Im Tram – «Hauptstadt»-Brief #232
Dienstag, 17. Oktober 2023 – die Themen: Bernmobil; Solidarität; Pop-up-Boom; Wählen: Evi Allemann; Heinz Hänni; Kitchen-Battle.
Bis gestern hätte ich nie gedacht, dass ein Berner Tram und ein guter Wein einiges gemeinsam haben. Doch dann fuhr ich mit dem neuesten Komposition, die Bernmobil ab Anfang November zuerst auf der Linie 7 (Bümpliz-Ostring) einsetzen wird. Und ich lernte: Während ein exzellenter Primitivo mit samtigem Abgang glänzt, überzeugt ein modernes Tram mit sandiger Beschleunigung.
Das in gewohnt roter Farbe gehaltene Zukunftstram verfügt über so ausbalancierte Fahrwerke, dass es mehr schwebt als rollt. Weichen spürt man kaum mehr. Wir glitten auf der gestrigen Medienfahrt schwerelos über die Kornhausbrücke, und als der Wagenführer nach dem Viktoriaplatz beschleunigte, fühlte es sich für einen Augenblick so kraftvoll an, als würde ein geschliffener Sandstein drehen. Dasselbe beim Abbremsen. Kein billiges Quietschen, sondern ein kunstvolles Knirschen. Edel wie ein Spitzenwein.
27 dieser Niederflur-Trams nimmt Bern bis 2025 in Betrieb, es ist mit 130 Millionen Franken die grösste Investition, die Bernmobil je tätigte. Sie ersetzen unter anderem auf der Linie nach Worb insgesamt 21 Trams, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Vorraussichtlich werden einige ausrangierte Kompositionen aber in der ukrainischen Stadt Lwiw weiterbetrieben.
Am Tag der offenen Tür in zehn Tagen im Bernmobil-Depot kann man sich von nah überzeugen, dass die neuen Trams für Berner Verhältnisse fast revolutionäre Züge aufweisen. 20 von ihnen haben Türen auf beiden Seiten sowie hinten und vorne einen Führer*innenstand. Es sind Zweirichtungstrams, die keine Schienenschlaufe brauchen, um zu wenden. Jahrelang tobte in Bern ein Richtungsstreit darüber, ob man das grössere Platzangebot in den traditionellen Berner Einrichtungstrams der betrieblichen Flexibilität der Zweirichtungstrams opfern wolle. Jetzt wagte Bernmobil den Tabubruch. Das Resultat davon fährt bald regulär durch Stadt und Agglo.
Tramfahren beruhigt, sagte mir der Tramführer der gestrigen Fahrt. Seine Pulsuhr zeige jedenfalls im Tram eine deutlich tiefere Frequenz an, als wenn er einen Bus steuere. Mir bescherte die Fahrt im neuen Tram ebenfalls gute Laune. Zwar gibt es weniger Sitze als bis jetzt, und sie sind erst noch aus hartem Holz. Aber ich glaube, so wirkt der sandige Abgang des neuen Trams intensiver.
Das finde ich heute wichtig:
Israel: Trotz Sicherheitsbedenken werden in Bern Solidaritätsveranstaltungen im Zusammenhang mit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel organisiert. Gestern Abend fand in der Berner Synagoge eine für die Opfer des Terrors statt, während der SVP-Bundesrat Albert Rösti seine Solidarität «mit Israel und den Schweizer Juden» ausdrückte. Wie das Magazin Tachles schreibt, irritierte die israelische Botschafterin mit einem emotionalen Auftritt. Heute Dienstag um 18.30 Uhr lädt das Haus der Religionen zu einemöffentlichen «Anlass der Besinnung». Neben Stadtpräsident Alec von Graffenried äussern sich Jehoshua Ahrens, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Bern, und Ramadan Shabani, Imam des islamischen Vereins Bern.
Pop-Up: Die charmanten Berner Pop-Up-Bars blühen auch im Winterhalbjahr. In den letzten Tagen haben drei neue Lokale ihren Betrieb aufgenommen, unter anderen miaut auch «Kater Karlo» wieder, diesmal im Postparc. Meine Kollegin Andrea von Däniken hat sich die Szene genauer angeschaut. Sie stellt fest: Hinter verschiedenen Pop-Ups stecken oft dieselben Betreiber*innen. Und: Obschon alles gebastelt wirkt, ist es doch ein knallhartes Geschäft.
Wählen: Heute Dienstag müsstest du den Umschlag mit deinen Wahlunterlagen einwerfen, damit er mit B-Post rechtzeitig auf der Gemeinde eintrifft. Mithilfe der Wahlanleitung meines Kollegen Joël Widmer füllst du die Wahlzettel ziemlich schnell aus. Eine andere Variante: Du besuchst heute Abend, 20 Uhr, im Berner Kulturcasino die Polit-Show «Alles wird gut» des Kabarettisten Michael Elsener. Mit dieser Motivationsspritze kannst du auch im letzten Moment noch wählen.
Bundesrat: Die Berner SP-Regierungsrätin Evi Allemann (45) will als Nachfolgerin von Alain Berset in die Landesregierung. Nachdem sie vor einem Jahr nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga von ihrer Partei nicht offiziell nominiert worden war, stehen ihre Chancen diesmal wohl besser. Sie habe wie vor einem Jahr immer noch grosse Lust auf Regierungsarbeit auf höchster Ebene, sagte Allemann vor den Medien. Neben Beat Jans, Daniel Jositsch, Matthias Aebischer, Jon Pult und Roger Nordmann ist sie die einzige Frau, die sich bisher zur Verfügung stellt.
Gesundheitswesen: Der Berner Ökonom Heinz Hänni (71) hat als Verwaltungsratspräsident der Domicil AG für Alters- und Pflegeeinrichtungen die Fusion mit der Spitex Bern vorangetrieben. Dafür hat ihm die Sektion Bern des Handels- und Industrievereins (HIV) gestern den Berner Wirtschaftspreis 2023 verliehen.
PS: Im Team um die Wette kochen für einen guten Zweck: Das ist die Idee des Kitchen-Battle, der von Donnerstag bis Samstag abends in der Grossen Halle neben der Reitschule abgeht. Der Erlös geht an Cuisine sans frontières, die in Krisengebieten gastronomische Treffpunkt zur Versöhnung aufbaut. Was hat die Welt im Moment nötiger?