Hauptstadt-Brief Spezial – Fussball-EM #5
Herr Rrr ist für Gleichberechtigung. Aber im Ernst: Wer will überhaupt zuschauen, wenn die jetzt wieder Fussball spielen?
Jetzt wollen die also auch Fussball spielen? Ich weiss nicht recht ... irgendwie seltsam. Klar, Gleichberechtigung ist wichtig. Wenn sie unbedingt wollen, dürfen sie natürlich. Wir sind eine freie Gesellschaft. Aber ob das wirklich jemand sehen will?
Weil eins ist klar: Fussball ist ein Kontaktsport, da geht es halt manchmal auf die Knochen. Und Männer ertragen keinen Schmerz, das ist allgemein bekannt. Du kannst dir ja vorstellen, wie das dann abgeht: Beim kleinsten Schubser wälzen sie sich am Boden und schon wieder steht das Spiel minutenlang still. Kaum geht es weiter, verpetzt irgendeiner den anderen beim Schiri, er habe ihn hinterrücks angespuckt. Oder ein anderer erzielt zwar ein wunderschönes Tor, aber eventuell hat sein kleiner Finger kurz zuvor den Ball gestreift.
Das ist jetzt ein Fall für den VAR, natürlich auch ein Mann. Der bläst Trübsal in einem fensterlosen Keller mit anderen trübseligen Männern. Zusammen studieren sie eine gefühlte Ewigkeit lang Bewegtbilder in Superzeitlupe aus neun Kameraperspektiven, ehe sie merken, dass der Passgeber bei der Ballabgabe ohnehin zwei Nanomillimeter im Abseits stand. No Goal!
Das Publikum leider auch nicht besser. Dominiert von jungen, leicht erregbaren Männern in der Fankurve, die einheitlich schwarz gekleidet sind, sich als Hüter der einzig wahren Fussballkultur aufspielen, allerlei dröges Liedmaterial in Endlosschlaufe vortragen, nach dem Spiel gerne noch Ärger mit den gegnerischen Fans suchen – und das alles nur, weil der Frontallappen bei jungen Männern unter 25 noch nicht ausgereift ist und die Impulskontrolle deshalb des öftern versagt.
Männerfussball! Wie gesagt, ich weiss nicht so recht. Falls es dich trotzdem reizt: Die neue Super-League-Saison beginnt am kommenden Wochenende. Und damit zurück zum Frauenfussball.
Den ganzen Juli über findet in der Schweiz die Fussball-EM der Frauen statt. Vier Spiele davon werden in Bern angepfiffen. Die «Hauptstadt» nimmt das zum Anlass für einen Hauptstadt-Brief Spezial. Dazu spannen wir mit dem legendären Berner Fussball-Blog Zum Runden Leder zusammen: Im Vorfeld der Berner Spiele sowie vor den Halbfinals und dem Final schreiben die Autor*innen des Blogs über die EM – kompetent, niederschwellig und humorvoll. Mehr dazu erfährst du hier. Und hier kannst du dich für den Hauptstadt-Brief anmelden.
Mehr Frauenfussball:
- Geschwister I: Lauren James steht heute mit England im Halbfinal gegen Italien. Sie träumt vom EM-Titel, der die Sommerbilanz der Familie veredeln würde: Ihr grosser Bruder Reece James gewann gerade die Klub-WM in den USA. Beide Geschwister spielen bei Chelsea.
- Geschwister II: Im zweiten Halbfinal trifft Deutschland morgen auf Spanien. Nicht ins deutsche Kader geschafft hat es Juliane Wirtz vom Bundesligisten Werder Bremen. Sie hat einen Marktwert von 45'000 Euro. Ihr kleiner Bruder Florian spielt auch Fussball. Für ihn zahlte Liverpool neulich 135 Millionen Euro. Früher, als beide noch bei Bayer Leverkusen spielten, gabs mal ein schönes Cover beim Fussballmagazin Elf Freunde.
- Podcast: Meine Redaktionskollegin Frau Tifosa habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Seit Beginn der EM reist sie durchs Land und schaut sich gefühlt sämtliche Spiele an. Immerhin habe ich jetzt ihre Stimme wieder mal gehört: Sie war zu Gast im MVP Podcast von Lea Meister und Nora Vogler.
- Ausblick: Eine EM in der Schweiz – das werde es wohl nie wieder geben, mutmasst Frau Tifosa. Schon bald dürfte ein Land von der Grösse der Schweiz zu klein sein für eine EM oder WM. Das nächste Highlight ist übrigens die WM 2027 in Brasilien – wo beim Frauenfussball noch vieles im Argen liegt, wie der Guardian berichtet. Wo die EM 2029 ausgetragen wird, entscheidet sich Ende dieses Jahres. Im Rennen sind Deutschland, Italien, Polen, Portugal sowie Dänemark/Schweden mit einer gemeinsamen Kandidatur.
PS: An der EM in der Schweiz purzeln die Rekorde. Am Samstag wurde in Basel ein weiterer aufgestellt: Erstmals wurde im St. Jakobpark mehr als die Hälfte aller Tickets an Frauen verkauft. 52 Prozent gingen an Zuschauerinnen, den grössten Anteil machten die 18- bis 29-Jährigen aus.
Ohne Dich geht es nicht
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Das unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Das geht nur dank den Hauptstädter*innen. Sie wissen, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht und ermöglichen so leser*innenfinanzierten und werbefreien Berner Journalismus. Dafür sind wir sehr dankbar. Mittlerweile sind 3’000 Menschen dabei. Damit wir auch in Zukunft noch professionellen Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 3’500 – und mit deiner Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die «Hauptstadt» und für die Zukunft des Berner Journalismus. Mit nur 10 Franken pro Monat bist du dabei!