Überbauung, Stadtrat, Mietsenkung
News vom Samstag – Hauptstadt-Brief #509.
Zehn Jahre ist es her: Ich war neu in Bern und fuhr zum ersten Mal durch die Strassen der Länggasse, des Obstbergs oder Mattenhofs mit dem Velo. Da ertappte ich mich beim Gedanken: Hier wohnen ja wirklich Menschen in freistehenden Einfamilienhäusern – und das mitten in der Stadt.
Dieser Gedanke war nicht von Neid erfüllt, sondern von Erstaunen. Ich hatte zuvor in Wien, Brüssel oder Lugano gelebt. An solch idyllische, dörflich anmutende Bilder im vermeintlich urbanen Raum war mein Auge schlicht nicht gewöhnt.
Natürlich sind in der Zwischenzeit im Holliger, an der Huebergass oder Thunstrasse Überbauungen entstanden – und ja: ich war auch schon in Bümpliz und Wittigkofen im 15. Stock.
Aber diese Eigentümlichkeit des Berner Wohnens bleibt in meinen Augen bestehen und regt mich zum Nachdenken an – vor allem in Zeiten steigender Bevölkerungszahlen und knapper werdendem Wohnraum.
Überspitzt gefragt: Muss das Dorf Stadt werden, damit die Stadt Dorf bleiben kann?
Diese Frage drängt sich auf, wenn ich nach Hinterkappelen blicke. Die Bevölkerung stimmt dort Ende September über die Einzonung für die Sahlimatte-Überbauung ab. 67 Wohneinheiten sollen entstehen.
Nicht alle sind einverstanden, wie meine Kollegin Jana Schmid recherchiert hat. In den Augen der IG Dorfstrasse sind die geplanten Gebäude zu hoch und die Überbauung ist zu dicht – eben zu «urban», wie es eine Gegnerin im Artikel meiner Kollegin sagt.
Die Gemeinde Wohlen, zu der Hinterkappelen gehört, führt dagegen ins Feld, dass durchmischter Wohnraum dringend benötigt werde. Und bezahlbare Wohnungen für Familien in Stadtnähe seien nunmal gesucht.
Am 28. September hat die Stimmbevölkerung das letzte Wort.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Stadtrat: Die SP, die mit Abstand grösste Partei im Parlament, scheint tatsächlich gewillt, das Budget 2026 nicht in die roten Zahlen fallen zu lassen. Das bestätigte sich am Donnerstag im ersten Teil der diesjährigen Budgetdebatte. Erste Verliererin dieses Kurses: die städtische Ombudsstelle. Diese wollte nächstes Jahr ihr 30-Jahr-Jubiläum mit einer Feier für 40’000 Franken begehen. Die FDP reichte einen Kürzungsantrag ein, der – mit den Stimmen der SP – angenommen wurde. Was sonst noch entschieden wurde, kannst du im neuesten Stadtratbrief meiner Kollegin Marina Bolzli nachlesen.
- Vierfeld-Überbauung: Neue Untersuchungen weisen auf dem Berner Viererfeld eine Belastung mit gesundheitsschädlichen «Ewigkeitschemikalien» – sogenannten PFAS – nach. Das ist eine Folge der Düngung mit Klärschlamm, wie BZ/Bund (Abo) am Freitag schreiben. Wie teuer eine allfällige Sanierung wäre und ob sie den für 2030 geplanten Baustart weiter verzögere, sei noch offen. Die Stadt plant auf dem Areal den Bau von rund 1100 Wohnungen. Schon mehrfach musste die Regierung für das städtebauliche «Jahrhundertprojekt» Terminverzögerungen bekanntgeben – zuletzt Anfang 2025.
- Mandatseinkünfte: Die Berner Nationalrätin Ursula Zybach (SP) hat von der Organisation Lobbywatch verlangt, die von ihr 2023 selber deklarierten Daten zu ihren Einkünften aus Mandaten zu löschen. Zybach stört sich daran, dass nur ein Teil des Parlaments transparent sei und Parlamentarier mit «gewichtigen Einkünften» diese nicht offenlegen. Lobbywatch kritisiert den Rückzug Zybachs in einer Mitteilung. Sie schwäche damit den gesellschaftlichen Druck auf diejenigen, die intransparent bleiben wollten.
- Konzertabsage gefordert: Der amerikanische Musiker Marilyn Manson soll am 22. November in der Berner Festhalle auftreten. Dagegen regt sich nun Widerstand: Juso, SP, Grüne und die Frauenorganisationen Frieda und Brava fordern in einem offenen Brief den Veranstalter auf, das Konzert abzusagen – die dazugehörige Petition ist unterdessen von über 300 Personen unterzeichnet worden. Manson habe wiederholt Gewaltdarstellungen und frauenverachtende Inhalte verbreitet. Ausserdem werde ihm sexueller und psychischer Missbrauch sowie Nötigung, Körperverletzung und Menschenhandel vorgeworfen.
- Mietsenkung: Die Mieten für städtische Wohnungen in Bern sinken ab Februar 2026 um durchschnittlich rund 1,1 Prozent. Grund dafür ist die Senkung des Referenzzinssatzes für Hypotheken um 0,25 Prozent. Immobilien Stadt Bern werde diese Senkung ihren Mieter*innen weitergeben, teilte diese gestern mit. Als sich der Referenzzinsatz 2023 in die andere Richtung entwickelt hatte und um 0,25 Prozent stieg, hatte die Stadt die Mieten für städtische Wohnungen um durchschnittlich sechs Prozent erhöht. Insgesamt befinden sich rund 2’400 Wohnungen in städtischem Besitz.
- YB: Der BSC YB organisiert in Zusammenarbeit mit dem FC Breitenrain und dem Fussballverband Bern/Jura (FVBJ) am Sonntag den ersten offiziellen Berner Frauenfussballtag auf dem Sportplatz Spitalacker im Breitenrain. Um 14 Uhr steht das erste Liga-Heimspiel der Saison der YB Frauen auf dem Programm. Vorher und nachher treten Mädchen- und Frauenteams gegeneinander an. Die Veranstalter*innen haben sich zum Ziel gesetzt, den Schwung der Frauen-Europameisterschaft mitzunehmen und dem Frauenfussball in Bern weiteren Schub zu verleihen.
- Kunstmuseum: Das Kantonsparlament hat in dieser Woche einen Planungskredit von 15,7 Millionen Franken für die Sanierung und Erweiterung des Berner Kunstmuseums gesprochen. Die Gegner des Projekts aus den Reihen von SVP, EDU und GLP lancieren dagegen nun ein Referendum, wie BZ/Bund (Abo) schreiben. Die Gegner*innen finden das Projekt zu teuer und befürchten, dass die Kantonsregierung das festgelegte Kostendach von 81 Millionen Franken an Staatsgeldern überschreiten wird. Das Kunstmuseum möchte die Sanierung zwischen 2029 und 2033 durchführen.
PS: Die Europäischen Tage des Denkmals laden an diesem Wochenende auch in Bern zu Veranstaltungen ein. Zum Beispiel im Käfigturm, der Heiliggeistkirche oder im Brunnhaus Brunnmatt.
Ohne Dich geht es nicht
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Das unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Das geht nur dank den Hauptstädter*innen. Sie wissen, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht und ermöglichen so leser*innenfinanzierten und werbefreien Berner Journalismus. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 3’000 Menschen dabei. Damit wir auch in Zukunft noch professionellen Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 3’500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die «Hauptstadt» und für die Zukunft des Berner Journalismus. Mit nur 10 Franken pro Monat bist du dabei!