Hauptstadt-Brief Spezial – Fussball-EM #2

Die Schweiz trifft im zweiten Gruppenspiel auf Island. Frau Tifosa vom legendären Blog Zum Runden Leder berichtet von ihrem Weg zum Frauenfussball.

Norways Frida Maanum agains Switzerlands Viola Calligaris at UEFA Women's EURO - Switzerland vs. Norway at St. Jakob-Park in Switzerland captured on the 02.07.2025. (liveit.ch / Manuel Lopez)
Norwegens Frida Maanum (links) im Duell mit der Schweizerin Viola Calligaris im Eröffnungsspiel in Basel. (Bild: Manuel Lopez)

Im letzten EM-Newsletter durfte mein Chef, der ChefredaktoRrr, ran. Nun bin ich an der Reihe. Frau Tifosa ist mein Name. Halb Schweizerin, halb Italienerin. Weil ich mich beim Paninibildli nicht für eines der zwei Länder entscheiden konnte, prangt jetzt die Flagge meiner ehemaligen Wahlheimat Schottland über meinem Kopf.

Im Runden Leder bin ich Frauenfussballexpertin. Aber unter uns: Frauenfussballexpertin zu werden ist bei einer doch etwas herrenlastigen Redaktion gar nicht so schwer.

Den von Frauen gespielten Fussball entdeckte ich im Sommer 2019, als ich während meiner Semesterferien vor dem Fernseher sass und mir die Gruppenspiele der Weltmeisterschaft anschaute. Erstmals sah ich fussballspielende Frauen in grossen und gut gefüllten Stadien, tolle TV-Produktionen und Fussballstars, die aussahen wie ich. Es fühlte sich historisch an und ich wusste: Da muss ich hin. Mit Interrail- und drei Matchtickets im Gepäck machte ich mich allein auf den Weg nach Frankreich.

Das Abenteuer war ein voller Erfolg, es zog mir komplett den Ärmel rein und weitere Reisen an Grossanlässe folgten. Nur an die WM in Australien und Neuseeland durfte ich nicht, der Chef hatte meinen Spesenantrag abgelehnt. Umso mehr freue ich mich seit Monaten wie ein kleines Kind auf die EM im eigenen Land. Doch das mit der Vorfreude ist so eine Sache, denn sie birgt immer auch das Potenzial einer grossen Enttäuschung.

Nach der ersten Turnierwoche kann ich glücklicherweise sagen: Meine Erwartungen wurden übertroffen. Noch nie war ich an einem Fussballturnier der Frauen, das in den Städten so sichtbar ist wie dieses. Da sind Fussballerinnen, die mich überall von Werbeplakaten anlachen. Die Fanzone, in der das Public Viewing auch bei Spielen ohne Schweizer Beteiligung gut besucht ist. Gruppen von Mädchen aus ganz Europa, die sich nach stundenlangem Erkunden der Stadt in der Aare abkühlen. Und da ist ein Publikumsrekord im Wankdorf.

Und vor allem bot die EM bis jetzt viele interessante Spiele und grosses fussballerisches Spektakel. Das Beste daran: Das war erst der Anfang. Ich bin gespannt, was in den nächsten drei Wochen noch auf uns zukommen wird.

Hauptstadt-Brief Spezial

Den ganzen Juli über findet in der Schweiz die Fussball-EM der Frauen statt. Vier Spiele davon werden in Bern angepfiffen. Die «Hauptstadt» nimmt das zum Anlass für einen Hauptstadt-Brief Spezial. Dazu spannen wir mit dem legendären Berner Fussball-Blog Zum Runden Leder zusammen: Im Vorfeld der Berner Spiele sowie vor den Halbfinals und dem Final schreiben die Autor*innen des Blogs über die EM – kompetent, niederschwellig und humorvoll. Mehr dazu erfährst du hier. Und hier kannst du dich für den Hauptstadt-Brief anmelden.

Ebenfalls wissenswert:

  • Fussballfest: Das Schweizer Nationalteam hat sein erstes Spiel gegen die Norwegerinnen trotz einer über weite Strecken starken Leistung unglücklich mit 1:2 verloren. Die Stimmung im und rund um das Stadion war phänomenal und auch ausserhalb Basels war das Interesse am Spiel sehr gross. Die Public Viewings, wie zum Beispiel jenes in der Fanzone auf dem Bundesplatz, waren voll. Zuhause sass die Schweiz vor dem TV und schaute zu: Bis zu 822'000 Menschen verfolgten das Spiel auf SRF – eine unglaubliche Einschaltquote für ein Frauenfussballspiel. Weiter geht es für die Schweizerinnen heute Abend um 21 Uhr im Wankdorf gegen Island. Hier gilt: Verlieren verboten!
  • Fussballverbot: In den Zeiten hiesiger Fussballeuphorie ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass das Recht, als Frau Fussball zu spielen, alles andere als selbstverständlich ist. Während das Schweizer Frauennationalteam das Joggeli füllt, ist es ihrem afghanischen Pendant unter dem Talibanregime strengstens verboten, einen Ball zu kicken. Die Autobiografie der ehemaligen Kapitänin Khalida Popal mit dem Titel «Meine wundervollen Schwestern» ist kürzlich in der deutschen Übersetzung erschienen. Ein unglaublich eindrückliches Buch von einer noch viel eindrücklicheren Person.
  • Out and Proud: Während Homosexualität im Männerfussball weiterhin ein Tabu ist, ist dies im Frauenfussball etwas anders. So berichtet das Portal Outsports, dass mindestens 78 der 368 Spielerinnen an der EM in irgendeiner Form der LGBTQ-Community angehören. Wales und Belgien haben je neun offen queere Spielerinnen im Kader.

PS: Drei Spiele habe ich schon gesehen, zwölf weitere Stadionbesuche stehen noch auf dem Programm. Möchtest du aus erster Hand wissen, was ich in den nächsten Wochen so alles erlebe, wen ich treffe und wo ich gerade zweiundzwanzig einem Ball hinterherrennenden Frauen zuschaue? Dann folge dem Instagramkanal des Runden Leders.

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