Aare, Startup, Asylwesen
News vom Dienstag, Hauptstadt-Brief #495
An diesen heissen Sommertagen bin ich dankbar, in Bern zu wohnen und mich in der Aare abkühlen zu können. In einer Stadt im Fluss zu baden, ist ein Luxus, den man leicht als selbstverständlich nimmt – bis man an einem Ort ist, wo das Wasser braun statt türkisgrün ist.
Auch Influencer auf Instagram und Tiktok haben das «Aare-Floating» entdeckt. In ihren Videos schwärmen sie davon, dass Berner*innen morgens im Badeanzug zur Arbeit treiben – oder abends wieder zurück. Aus Einzelfällen wird so schnell ein allgemeines Bild. Ein Bekannter hat mir erzählt, dass er in Südamerika schon gefragt wurde, ob wirklich alle in Bern so zur Arbeit gehen.
Nun greifen auch internationale Medien wie CNN das Thema auf – und drehen den Regler noch etwas weiter. So entsteht eine hübsche, aber verzerrte Erzählung: eine Stadt, die im Sommer das Auto gegen den Badeanzug tauscht.
Solche Übertreibungen sind harmlos, solange sie nicht Massen von Tourist*innen anlocken. Doch Beispiele wie Lauterbrunnen zeigen, wie schnell ein Ort durch romantisierte Social-Media-Bilder zum überlaufenen Pilgerziel werden kann – mit allen Folgen für Bewohner*innen, Umwelt und Infrastruktur.
- Startup-Drama: Eine Idee, die Leben retten kann – und dann stirbt der Gründer des Medizintechnik-Startups TightValve im letzten Winter in einem Lawinenunglück. Mein Kollege Nicolai Morawitz hat das Startup fast ein Jahr begleitet und erzählt in der eindrücklichen Reportage, wie das Team um den verstorbenen Gründer das Projekt mit allen Kräften weiterverfolgt.
- Regierungsratswahlen: Hervé Gullotti (SP) will für die linken bernjurassischen Parteien für einen Regierungssitz kandidieren. Er wird gegen den bisherigen Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) antreten. Die Kandidatur muss am 27. August, am Parteitag der beiden kantonalen Parteien Grüne und SP, noch offiziell bestätigt werden. Das teilt die Linke des Grand Chasseral mit. Damit treten bei den kantonalen Wahlen im Frühling 2026 voraussichtlich die drei SP-Kandidierenden Gullotti, Evi Allemann und Reto Müller an. Das Das rotgrüne Ticket wird mit einer Grünen-Kandidatur komplettiert. Zur Wahl stellen sich Lena Frank, Aline Trede und Beat Kohler.
- Schulprovisorien: Mit dem gestrigen Schulbeginn wurden auch zwei Schulprovisorien in der Stadt Bern in Betrieb genommen: Am Standort Manuel im Elfenauquartier finden vorübergehend zwei Klassen Platz, auf dem Gaswerkareal zwölf Klassen und eine Tagesbetreuung. Das teilte die Stadt Bern gestern mit. Mein Kollege Nicolai Morawitz hat sich das Schulprovisorium im Marzili-Quartier in der letzten Bauphase im Juli angesehen.
- Asylwesen: In der mittlerweile geschlossenen Kollektivunterkunft Gurnigelbad wurde im August 2024 ein Flüchtlingsbetreuer mit einem Messer angegriffen. Zwei Monate später entliess ihn die Betreiberin der Unterkunft, das Schweizerische Rote Kreuz des Kantons Bern, mit der Begründung, er habe das «Nähe-Distanz-Verhältnis» zu den Bewohnenden grob missachtet und über «politische Themen» diskutiert. Das habe zur Messerattacke geführt. Das decken Bund/BZ in einer Recherche auf. Die Kollektivunterkunft war bereits zuvor umstritten. Schon im Oktober 2023 wurde ihre Schliessung gefordert.
- Strassenfestival: Von Donnerstag bis Samstag fand das Buskers in der Berner Altstadt statt – unter anderem mit der Berner Band Troubas Kater, die unter falschem Namen ihr 10-Jahre-Jubiläum feierte. Die Veranstalter*innen sind zufrieden, wie sie mitteilen. Nach ihren Angaben haben mehrere zehntausend Personen den Anlass besucht.
- Fussball: Die YB-Männer hatten am heissen Sonntagnachmittag kein Glück – der FC Sion aber auch nicht. Es blieb 0:0, trotz Überzahl in der Schlussphase.
- Radsport: Die Berner Velosportlerin Marlen Reusser musste ihre Teilnahme an der Tour de Romandie absagen, wie sie gestern mitteilte. Sie hatte zwei Magen-Darm-Erkrankungen während des Giro d’Italia und unmittelbar vor der Tour de France. Nun trainiert sie für das zweite grosse Saisonziel: die Weltmeisterschaften in Ruanda.
PS: Abtauchen kannst du ab Mittwoch auch in der Grossen Halle: die musikalisch-tänzerische Uraufführung Himinglæva handelt in den Tiefen der Ozeane und ist inspiriert von der nordischen Mythologie und der Verschmutzung der Ozeane.
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