Ärztedichte, Trampelpfad, Islamisches Zentrum
News vom Donnerstag – «Hauptstadt»-Brief #511
Wie lebt es sich in Schweizer Städten? Diese Frage beleuchtet eine neue Publikation des Bundesamtes für Statistik. Sie listet ausgewählte Indikatoren zur Lebensqualität in den zehn grössten Schweizer Städten auf. So zum Beispiel die durchschnittliche Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort, bei der Bern im Mittelfeld liegt.
Ich habe die Publikation nach jenen Tabellen und Grafiken durchforstet, bei denen Bern Spitzenwerte erreicht. Dabei zeigt sich folgendes Bild: Viele Berner*innen arbeiten, aber oft Teilzeit. Sie nehmen zudem gerne an Abstimmungen teil. Und Berner*innen können aus relativ vielen Ärzt*innen auswählen und aus mehr Kinositzplätzen als Zürcher*innen.
In Zahlen:
Die Erwerbsquote der Frauen ist in Bern und Zürich mit je über 82 Prozent am höchsten. Sie ist noch leicht tiefer als die der Berner Männer (85 Prozent), die wiederum nur Luzerner und Zürcher Männer (je 86 Prozent) übertreffen.
In Bern arbeiten 28,2 Prozent der Männer Teilzeit (Anteil Erwerbstätige mit Beschäftigungsgrad unter 90%). Das ist mit Abstand der höchste Wert unter allen Städten. Auch der Anteil der Frauen, die Teilzeit arbeiten, ist mit 55,1 Prozent in Bern vergleichsweise hoch.
Berner*innen sind sehr aktive Stimmbürger*innen. Zwischen 2020 und 2024 lag die durchschnittliche Stimm- und Wahlbeteiligung bei den eidgenössischen Traktanden in Bern bei 55,8 Prozent. Das ist der höchste Wert der zehn Städte, die im Durchschnitt eine Beteiligung von 50 Prozent ausweisen.
Bern ist Ärzte-Hauptstadt. 2023 gab es in Bern 18,3 Ärzt*innen pro 1000 Einwohnende. Durchschnittlich lag diese Quote in den zehn Kernstädten bei etwas mehr als 11.
Kino-Hauptstadt hingegen ist Biel mit 42 Sitzplätzen pro 1000 Einwohnende. Bern liegt mit 30 Plätzen auf Platz drei. Damit liegt die Bundesstadt aber deutlich vor Zürich, das nur noch über 22 Sitzplätze pro 1000 Einwohner*innen verfügt.
Nicht aufgeführt wurde in der Statistik-Publikation die Anzahl Freibad-Eintritte pro Einwohnende. Auch hier wäre Bern wohl vorne dabei. Doch dazu weiter unten im Brief.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Bildung: Mit einer VR-Brille die italienische Schweiz bereisen und dabei die Sprache lernen – die Idee einer Berner Italienischlehrerin ist nun Realität. Die Fachhochschule Graubünden hat nach Input der Lehrerin eine virtuelle Lernreise ins Tessin kreiert, wie mein Kollege Nicolai Morawitz im Porträt dieses Bildungsprojekts aufzeigt. Nun können solche Brillen in der Mediothek der PH Bern ausgeliehen werden.
- Rekord: Berns Freibäder haben 2025 so viele Gäst*innen empfangen wie noch nie. Insgesamt zählten die Anlagen bis zum Saisonende am 14. September knapp 1,8 Millionen Eintritte, wie die Stadt Bern gestern mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies eine Zunahme um rund elf Prozent. Der bisherige Höchstwert aus dem Sommer 2022 wurde um 128’818 Eintritte übertroffen – und dies, obschon die Ka-We-De wegen einer Sanierung geschlossen blieb. Das Marzili verzeichnete mit über 895’000 Eintritten einen neuen Rekord, obwohl die Saison dort wegen Bauarbeiten schon Anfang September zu Ende ging.
- Islamisches Zentrum: Das kirchliche Gemeinschaftszentrum Treffpunkt Wittigkofen der Kirchgemeinde Petrus soll an die Stiftung Islamisches Zentrum Bern verkauft werden. Das teilten die Immobiliengesellschaft der Evangelisch-reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern und die Stiftung Islamisches Zentrum Bern gestern gemeinsam mit. Eine Absichtserklärung zum Verkauf und zur künftigen Nutzung des Treffpunkts Wittigkofen wurde unterzeichnet. Geplanter Vollzug ist 2026. Mit der Vereinbarung sichere das Islamische Zentrum Bern der Gesamtkirchgemeinde zu, langfristig Räume im Erdgeschoss mieten zu können. Es werde der Weg für einen neuen Ort der Begegnung geebnet, der den «interreligiösen Dialog» stärke, heisst es in der Medienmitteilung.
- Quartierküche: Im ehemaligen Spital Tiefenau will die Stadt Bern eine Küche zur Produktion von Mahlzeiten für die Tagesbetreuung einrichten. Der Grund ist laut Medienmitteilung die steigende Anzahl Schulkinder. Da der zusätzliche städtische Bedarf zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme zu tief sei, um die Küche rentabel zu bewirtschaften, werde sie für die ersten rund zwei Betriebsjahre an die Domicil Bern AG vermietet. Das Bauprojekt kostet 7,8 Millionen Franken und wird wohl im Frühjahr 2026 dem Stimmvolk vorgelegt.
- Trampelpfad: An der Aare zwischen Muribad und Auguetbrücke ist ein Trampelpfad von Erosion bedroht. Der Gemeinderat von Muri will nun wissen, wie sich das Parlament das weitere Vorgehen vorstellt. Geplant ist eine Konsultativabstimmung, wie die Gemeinde gestern mitteilte. Eine Petition mit rund 1500 Unterschriften verlangt, dass die Gemeinde beim Kanton eine Voranfrage für ein Sicherungsprojekt für den Pfad einreicht. Gemäss Gemeindebehörden widerspricht eine bauliche Sicherung jedoch dem kantonalen Wasserbauplan von 2012. Der Muriger Gemeinderat verfolgt seinerseits die Idee eines «Ersatz-Trampelpfads» auf der neuen Hangsicherung.
- Schanze: Die Kleine Schanze in Bern ist nach der Sanierung wieder vollständig zugänglich. Die Parkanlage biete nun mehr Barrierefreiheit, zusätzlichen Schatten und ein erneuertes Parkcafé, teilte die Stadt am Dienstag mit. Bei der Sanierung habe Stadtgrün Bern Wert auf die Schonung der Ressourcen gelegt. So werde für die automatische Bewässerung der Rasenflächen neu das überschüssige Wasser des Ententeichs genutzt.
- Velokurier*innen: Die Familie Wiesner Gastronomie (FWG) – bekannt mit den asiatischen Restaurants Nooch, Negishi oder Miss Miu – streicht schweizweit ihre 120 Velokurier-Stellen. Davon sind 39 in der Stadt Bern betroffen. Der eigene Lieferdienst könne nicht mehr rentabel geführt werden, begründet Daniel Wiesner den Entscheid in der Medienmitteilung. Das Essen könne man aber weiterhin über Plattformen von Drittanbietern bestellen. Uber Eats oder Eat.ch liefern dann aus.
- Luchs: Der Kanton Bern hat eine Abschussverfügung für den Luchs B903 im Kandertal erlassen. Laut Mitteilung der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion habe der Luchs seit Mitte Juni mehrere Schafe und Ziegen gerissen, zuletzt am 6. September zwei Geissen. Nach Einschätzung des Jagdinspektorats habe er zunehmend Nutztiere getötet.
PS: Von heute bis Samstag ist in der Cinématte das Festival Filme für die Erde zu Gast. Neben sechs Filmen zu ökologischen Aspekten sind auch Poetry Slam und Fachinputs von Expert*innen geplant.
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