Der natürliche Kachelofen war ein schöner Traum
Der Stadtberner Energieversorger ewb muss eine millionenteure Hoffnung begraben: Die Idee, im Sommer produzierte Wärme tief unten im Sandstein für den Winter zu speichern, lässt sich nach Testbohrungen nicht realisieren.
Die Enttäuschung muss man aus dem betont nüchtern gehaltenen Communiqué von Energie Wasser Bern (ewb) aktiv herauslesen: «Der Sandstein weist die nötigen Eigenschaften für den wirtschaftlichen Betrieb des Geospeichers nicht auf», heisst es da. Im Klartext bedeutet das: Ein wichtiger und sehr eleganter Baustein für den ökologischen Umbau der Wärmeversorgung in der Stadt Bern ist – zumindest mit heutiger Technologie – mit vernünftigen Kosten nicht verwirklichbar.
Um zu verstehen, was die Enttäuschung von ewb konkret heisst, muss man kurz in den aktuellen Stand der Berner Wärmeversorgung eintauchen. Gerade wird das Fernwärmenetz, vor allem in Berns Westen, in einer riesigen Operation für eine halbe Milliarde Franken um 36 Kilometer ausgebaut. Bis 2035 sollen 20’000 weitere Haushalte daran angeschlossen werden. Die Wärme dafür liefert ewb hauptsächlich von der Energiezentrale im Forsthaus aus, wo unter anderem Kehricht verbrannt wird, aber auch ein Holzheiz- und ein Gas-Dampf-Kraftwerk in Betrieb sind. Die Anforderungen der rot-grün regierten Stadt sind klar: Bis 2045 soll der CO2-Ausstoss auf Netto-Null reduziert werden.
Bedeutet: Die produzierte Wärme muss effizienter als bisher genutzt werden. Und da gibt es ein grosses Problem.
Zu viel Wärme, zu wenig Wärme
Wärme wird nicht nur dann produziert, wenn sie auch gebraucht wird. Im Sommer, wenn kein Mensch heizt, verpufft die Wärme der Kehrichtverbrennung weitgehend ungenutzt durch den Kamin. Um das zu künftig zu vermeiden, verfolgt ewb seit 2017 ein ehrgeiziges Projekt, das den sperrigen Namen Geospeicher trägt.
Dieser funktioniert, salopp gesagt, so: 500 Meter unter der Erde gibt es poröse Sandsteinschichten. In diese könnte man mit der überschüssigen Sommerwärme erhitztes Wasser hinunterpumpen, das den Fels aufwärmt. Dieser vermag die Wärme monatelang zu speichern, wie ein riesiger, natürlicher Kachelofen. Im Winter kann das in der Tiefe erwärmte Wasser wieder an die Oberfläche gepumpt und in das Fernwärmenetz eingespiesen werden.
Gemäss Berechnungen von ewb könnte der Geospeicher unter dem Bremgartenwald Wärme für 1500 grosse Wohnungen liefern – ein relevanter Beitrag an die städtische Wärmeversorgung. Kürzlich hat ewb das Holzheizkraftwerk auf dem Rehhag-Areal bei Oberbottigen in Betrieb genommen, das ungefähr gleich viel Energie liefert.
Die Berner Geospeicher-Idee weckte landesweites Interesse. Das Bundesamt für Energie sah darin ein pionierhaftes Forschungsprojekt und unterstützte aufwändige Testbohrungen mit Millionenbeträgen. Ab 2023 sah man von der Autobahn aus beim Forsthaus eine für schweizerische Verhältnisse spektakuläre Baustelle mit einem hohen Bohrturm, auf der Tag und Nacht gearbeitet wurde.
10 Millionen Franken
Allerdings zeichnete sich recht bald ab, was ewb nun der Öffentlichkeit kommuniziert: Der Sandstein, den die Geospeicher-Pioniere 500 Meter unter Boden erbohrten, war feinkörniger als angenommen. Wasser durch ihn hindurchzupumpen, erwies sich als schwierig. Zwar gelang es, Wasser mit Druck hinunterzuschicken und den Fels zu erwärmen. «Aber wir kriegen die Wärme nicht wieder nach oben», erklärt Christoph Wanner, Geologe an der Universität Bern.
Deshalb zieht ewb jetzt einen zumindest vorläufigen Schlussstrich unter das Abenteuer Geospeicher, das ewb laut Marcel Ottenkamp, Leiter Energiewirtschaft bei ewb, knapp 10 Millionen Franken gekostet hat. Gelder in gleicher Höhe flossen von der Eidgenossenschaft in das Projekt.
Er würde den Abbruch «eher als Denkpause bezeichnen», sagt der zuständige ewb-Projektleiter Urs Spring. Man habe wissenschaftlich und technologisch «extrem viel gelernt». Und er schliesse nicht aus, dass die experimentellen Bohrungen beim Forsthaus dereinst in einem anderen Geschäftsfeld von Nutzen sein könnten: Ein grosses Thema der Klimazukunft ist die unterirdische Einlagerung von CO2. Es sei nicht ausgeschlossen, so Spring, dass der als Geospeicher ungeeignete Sandstein genau dafür geeignet wäre.
Zwischengelagerter Kehricht
Vorerst muss der Fokus von ewb allerdings der oberirdischen Wärmeproduktion gelten. Weil die Wärme, die der unterirdische Geospeicher dem Fernwärmenetz geliefert hätte, nun nicht zur Verfügung stehen wird, ist ewb gefordert, ökologischen Ersatz zu suchen – denn die Wärmenachfrage wächst. «Was klar ist», sagt Marcel Ottenkamp, «wir arbeiten an unterschiedlichen Lösungsansätzen, um die ökologische Wärmeversorgung in die Spur zu bringen.»
Ein Beispiel: ewb bemüht sich, das Verbrennen von Kehricht zeitlich dem Wärmeverbrauch anzupassen. Abfallballen werden teilweise in der Deponie Teufental bei Mühleberg zwischengelagert und erst dann der Verbrennung zugeführt, wenn die Wärmenachfrage gross sei.
Von grosser strategischer Bedeutung ist laut den ewb-Verantwortlichen ein Projekt auf einem firmeneigenen Gelände im Weiler Buech unweit des Westside. Dort plant ewb den Bau einer neuen Energiezentrale und direkt daran anschliessend ein Feld, das mit Erdsonden bestückt werden. In diesen soll saisonal überschüssige Wärme gespeichert und bei Bedarf abgezogen und ins Netz befördert werden.
So elegant, kompakt und leistungsfähig wie der natürliche Kachelofen im Sandstein sei diese Lösung nicht. Aber «eine ökologische Wärmeversorgung ist ein sich stets veränderndes Puzzle», sagt Urs Spring. Gefragt ist die Bereitschaft, immer wieder neue Bausteine dafür zu entwickeln.