Hauptstadt-Brief Spezial – Fussball-EM #3
Politik und Sport gehören nicht zusammen. Heisst es immer. Doch was macht Karin Keller-Sutter in einer Loge neben Uefa-Präsident Aleksander Čeferin? Herr Maldini analysiert.
Sport und Politik gehören nicht zusammen. Wurde dir das auch von klein auf eingetrichtert? Mich hat das in den vergangenen Tagen im Rahmen der Fussball-EM beschäftigt.
An einer EM treten verschiedene Länder gegeneinander an. Die Spieler*innen spielen in den Farben ihrer Heimat, die Stadien sind voll mit Trikots und Flaggen verschiedenster Nationen und vor Anpfiff werden die Hymnen mehr oder weniger inbrünstig mitgesungen. Insgesamt dünkt mich das alles doch eher politisch.
Am EM-Eröffnungsspiel vergangene Woche sass Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter in einer Loge neben Uefa-Präsident Aleksander Čeferin. Sicher ein Zufall, die beiden hatten einfach Tickets im gleichen Sektor gekauft. Der Fifa-Chef und unser aller Lieblingswalliser Gianni Infantino bei Donald Trump im Oval Office? Auch das muss ein Zufall sein, Infantino war grad in der Nähe und man kennt sich halt, woher auch immer. Die Liste solcher Beispiele ist beliebig erweiterbar.
Was aber, wenn Sportler*innen vor Anpfiff gegen Rassismus und Diskriminierung protestieren, die Schweizer Nati ihr berühmtes «Stop it Chirac»-Transparent ausrollt oder der deutsche Nationalgoalie Manuel Neuer eine Regenbogen-Kapitänsbinde trägt? Dann gehören Sport und Politik doch nicht zusammen, zumindest aus der Perspektive der Sportverbände.
Vergangene Woche beobachtete ich, wie im Wankdorfstadion Sicherheitskräfte eine Person von der Tribüne entfernten, die eine Palästina-Flagge gezeigt hatte. Im Stadion waren zahlreiche Fahnen, Trikots und Utensilien von Ländern zu sehen, die nicht am Spiel (Spanien-Portugal) beteiligt waren. Aber diese eine Flagge, die ging offenbar zu weit.
Das Gesehene beklemmte mich und die Inkonsequenz der Verbände ärgert mich. Sport und Politik sind in meinen Augen kaum voneinander trennbar. Schon gar nicht an einem Länderturnier.
Und über fragwürdige Sponsorings haben wir noch gar nicht gesprochen...
Den ganzen Juli über findet in der Schweiz die Fussball-EM der Frauen statt. Vier Spiele davon werden in Bern angepfiffen. Die «Hauptstadt» nimmt das zum Anlass für einen Hauptstadt-Brief Spezial. Dazu spannen wir mit dem legendären Berner Fussball-Blog Zum Runden Leder zusammen: Im Vorfeld der Berner Spiele sowie vor den Halbfinals und dem Final schreiben die Autor*innen des Blogs über die EM – kompetent, niederschwellig und humorvoll. Mehr dazu erfährst du hier. Und hier kannst du dich für den Hauptstadt-Brief anmelden.
Noch mehr EM:
- Schweizerinnen anfeuern: Gestern Abend war ich in Genf am Spiel Finnland-Schweiz. Weil Genf gemäss Blick keine Lust auf einen Fanmarsch hatte, reisten wir mit dem ÖV bis zum Stadion. Und sahen in einem nervenaufreibenden Spiel, wie die Schweizerinnen in der Nachspielzeit den Ausgleich erzielten. Riola Xhemailis Treffer in der 92. Minute reichte, damit sich die Schweiz erstmals in ihrer Geschichte für einen EM-Viertelfinal qualifiziert. In diesem trifft sie am kommenden Freitag im Berner Wankdorfstadion entweder auf Italien oder die amtierenden Weltmeisterinnen aus Spanien.
- Blut spenden: Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) hatte im Vorfeld der EM zum Blutspenden aufgerufen. Wegen der hochsommerlichen Temperaturen hätten weniger Menschen Blut gespendet als nötig. Dabei sei das gerade vor den Sommerferien wichtig. Was das mit der EM zu tun hat? In den Blutspendezentren werden die Spiele der Fussball-EM live gezeigt. Eine Glace gibt’s obendrauf. Gespendet werden kann in Bern, Biel, Burgdorf, Langenthal und Thun. Infos und Termine findest du unter ichspendeblut.ch.
- Leben retten: Mit der Kampagne Get Trained Save Lives ist der European Resuscitation Council (übersetzt der «Europäische Rat für Wiederbelebung», kurz ERC) in den Austragungsorten präsent, etwa mit einem mobilen Stand auf dem Berner Bahnhofplatz. Der ERC gibt die Leitlinien für die kardiopulmonale Reanimation (CPR) heraus und schult Lai*innen und Gesundheitspersonal in der Herz-Lungen-Wiederbelebung. Die Kampagne sensibilisiert Fussballfans, im Notfall zu helfen. Auch die Nationalteams und Spitzenclubs wurden in CPR geschult.
- Fussbälle nähen: Die Australierin Emily Hessell ist momentan in der Schweiz unterwegs. Hessell ist Fussballfan und stellt selbst Fussbälle her. Sie schneidet das Leder zu, stanzt Löcher in die Teile und näht diese in Handarbeit zusammen. An der EM lässt sie Fans Einzelteile dekorieren und so an ihrem Hobby teilhaben. Meine Kollegin Frau Tifosa hat sie getroffen.
- Superkräfte bündeln: Die Ersatztorhüterin von Wales, Safia Middleton-Patel, ist Autistin. Volle Stadien, laute Fans und Blitzlichtgewitter sind für sie anstrengend, wie der Spiegel schreibt. Ihr Autismus sei aber gleichzeitig auch ihre Superkraft. Middleton-Patel hat interessante Strategien entwickelt, um ihre Herausforderungen zu bewältigen. Zum Beispiel stellt sie sich Pässe als Legosteine vor.
PS: In seiner jüngsten «Hauptstadt»-Kolumne schreibt der Theologe Tobias Rentsch über König*innen. Eine solche war jüngst auch in Luzern zugegen. Königin Máxima der Niederlande besuchte am Samstag das Spiel der niederländischen Fussball-Nati. Und was machte derweil der König Willem-Alexander? Der musste zuhause bleiben und ein Schützenfest eröffnen, so ein Loser. Lesen Sie für mehr royale News das Runde Leder!
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