Wo ist mein Zebrastreifen?

Sichere Schulwege und eine Prise Entschleunigung. Das versprechen die Begegnungszonen. Im Berner Länggassquartier sieht man aber bei der Umsetzung Verbesserungsbedarf.

Begegnungszone in der Länggasse fotografiert in Bern am 30.08.2023. (Jana Leu)
Bunte Punkte ersetzen Zebrastreifen: Neue Realität in der Begegnungszone. (Bild: Jana Leu)

13 Uhr in der Berner Neufeldstrasse. Eltern transportieren in schnittigen Lastenvelos ihre Kinder zur Schule. Aus den Vorgärten grüssen bunte Fahnen und solider Wohlstand. Aufgeräumte Idylle, der Länggass-Groove. 

Seit diesem Sommer ist die Begegnungszone im Hochfeldquartier Realität. Es gilt Tempo 20 und Fussgänger*innen können an allen Stellen die Strasse queren – weil die zuvor aufgemalten Zebrastreifen entfernt wurden, gibt es unter den Bewohner*innen noch Verunsicherung. Dabei hatte die Stadt bei der Einführung das oberste Ziel ausgegeben, die Verkehrs- und Schulwegsicherheit zu erhöhen.

«Achtung Auto»

Zusammen mit der bereits bestehenden Begegegnungszone in der Länggasse, bildet die Erweiterung im Hochfeld einen grossen, zusammenhängenden verkehrsberuhigten Bereich. Er ging auf einen politischen Vorstoss aus dem Stadtrat sowie auf einen Antrag der Quartierkommission Länggasse Engehalbinsel (QLE) zurück. Planung und Umsetzung kosteten rund 300‘000 Franken. In Bern gibt es rund 120 Begegnungszonen – die Stadt hat entsprechende Verhaltensprinzipien für sie aufgeschrieben. 

An diesem Nachmittag gehen Schulkinder in Zweierreihen in gelben bfu-Westen Richtung Schulhaus. Es befindet sich an der Hochfeldstrasse. «Achtung Auto», ruft eine Frau den Kindern zu. Sie ist Erzieherin in einer Tagesbetreuung und begleitet die Kinder täglich auf ihrem Schulweg. Manchmal gehe sie vier Mal zwischen der Tagesbetreuung und der Schule hin und her, sagt die Frau, welche nicht namentlich genannt werden möchte.

Die neue Begegnungszone habe ihr die Arbeit bislang zumindest noch nicht vereinfacht. Die Zebrastreifen fehlten den Kindern zur Orientierung, sagt die Betreuerin. Ausserdem sei die Begegnungszone ausser durch die Punkte auf dem Asphalt nicht deutlich als solche ausgewiesen. Sie beobachte Autofahrende, denen nicht klar sei, dass Tempo 20 gelte.

Begegnungszone in der Länggasse fotografiert in Bern am 30.08.2023. (Jana Leu)
Im Hochfeldquartier kreuzen sich viele Schulwege. (Bild: Jana Leu)

An der Ecke Ralligweg - Neufeldstrasse läuft an diesem Tag eine Mutter mit ihrem sechsjährigen Sohn an der Hand zur Schule. Ihre Eile kommuniziert sie auf Italienisch. Sie erinnere sich an eine Situation, in der sie ihren Sohn vor einem herannahenden Auto habe zurückziehen müssen. Begegnungszonen seien doch dafür da, dass Kinder in ihnen spielen können, fügt sie an. «Das ist aber hier noch nicht der Fall». Sie schlägt vor, mehr Bremsschwellen zu errichten, so dass Autos und E-Bikes langsamer fahren.

Bedenken

Ein paar hundert Meter weiter in Richtung Neubrückstrasse trägt ein Vater seinen Sohn auf den Schultern und schiebt das zweite schlafende Kind im Wagen vor sich her. «Wir suchen immer noch nach den Zebrastreifen», sagt er. Gerade erst habe er seinem Sohn im Kindergartenalter beigebracht, dass er in der Stadt die Zebrastreifen nutzen solle, aber in seinem Quartier seien sie verschwunden. Er finde die Begegnungszone «grundsätzlich eine gute Sache», warnt aber davor, sich dort zu sehr in Sicherheit zu wiegen.

Begegnungszone in der Länggasse fotografiert in Bern am 30.08.2023. (Jana Leu)
Wenig Raum, viele Interessen: Die Krux bei der urbanen Planung. (Bild: Jana Leu)

Auch der Elternrat Länggasse zeigt sich besorgt, wie Sebastian Dändliker von der Arbeitsgruppe Verkehr darlegt: «Autos und Velos geben den Fussgängern häufig keinen Vortritt». Das sei mit Zebrastreifen besser gewesen. Der Elternrat fordert, dass jetzt nachgebessert werde. «Wir sind schon mit der Stadt im Austausch», so Dändliker. 

Beim städtischen Tiefbauamt heisst es auf Anfrage, dass man derzeit prüfe, wie man die Schulwegsicherheit durch «Sofortmassnahmen» verbessern könne. Generell würden Begegnungszonen aber erst nach einem Jahr auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Dazu gehörten neben Geschwindigkeitsmessungen auch Interviews oder Umfragen mit Nutzenden.

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