für kurze Zeit sogar geschlossen blieb, weil die Situation auf der Schützenmatte so schwierig geworden war.  
  • Museumsquartier: Eigentlich hatte das Parlament letztes Jahr in einer Planungserklärung beschlossen, dem Museumsquartier auch in den kommenden Jahren je 75’000 Franken zukommen zu lassen. Doch dieser Betrag war aus dem Budget für nächstes Jahr gestrichen worden. Nun ist er wieder drin. In einem hauchdünnen Entscheid von 34 Ja zu 33 Nein kam der Antrag der zuständigen Kommission SBK durch. Nur die SP hatte geschlossen (mit einer Enthaltung) dafür gestimmt, dazu kamen Stimmen aus dem Grünen Bündnis sowie zwei Stimmen aus der FDP, die schliesslich den Unterschied machten. Auch die Burgergemeinde (150’000 Franken) und der Kanton (75’000) haben die Unterstützung des Museumsquartiers in Aussicht gestellt.
  • Seenotrettung: Wie bereits in den beiden letzten Jahren war die AL/PdA/TiF-Fraktion gemeinsam mit GB und Juso erfolgreich mit dem Antrag, 70’000 Franken für die Seenotrettung auf dem Mittelmeer zu überweisen. Das Geld soll die Stadt Bern an die Organisation Sea Eye spenden. Der Antrag kam dank Unterstützung der SP durch, womit die Stadt Bern wiederum 10 Rettungseinsatztage finanzieren wird.  
  • Gaza: Dieselben Parteien reichten erstmals einen Antrag ein, 70’000 Franken an die UNRWA zu spenden, die den Menschen in Gaza zugute kommen soll. Auch dieser Antrag kam mit vielen Stimmen aus der SP durch.

PS: Der Stadtrat und die Berner Verwaltung führen untereinander die Du-Kultur ein. Das verkündete Ratspräsident Tom Berger (FDP) zur Beginn der Sitzung. Bisher galt die Du-Kultur zwar verwaltungsintern, nicht aber im Dialog mit dem Parlament.

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