Ampel – «Hauptstadt»-Brief #324

Donnerstag, 30. Mai 2024 – die Themen: Lichtsignal; Museumssanierung; Mobilitäts-App; Stadtberner Wahlen; Kolumnen; Schwimmbadüberwachung; Architekturfestival; Nachfolgesuche in Köniz; Italianità.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Vor wie vielen Ampeln wirst du heute warten – und vor allem: wie lange? Eine der ersten Verkehrsampeln der Welt soll 1868 in London errichtet worden sein. Das gasbetriebene Exemplar explodierte kurze Zeit später und verletzte einen Beamten.

Vor derlei Gefahrenquellen sind wir heute weit gefeit. Moderne Lichtsignale sind nicht explosiv, sondern schlau – zumindest einige von ihnen. Eine smarte Ampel steht zum Beispiel in der Gemeinde Kehrsatz, wo die «Hauptstadt»-Redaktion ab kommendem Montag für eine Aussenwoche arbeiten wird. 

Für mich, als Bewohner der Stadt Bern und leidenschaftlicher Velofahrer, ist die besagte smarte Ampel bislang mein stärkster Berührungspunkt zu Kehrsatz. Ich fürchte, sie hat in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit von mir bekommen als einige meiner Familienmitglieder. Die Ampel hat auch einen Namen: 3122-001. 1985 wurde sie in Betrieb genommen und 2012 gesamterneuert. Das hat mir auf Anfrage die kantonale Verkehrsdirektion geschrieben, in deren Kompetenzbereich das Lichtsignal liegt.

Meine Begegnung mit der Ampel sieht meist so aus: Kurz nachdem ich Wabern hinter mir gelassen habe und die Muskeln langsam Betriebstemperatur erreichen, rolle ich auf der Kehrsatzer Bernstrasse dem Lichtsignal entgegen. Mein grosststädtisch geschultes Veloverhalten sagt mir dann: «Jetzt aber hurtig, schnell über die Ampel, solange sie noch grün ist.»

Doch die Kehrsatzer Ampel tickt anders. Es braucht keinen Sprint –  denn auch gemütlich radelnde Velofahrer*innen winkt die Ampel durch. Möglich mache das eine vorgelagerte Sensorik, welche die Geschwindigkeit der Fahrzeuge erfasse, schreibt die Verkehrsdirektion. Während Velos meist freie Fahrt haben, werden allzu forsche Autofahrer*innen aber durch rotes Licht bestraft. Wer mit über 50 Kilometer pro Stunde fährt, sieht automatisch rot. Die Ampel mahnt zur Ruhe. Manchmal würde ich mir so eine Entschleunigung auch in anderen Bereichen wünschen: bei der technischen Entwicklung, beim Job, in den Gedanken.

Bi räge macht d'söiblueme kei spass
Bi räge macht d'söiblueme kei spass. (Bild: Marion Bernet)

Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:

  • Museum: Das Bernische Historische Museum (BHM) wird zum ersten Mal in seiner 130 Jahre alten Geschichte umfassend saniert. Es gehe um nichts weniger als eine technische Kompletterneuerung und «inhaltliche Neugründung», sagte Stiftungsratspräsident Luc Mentha am Mittwoch vor den Medien. Den Zuschlag für die Gesamterneuerung bekommen die Berner Architekturbüros Arge Bellorini und Kast Kaeppeli. Das runderneuerte BHM erhält einen prominenten Zugang zum neuen Museumsgarten, der wiederum über eine Passage mit dem Helvetiaplatz verbunden ist. Im Inneren sollen unter anderem Räume zusammengeführt werden, so dass Rundgänge in Ausstellungen möglich sind. Der Baustart ist voraussichtlich 2027 – die Arbeiten dürften bis 2031 dauern und sollen rund 85 Millionen Franken kosten. Während der Bauarbeiten bleibt nur die Ausstellungshalle im Erweiterungsbau «Kubus» geöffnet.
  • Stadtberner Wahlen: Die Mitte-Rechts-Koalition für die Gemeinderatswahlen vom November – bestehend aus GLP, FDP, Mitte, SVP und EVP – hat gestern ihre Kampagne mit einem neu erstelltenWeb-Auftritt lanciert. Dabei präsentieren die Parteien auch einen neuen Listen-Namen. Sie treten nun unter dem Titel «Meh Farb für Bärn!» auf. Bisher hiess die Liste «Gemeinsam für Bern». Bei der politischen Positionierung beschränkt sich die neue Liste auf drei Sätze zu den Themen Finanzen, Wohnungsbau und Regierungszusammensetzung.
  • Mobilität: Eigentlich wollten Basel, Bern und Zürich eine gemeinsame App aufbauen, mit der die Planung und Buchung für ÖV-Reisende vereinfacht werden sollte. Man gehe davon aus, dass dafür ein Entwicklungspartner gefunden werden könne, sagte der Sprecher von Bernmobil der «Hauptstadt» erst kürzlich. Doch dem Projekt wird nun der Stecker gezogen. Dies «aufgrund voraussichtlich zu hoher Gesamtkosten», wie die drei Städte am Mittwoch mitteilten.
  • Kolumne: Erfüllt der Berner Münster gar eine ähnliche Funktion wie der Pariser Eiffelturm? Als eine Art Orientierungshilfe im Stadtgewirr? Diese und andere Fragen stellt sich unsere «Bärnoise»-Autorin Patricia Michaud in ihrer neuesten Kolumne en français. Sie verrät ausserdem, warum ein Münster-Jahresabo preislich locker mit jedem Fitness-Studio mithalten kann.
  • Bern in Bildern: Was kommt dabei heraus, wenn eine 35-jährige Fotografin und ihr dreijähriger Sohn mit einer Mini-Polaroidkamera durch den Breitsch spazieren? Eine ziemlich unterhaltsame Bilderserie, wie ich finde. Marion Bernet hat den «Hauptstadt»-Brief durch den Mai begleitet. Zum Abschluss zeigen wir ihre ganze Serie.
  • Schwimmbad: In der Schwimmhalle Neufeld soll das Aufsichtspersonal künftig durch ein technisches Wasserüberwachsungssystem unterstützt werden. Dafür werden in der Decke installierte Kameras genutzt, die Bewegungen aufzeichnen, wie die Stadt heute mitteilt. Konkrete Personen würden jedoch keine erkannt, betont die Stadt. Bereiche wie Umkleidekabinen, Duschkabinen und der Eingang sind von der Massnahme ausgenommen. Stimmt der Stadtrat zu, könnte das System auf die kommende Herbst- oder Wintersaison in Betrieb genommen werden.
  • Architektur: Bern ist schon gebaut, hört man hin und wieder Menschen sagen. Und wie! Möchte ich entgegenhalten. Wir haben nicht die klaren Kanten Zürichs oder die grossen Würfe Basels, aber eine beeindruckende Bandbreite an menschenfreundlichen Bauten. Wie diese genutzt werden, zeigt die Veranstaltung Open House: Zum ersten Mal ermöglicht es am kommenden Wochenende Zugang zu 48 Gebäuden in Bern. Mein Kollege Jürg Steiner hat mit der Wegbereiterin des Projekts, Rahel Gugelmann, gesprochen.
  • Verkehr: Die Autobahn A6 zwischen Bern-Wankdorf und Muri wird ab Sonntagabend erneut für fünf Nächte gesperrt. Das Bundesamt für Strassen werde in der Phase die letzte verbleibende Baustelle beim Sonnenhoftunnel abbauen, schreibt die Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Nach dem Ende der Sommerferien können dann bei Stau die Pannenstreifen genutzt werden. Es erscheint dafür ein grüner Pfeil in einer neu gebauten Anlage.
  • Köniz: Am 22. September wählen die Könizer Stimmberechtigten die Nachfolge des zurücktretenden GLP-Gemeinderats Thomas Brönnimann. Neben den bereits bekannten Kandidaturen von GLP und EVP tritt nun auch die SP an, wie die Partei am Mittwoch mitteilte. Sie schickt  Géraldine Mercedes Boesch, Co-Fraktionspräsidentin im Grossen Gemeinderat, ins Rennen. Die 36-Jährige Boesch arbeitet als Leiterin des Fachbereichs Kultur bei der Regionalkonferenz Bern-Mittelland. Die SP will den 2013 verlorenen zweiten Gemeinderatssitz zurückgewinnen. Wenn ihr das gelänge, hätte die Könizer Regierung eine rot-grüne Mehrheit. 

PS: Der Mai verabschiedet sich mit grauem Himmel – da kann nur ein bisschen Italianità die Stimmung aufheitern. Zum Beispiel mit einem Konzert von «Mercante d’autore» im Café Hueber. Organisiert wird der Anlass von der Kulturvereinigung Pecore Ribelli – los geht es am Freitag um 20 Uhr. Um eine Kollekte wird gebeten.

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