Berufkraut – Hauptstadt-Brief #477

Dienstag, 17. Juni – die Themen: invasive Neophyten; Velohürden; feministischer Streik; Reitschule; Frauenlauf; Tour de Suisse; Spende für Gaza; Könizer Parlament; Könizer Gemeindepräsidentin.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Fährst du die Tage über Land, wirst du überall auf mähende Landwirt*innen treffen. Der Grund: Ökowiesen im Mittelland dürfen erst ab dem 15. Juni gemäht werden, sonst gibt es dafür keine Direktzahlungen. 

Ökowiesen sind diejenigen Wiesen, die nicht gedüngt werden. Darum herrscht dort häufig auch mehr Diversität. Margeriten, Mohnblumen oder Wiesensalbei wachsen. Insekten und Amphibien haben es durch den längeren Mähzyklus leichter, sich fortzupflanzen. So etwa Heuschrecken, die in hoffentlich grosser Zahl herumhüpfen. Es ist eine wichtige Massnahme zum Schutz der lokalen Artenvielfalt.

Nur stelle ich in letzter Zeit eine neue Blume dort fest. Sie ist hübsch anzusehen. Sie sieht ähnlich aus wie eine Margerite, nur die Blüte ist kleiner. Und sie scheint sich schnell auszubreiten. Denn das harmlos aussehende Blümlein mit dem unauffälligen Namen Berufkraut ist ein invasiver Neophyt. Also eine eingeschleppte Art, die sich stark vermehrt.

Jedes Jahr sehe ich mehr davon. Am Wochenende habe ich es sogar zwischen meinen Himbeeren im Garten entdeckt. Das wirklich Fiese daran: Blüht das Berufkraut schon, kann es sich auch im ausgerissenen Zustand noch weiterentwickeln bis zur Samenbildung. Und die Samen können dank ihrer Schirmchen mit dem Wind kilometerweit getragen werden. So verdrängt es immer öfter die einheimischen Pflanzen.

Das Berufkraut in meinem Garten konnte ich samt Wurzel entfernen und in den Müll stecken. In einer Wiese, in der es überall aufploppt, ist das sehr viel schwieriger. Grad gestern, auf dem Velo, sah ich unterwegs unzählige der harmlos aussehenden Blüten. Werden sie nun gemäht, treiben sie in kurzer Zeit wieder aus.

Was tun? Ich habe mir ernsthaft überlegt, Biodiversitäts-Aktivistin zu werden und von jetzt an immer einen Abfallsack mitzuschleppen, um jedes Berufkraut, dem ich begegne, auszuziehen. Hast du bessere Vorschläge? Dann schreib mir doch. Gerne gebe ich die gesammelten Tipps anschliessend weiter.

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Bilderserie von Regine Strub (9/12): Rojava im Mattenhof. (Bild: Regine Strub)

Und das möchte ich dir mit in den Tag geben:

  • Velo-Hürden: Wo wird dir der Alltag von Barrieren erschwert? Diese Frage stellte die «Hauptstadt» in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Medienhaus Correctiv Anfang April. Teilnehmende haben insgesamt 65 Orte als Teil dieser Bürger*innen-Recherche in einer Karte verzeichnet. Erstaunlich viele der Kritikpunkte betreffen den Veloverkehr und nicht die Barrierefreiheit an sich. Mein Kollege Nicolai Morawitz hat sich der bemängelten Orte angenommen. Wenig erstaunlich figuriert der Hirschengraben dabei an erster Stelle. Leider werde die Bahnhofssanierung diesen Engpass noch verschärfen, bevor es dann besser werden sollte, hat er beim Rundgang mit der städtischen Fuss- und Veloverkehrbeauftragten Eva Krattiger erfahren.  
  • Streik: Es war laut, fröhlich und heiss. Am feministischen Streik vom Samstag nahmen in Bern mehr als zehntausend Menschen teil, wie die Agentur sda schreibt. Die Veranstalter*innen sprechen von 35’000 Teilnehmenden. Gefordert wurden unter anderem ein sicherer Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für alle, die gesetzliche Einführung eines dritten Geschlechtseintrags sowie das Recht auf Einbürgerung nach fünf Jahren für alle Migrant*innen.  
  • Reitschule: Während der Tag des feministischen Streiks friedlich verlief, kam es später in der Nacht auf Sonntag bei einer Party zu Unruhen und Verletzten auf dem Vorplatz der Reitschule. Polizist*innen wollten einen mutmasslich gesuchten Mann in der Neubrückstrasse anhalten, der daraufhin Richtung Reitschule floh. Während die Reitschule in einer Stellungnahme auf Instagram betont, dass der Einsatz «ohne Vorwarnung und ohne erkennbare Notlage» erfolgt sei, spricht die Polizei von einem «Angriff auf Einsatzkräfte» und hat nun einen Zeug*innenaufruf veröffentlicht. In einem Beitrag des Regionaljournals kommen beide Seiten zu Wort.
  • Frauenlauf: 12’000 Läuferinnen nahmen am Sonntag am Frauenlauf in Bern teil, unter ihnen auch Bundesrätin und Sportministerin Elisabeth Baume-Schneider. Siegerin der 39. Austragung in der 5-Kilometer-Distanz war die Äthiopierin Dinad Alemtsehay Gemechu, knapp vor den Schweizerinnen Chiara Scherrer und Fabienne Schlumpf.  
  • Tour de Suisse: Marlen Reusser ist zurück. Am Sonntag hat die Berner Radrennfahrerin eindrücklich bewiesen, dass sie sich von ihrer Long-Covid-Erkrankung erholt hat. Sie holte sich bei der Tour de Suisse nicht nur den Sieg der letzten Etappe in Küssnacht am Rigi, sondern damit auch den Gesamtsieg. Es ist ihr zweiter Triumph nach 2023.  
  • Gaza: Die Stadt Bern spendet im Rahmen ihrer Nothilfe 25'000 Franken an «Ärzte ohne Grenzen» zur Unterstützung der Bevölkerung in Gaza. «Ärzte ohne Grenzen» setzt sich mit über 1000 lokalen und internationalen Mitarbeitenden für die Aufrechterhaltung einer rudimentären Gesundheitsversorgung in Spitälern, Zeltspitälern und Gesundheitszentren und für die Verteilung von sauberem Trinkwasser ein.  
  • Köniz I: Die Gemeinde Köniz kann für ihre Angestellten die 41-Stunden-Woche einführen. Das Parlament hat die Teilrevision des Personalreglements gestern ohne Gegenstimme gutgeheissen, wie die Agentur sda berichtet. Bisher müssen die Angestellten in Köniz noch 42 Stunden arbeiten – eine mehr als das Personal in Thun und Biel, zwei mehr als in Bern. Mit der Reduktion der Wochenarbeitszeit will Köniz die Work-Life-Balance verbessern und die Attraktivität der Gemeinde als Arbeitgeberin steigern.  
  • Köniz II: Die Könizer Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP) und ihr Partner David Stampfli haben am Freitag im Schloss Köniz geheiratet, wie die Politikerin gestern auf Instagram bekannt gemacht hat. Es waren intensive Tage für Bauer: Noch am Tag zuvor waren beide im Rathaus, wo sowohl Bauer als auch Stampfli für die SP im Grossen Rat sitzen. Tags darauf nahm sie bereits wieder am feministischen Streik teil, wie die Bilder auf Instagram ebenfalls zeigen.  
  • Gastro-Brief: Bereits haben wir über 10’000 Franken für die Lancierung unseres neuen Gastro-Newsletters gesammelt. Es freut uns, dass die Idee so gut ankommt bei den Hauptstädter*innen. Nur noch knapp 5000 Franken fehlen. Hilfst du mit, unser Ziel noch diese Woche zu erreichen? Übrigens: Falls du 100 Franken oder mehr spendest, wirst du nächsten Montag, 23. Juni, zu Bier & Brezel im Tramdepot eingeladen. Vielen Dank für deine Unterstützung!

PS: Momentan befinden sich 130 junge Opernsänger*innen in Bern. Sie stammen aus 53 Ländern und haben sich für die Endrunden des Internationalen Hans Gabor Belvedere Gesangswettbewerbs qualifiziert. Die beiden Halbfinals finden morgen Mittwoch und am Donnerstag ab 10 Uhr morgens im Stadttheater statt und können kostenlos besucht werden. Der Final ist dann am Samstag.

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Diskussion

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Toni Menninger
17. Juni 2025 um 16:21

Schade dass ihr nichts zum Frauenstreik bringt. Ich hatte den Eindruck, dass keine Journalist:innen vor Ort waren. Null komma Null. Hab ich was übersehen? Wurde in den nationalen Medien berichtet? Die Onlineausgabe des Bund hatte am Montag nichts, auch nicht ganz unten auf der Seite, nichts. Das ist doch unerträglich.