Plastik – «Hauptstadt»-Brief #193

Dienstag, 4. Juli 2023 – die Themen: «Bring Plastic back»; Bauernhof Elfenau; Fifa-Kredite; Ukraine-Fahne am Erlacherhof; Iman Beney; Kulturhof Köniz.

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(Bild: Marc Brunner, Buro Destruct)

Seit dem 1. Juli sammeln wir in unserem Haushalt Plastikabfall in einem separaten Bezahlsack. Joghurtbecher, Shampooflaschen, Fruchtsaftbeutel oder Folien von Früchte- und Gemüseverpackungen sollen nicht mehr mit dem Kehricht verbrannt, sondern dem Recycling zugeführt werden. Köniz, wo ich wohne, gehört zu den paar Dutzend Berner Gemeinden, die sich dem Sammelsystem mit dem holprigen Namen «Bring Plastic back»angeschlossen haben. Im Gegensatz etwa zur Stadt Bern, die bis jetzt ohne zählbares Ergebnis an einem eigenen Farbsack-Trennsystem herumdoktert.

Ich finde gut, was Köniz tut. Die Schweiz liegt beim Kunststoff-Recycling gegenüber anderen europäischen Ländern meilenweit zurück. Endlich bewegt sich etwas. Schade nur, dass das Plastiksammeln bis jetzt von wenig spürbarem kommunikativen Engagement begleitet wird. Man muss schon aktiv die Website durchforsten oder sich eine gedruckte Broschüre besorgen, um zu verstehen, wie man korrekt sammelt und wie das System funktioniert.

Plastik-Recycling wirft sehr viele Fragen auf. Man spart damit zwar Erdöl und vermindert den CO2-Ausstoss. Besser als nichts, meine ich. Allerdings braucht das Recycling auch Energie. Wegen zu geringer Sammelmengen lässt sich in der Schweiz bis jetzt keine Sortieranlage betreiben. Also werden die in Köniz gesammelten Kunststoffe zum Sortieren nach Österreich gefahren und dann zurück in die Ostschweiz, wo man sie zu Granulat verarbeitet, aus dem etwa Plastikhüllen für Kabel entstehen.

Zudem fehlen die separat gesammelten Kunststoffe als Brenngut in den Kehrichtverwertungsanlagen (KVA). Für den Schadstoffausstoss ist das positiv. Aber die KVA liefern die Energie für die Fernwärmenetze, die auch in Bern stark ausgebaut werden, um in dichtbesiedelten Agglomerationen klimaschädliche Ölheizungen zu ersetzen. Schon heute importieren die KVA teilweise Abfall oder verbrennen Gas, um genügend Wärme zu erzeugen.

Ich bin beeindruckt, wie das Plastik-Recycling die Widersprüche offenlegt, in denen wir leben. Noch mehr beeindruckt mich, wie schnell sich zu Hause der Plastik-Sammelsack füllt, während der konventionelle Kehrichtsack fast leer bleibt. Die stille Recycling-Offensive zeigt vor allem eines: Wie wichtig es wäre, Plastik zu vermeiden.

Bern in Bildern - Lilian Salathé Studler 12
Schön geschachtelt. (Bild: Lilian Salathé Studler)

Das möchte ich dir in den Tag mitgeben:

Stadtlandwirtschaft: Die Stadt Bern sucht für den Landwirtschaftsbetrieb in der Elfenau auf Anfang 2025 neue Pächter*innen, die nach «innovativem Konzept und den Kriterien von Bio Suisse» arbeiten sollen. Was bedeutet es, mitten in der Stadt zu bauern? Mein Kollege Nicolai Morawitz hat die Familie Weber besucht, die den speziellen Hof an der Grenze zu Muri seit Jahrzehnten bewirtschaftet und bald verlassen muss.

Fifa-Gelder: Die Stadtregierung will ihre «ethisch-moralische Verantwortung» bei der Aufnahme von Darlehen schriftlich verankern. Das hält sie in ihrer Antwort auf eine Motion von fünf Stadtratsfraktionen fest. Anfang Jahr war bekannt geworden, dass die Stadt mehrfach Kredite beim internationalen Fussballverband Fifa aufgenommen hatte. Der Gemeinderat gibt laut der Nachrichtenagentur Keystone-SDA jedoch auch zu bedenken, dass die Herkunft der Gelder meist nicht bekannt sei, wenn die Fremdmittel bei einer Bank beschafft würden.

Erlacherhof: Am Sitz der Berner Stadtregierung, dem Erlacherhof, flattert aus Solidarität seit 2022 die ukrainische Fahne. Einem aufmerksamen «Hauptstadt»-Leser ist aufgefallen, dass sie dies nicht mehr tut. Tatsächlich wurde sie am 26. Juni eingezogen, wie der städtische Informationsdienst auf Anfrage schreibt. Für den Publikumsanlass zum 175-Jahr-Jubiläum der Bundesverfassung am letzten Wochenende sei sie durch die Schweizer Fahne ersetzt worden. Nach dem 1. August werde die ukrainische Fahne «voraussichtlich wieder gehisst».

Fussball: Gestern gab Nationaltrainerin Inka Grings das Schweizer Kader für die Frauenfussball-WM bekannt, die ab 20. Juli in Australien und Neuseeland stattfindet. Als einzige YB-Spielerin ist Iman Beney dabei, die erst 17-jährig wird und als grosses Talent gilt.

PS: Köniz kann nicht nur Plastiksammeln, sondern auch Musik unter freiem Himmel: Morgen Mittwoch um 20 Uhr sorgt die Klezmer-Band Schlamassel in der sommerlichen Reihe Konzert unter der Linde für rasanten osteuropäischen Sound im Schlosshof.

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Diskussion

Unsere Etikette
Jürg Stucki
04. Juli 2023 um 19:41

... und wenn wir uns auch bloss vor Augen halten, wie unsagbar viel Plastik wir verbrauchen: dann hat sich der Sammelsack bereits gelohnt ...

Pecore Ribelli
04. Juli 2023 um 18:12

Auch in Münchenbuchsee können wir Plastik separat sammeln und entsorgen. Positiv, die Menge der teilnehmenden Haushalte nimmt stetig zu, negativ die Menge der Plastikflut leider auch. Die Verpackungsindustrie und der Handel müssen endlich aufhören alles doppelt dreifach in Plastik zu verpacken.

Adrian Kim
04. Juli 2023 um 11:24

@ Jürg Steiner

Ihr Artikel zum Thema Plastik ist leider offensichtliche Meinungsmache oder aber, er bassiert auf Ihrer Unkenntnis zur Thematik "Plastik". Plastik ist grundsätzlich ein gutes Material. Plastik zu vermeiden löst überhaupt kein Problem. Beim Plastik besteht Grundsätzlich die gleiche Problematik, wie bei der Photovoltaikanlagen, Batterie(Auto, Velo, Speicher, Natel, etc.), Windkraftanlagen, Elektronik und vielen anderen alltäglichen Verbrauchsgegenstände ebenfalls. Vieles davon könnte man theoretisch Recyclen. Entsprechend hat es auch ein Recyclings Sympol oder es wird gesagt, dass man es recyclen kann. Jedoch heisst das noch lange nicht, dass es auch recyclet wird. Meistens ist das recyclen aufwendig, energieintensiv, teuer, etc. Wenn es recyclet wird, dann wird häufig nur ein Teil des Materials wirklich recyclet. Viele Länder verfügen ja nicht mal über ein einfaches Abfallbewirtschaftungssystem. Wie soll hier ein viel komplizierteres recyclingssystem Funktionieren?