Das liebe Geld

Die Stadtberner Stimmberechtigten haben das Budget 2023 trotz bürgerlicher Nein-Kampagne angenommen. Also alles klar mit den städtischen Finanzen? Nein.

Flieger Papierflieger Kurzmeldung
(Bild: Silja Elsener)

Das Budget 2023 der Stadt Bern ist gültig. Die Stadt kann nächstes Jahr Geld ausgeben wie geplant und in Kauf nehmen, dass Ende 2023 ein Defizit von 35 Millionen Franken zurückbleibt, sowie die Schulden um 70 Millionen Franken steigen. 

Knapp 56 Prozent der Stimmberechtigten sind – nach ruppigem Abstimmungskampf – mit diesem finanziellen Kurs einverstanden, wobei die Stimmbeteiligung bloss 33 Prozent betrug. Da nur rund 75 Prozent der Stadtbevölkerung stimmberechtigt sind und bloss ein Drittel davon an die Urne ging, bedeuten 56 Prozent Zustimmung: Höchstens jeder siebte Mensch, der in der Stadt lebt, drückte die Zustimmung zu diesem Budget aktiv aus

Bemerkenswert ist, dass die Stadtteile Kirchenfeld-Schosshalde und Bümpliz-Oberbottigen den Voranschlag ablehnten. Zudem: In den letzten 22 Jahren war die Zustimmung nie tiefer als jetzt. Speziell am Budget 2023 ist überdies, dass Einnahmen vorgesehen sind, die nächstes Jahr kaum fliessen werden: Über die Erhöhung der Parkgebühren wird wohl erst im Juni abgestimmt, und bei der Feuerwehrersatzabgabe ist nicht einmal sicher, ob sie die zweite Lesung im Stadtrat übersteht.

«Noch» ohne Steuererhöhung

Die Parteien beurteilen das Abstimmungsresultat so unterschiedlich, dass man als Laie wenig damit anfangen kann: Das Grüne Bündnis sieht die Stadt finanziell auf solider Basis und das «deutliche» Ja als Bestätigung für «unabdingbare Investitionen in Klimamassnahmen, bezahlbaren Wohnraum und Bekämpfung der Armut».

Das bürgerliche Gegner*innen-Komitee hingegen findet, der «hohe Nein-Anteil» sei als «gelbe Karte» der Bevölkerung an die rot-grüne Mehrheit zu interpretieren, die es nicht schaffe, sich trotz starker Zunahme der Steuereinnahmen bei den Ausgaben so zu mässigen, dass schwarze Zahlen resultieren. 

In dieser Situation schafft am ehesten Klarheit, Finanzdirektor Michael Aebersold (SP) genau zuzuhören. Er hielt sich nach Bekanntwerden des für ihn positiven Resultats nicht lange mit Jubilieren auf, sondern wiederholte sein Mantra, das er in immer dringlicherem Ton vorträgt: Die Stadt stehe vor grossen finanziellen Herausforderungen, namentlich der hohe Investitionsbedarf bereite ihm Sorgen, weil man dafür Überschüsse bräuchte, um ihn vernünftig zu finanzieren.

Aebersold, zweifellos ein lupenreiner Linker, tönte im Erlacherhof wie ein Bürgerlicher, der Rote und Grüne ermahnt, endlich die eigenen Ansprüche an den Ausbaugrad der städtischen Dienstleistungen zu hinterfragen. «Noch» glaube er daran, dass die Stadt die finanzielle Kurve ohne Steuererhöhung kratze. Aber nur, wenn man auch für die Jahre 2024 bis 2027 «mit rigiden Vorgaben» budgetiere. Übersetzt bedeutet das wohl: Wenn man nicht wie bisher «Entlastungsprogramme» mit steigenden Ausgaben, sondern Sparpakete schnürt.

«Hat Michael Aebersold auch gesagt, wo die Regierungsmehrheit sparen will?», das fragte sich FDP-Stadträtin Florence Schmid leicht ironisch in der Novemberkälte vor dem Erlacherhof. Es dürfte die prägende politische Frage der nächsten Jahre in der Stadt Bern werden.

Daran ändert das Ja vom Sonntag nichts.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren