Wer sät, der erntet

Ein fünfköpfiges Team will ab kommendem Jahr auf dem Elfenauhof Biolandwirtschaft betreiben. Die «Hauptstadt» hat die Pächter*innen bei den Vorbereitungen getroffen.

Impressionen der neuen Pächter*innen des Elfenauhofs in Bern, aufgenommen am 15.09.2024 für hauptstadt.be
Die fünf neuen Pächter*innen: Toya Bezzola, Sabrina Furrer, Mélanie Lehmann, Benjamin Knoll und Mila Laager (von links nach rechts). (Bild: Daniel Bürgin)

Und dann wird es auf einmal konkret. Fünf Menschen streifen über Kieswege durch die Berner Elfenau – nicht etwa als Spaziergänger*innen, sondern als Pächter*innen in spe des städtischen Elfenauhofs. «Das fühlt sich gut an», sagt Benjamin Knoll, 42 Jahre alt. Einige Zeit musste sich das Team gedulden, bis endlich grünes Licht von der Stadt kam. In einem neunmonatigen Auswahlverfahren konnten sich Sabrina Furrer, Mila Laager, Benjamin Knoll, Mélanie Lehmann und Toya Bezzola am Ende gegen drei andere Teams durchsetzen.

Das Land, auf dem sie an diesem Sonntagnachmittag stehen, ist ab Januar ihr Spielfeld, ihr Einflussbereich und ihre Lebensgrundlage. Wie sind die Böden beschaffen, wie ist der Sonneneinfall, von wo kommen Besucher*innen durchs Areal? Das sind mit einem Mal keine theoretischen Fragen mehr, sondern sie sind matchentscheidend für das Gelingen des gesamten Unternehmens. 

Die fünf lernten sich auf der Hofbesichtigung im Rahmen der Bewerbung kennen. In rund drei Monaten übernehmen die zwischen 27 und 42 Jahre alten Pächter*innen das Zepter. Schon jetzt steht fest, dass der Elfenauhof kein Hof wie jeder andere ist – und die Pacht eine neue Ära darstellt. 

Impressionen der neuen Pächter*innen des Elfenauhofs in Bern, aufgenommen am 15.09.2024 für hauptstadt.be
Von Wiesen umgeben, aber mit dem ÖV nur rund 10 Minuten von der Innenstadt entfernt: Der Elfenauhof. (Bild: Daniel Bürgin)

Nach vier Generationen mit der gleichen Pächterfamilie übernimmt nun eine vergleichsweise junge Gruppe das Ruder, die für eine «zugängliche und enkeltaugliche Landwirtschaft» in Bern eintreten will. Konkret bedeutet das, dass auf dem Hof wieder Viehzucht, Ackerbau und Gemüseanbau betrieben wird. Ihr Vorgänger Hansueli Weber verkaufte zuletzt noch Dinkelkorn und Heu. Er hatte sich von anderen Teilen der Landwirtschaft bereits früher verabschiedet.

Gelingt der Spagat?

Eingebettet in ein Wohnquartier und ein Naherholungsgebiet, das zu den schützenswerten Ortsbildern der Schweiz zählt, birgt das Unternehmen «Elfenauhof» einige Herausforderungen. Das liegt auch an seiner Besitzerin, der Stadt Bern.

Diese hat schon in der Ausschreibung festgelegt, dass der Pachtbetrieb finanziell selbsttragend sein und hohe Nachhaltigkeitskriterien erfüllen muss – möglichst in Demeter- oder Bio-Knospe-Qualität.

Doch die hohen Ansprüche gehen auch mit grossen Chancen einher: Für junge, landwirtschaftlich geschulte Menschen, die keinen Betrieb in der Familie übernehmen können, ist der stadtnahe Elfenauhof eine Chance, die sich sehr wahrscheinlich nur einmal im Leben bietet. «Als junges Team eine solche Pacht anzutreten, ist super», sagt Mélanie Lehmann auf dem Rundgang. Sie ist Co-Geschäftsleiter*in und steckt mitten in den Vorbereitungen – denn das landwirtschaftliche Jahr beginnt nicht mit dem Stichtag erster Januar, sondern vorher. Im Oktober wolle man bereits Hafer ansäen, ausserdem ist auf zweieinhalb Hektar Dinkel- und Weizenanbau geplant. «Daraus wird einmal Elfenaubrot gebacken», hofft Lehmann.

Viehwirtschaft und Ackerbau

Parallel laufen die Vorbereitungen für den Gemüseanbau, so die Landwirtin. Die Pächter*innen betreten damit, wie in so vielen Bereichen, Neuland. 

Impressionen der neuen Pächter*innen des Elfenauhofs in Bern, aufgenommen am 15.09.2024 für hauptstadt.be
Sabrina Furrer ist Teil des neuen Pächter-Teams. (Bild: Daniel Bürgin)

Sabrina Furrer steht vor der «Manuelmatte» – einer grossen Grünfläche zwischen Hof und Wohnquartier. Die Sonderpädagogin und Permakulturexpertin ist federführend beim Gemüseanbau. Auf der Manuelmatte – Furrer ruft sie bereits freundschaftlich «Manuela» – soll auf einem halben Hektar Gemüse angebaut werden.  Das Besondere dabei: Furrer und ihre Kolleg*innen setzen auf das Selbsternte-Prinzip. Interessierte können beim Hof ein Gemüseabo lösen und dann selber Salat und Kohlrabi ernten. Wer weniger zahlen möchte, kann auch das Unkraut-Jäten selber übernehmen. Im Frühjahr werde sie damit beginnen, Beete anzulegen, sagt Furrer. Ausserdem soll ein Kasten mit Werkzeugen bereitgestellt werden und eine neue Leitung die Wasserversorgung sicherstellen. Wie viel Gemüse letztendlich gesetzt wird, liegt auch an den Anmeldezahlen für das Abo. Unweit von den Gemüsebeeten sollen auch Schnittblumen wachsen – das Projekt und der Verkauf sind in der Verantwortung von Mila Laager, die sich auch um alle Biodiversitäts-Themen auf dem Hof kümmert.

Impressionen der neuen Pächter*innen des Elfenauhofs in Bern, aufgenommen am 15.09.2024 für hauptstadt.be
Mila Laager und Mélanie Lehmann werden schon bald mit schwerem Gerät ausrücken. (Bild: Daniel Bürgin)

Bei Vorhaben wie diesen müssen die Pächter*innen schon jetzt in Vorleistung treten und zum Beispiel Saatgut oder Setzlinge kaufen, obwohl sie wahrscheinlich erst in einem Jahr eine Ernte einfahren können. Das harte Los der Landwirtschaft – für den Elfenauhof aber noch mit einer zusätzlichen Schwierigkeit behaftet.

Vom Silo zum Startup

«Wir funktionieren wie ein klassisches Startup», sagt Toya Bezzola, die sich beim Hof um Kommunikation und Vermarktung kümmert. «Wir müssen verschiedene Geschäftszweige gleichzeitig aufbauen.» Das erfordere eine gute Priorisierung und ein wenig Demut: «Wir können nicht alles auf einmal schaffen». 

Die neue Hof-Crew hat auf ihrem Elfenau-Rundgang unterdessen das «Grüne Klassenzimmer» erreicht. Dort, wo ansonsten Primarschulklassen die Natur entdecken, treffen sich die fünf an dem Wochenende für eine Retraite. 

Impressionen der neuen Pächter*innen des Elfenauhofs in Bern, aufgenommen am 15.09.2024 für hauptstadt.be
Zwischen Bialetti und Brotboxen: Das «Grüne Klassenzimmer» als Planungszentrale. (Bild: Daniel Bürgin)

Zwischen Kaffeetassen, Holzbänken und Gartenwerkzeugen erstellen sie ihre To-Do-Listen. Und die sind bis zum Pachtantritt noch ziemlich lang: Das Hof-Team plant neben der Selbsternte auch, Produkte eigenständig zu vermarkten, im ersten Jahr den Stall für die Kühe umzubauen und Schafe anzuschaffen.

Und dann soll es bauliche Veränderungen geben: «Die Silos sollen wegkommen», so Bezzola. Ziel sei es, einen Auslauf für Kühe zu schaffen. Auch das Wohnhaus auf dem Areal muss saniert werden.

Reicht das Geld?

Die Pächter*innen schätzen ihre Anfangsinvestitionen für den Betriebsaufbau auf rund 250’000 Franken. Diese müssen über Darlehen und Spenden gedeckt werden. Voraussichtlich gibt es auch einen finanziellen Zustupf durch die Stadt – insbesondere bei der Anpassung der Infrastruktur an die Bio-Richtlinien.

Impressionen der neuen Pächter*innen des Elfenauhofs in Bern, aufgenommen am 15.09.2024 für hauptstadt.be
Die anstehenden Umbauarbeiten betreffen unter anderem das Stallgebäude. (Bild: Daniel Bürgin)

Die fünf gehen bei der Suche nach Finanzen auch unkonventionelle Wege – zumindest im landwirtschaftlichen Milieu: Über «direkte Investitionshilfen» können Interessierte zum Beispiel einen Teil eines Traktors, eines Einachsers oder Geräte für den Gemüsebau finanzieren. Laut den Pächter*innen haben schon 15 Personen aus dem Quartier auf diese Weise ihre Unterstützung zugesichert. Vier Team-Mitglieder sind ausserdem direktzahlungsberechtigt, wobei der erhaltene Betrag nur nur den Pachtzins und einen minimalen Beitrag an den Betrieb abdecken wird.

Während die Gruppe an der einen Stelle noch Zahlen wälzt, versucht sie an anderer Stelle  ihre Fühler im Quartier auszustrecken: Die Hostet-Gruppe, eine Bauernhof-Kita und Imker*innen waren schon vorher auf dem Areal präsent und wollen auch in das neue Hofensemble integriert werden. Einfühlungsvermögen ist gefragt. Und dann ist da noch die Familie Weber, die sich nach vier Generationen Pächterschaft Stück für Stück von ihrer Scholle lösen muss. Mit «Respekt und Ehrfurcht» erfülle sie das, sagt Toya Bezzola. Erst vor kurzem habe das neue Team die Familie zum Apéro getroffen, zum Abschied nehmen und Ankommen. In den ersten Monaten des kommenden Jahres soll dann ein Teil der neuen Pächter*innen in die zwei Wohnungen auf dem Areal ziehen.

tracking pixel