Hedda Gabler – die Lust an der Zerstörung

Barbara Weber inszeniert bei Bühnen Bern «Hedda Gabler» von Henrik Ibsen. Das Ensemble trägt den Bühnenklassiker in die Gegenwart, unterstützt von pointierten Kostümen, einem überzeugenden Bühnenbild und treibenden Beats.

Bern 19.2.2025 - HP2 zu Hedda Gabler von Henrik Ibsen, Vidmar 1.  © Annette Boutellier 

Regie: Barbara Weber
Bühne: Simeon Meier
Kostüme: Sara Giancane
Licht: Rolf Lehmann
Dramaturgie: Julia Fahle

Darsteller:innen: Kilian Land, Johanna Schwertfeger, Genet Zegay, Isabelle Menke, André Willmund
Als Ehefrau nur noch fähig zu manipulativen Akten: Hedda Gabler (Yohanna Schwertfeger) mit Ehemann Jørgen Tesman (Kilian Land). (Bild: Annette Boutellier/Bühnen Bern)

Das weiss gestrichene Wohnzimmer mit Kachelofen wird eingerichtet. Eine Wendeltreppe führt in die oberen Geschosse. Das Ensemble trägt eine Chaise Longue herein und Blumen, ganz viele Blumen. Hedda Gabler (Yohanna Schwertfeger) in schwarzen Leggins und Shirt mit streng nach hinten gebundenem Haar macht sich an zwei herabhängenden Gymnastikringen zu schaffen, begleitet vom treibenden Beat des Schlagzeuges, das neben dem Wohnzimmer aufgebaut ist. Bereits die ersten Sekunden dieses Theaterstücks deuten an, welche unterdrückten Kräfte in der androgynen Erscheinung stecken, die während der gesamten Inszenierung dieses Wohnzimmer niemals verlassen wird.

«Hedda Gabler» ist nach «Bernbuch. Meine weisse Stadt» das zweite Stück, das Barbara Weber, frühere Direktorin des Theaters am Neumarkt in Zürich, in Bern inszeniert. Ausserdem gab sie letztes Jahr mit Mozarts «Entführung aus dem Serail» ihr Operndebüt bei Bühnen Bern.

Während in Henrik Ibsens Vorgängerstück «Nora oder Ein Puppenheim» (1879) der Protagonistin der Ausbruch aus engen gesellschaftlichen Verhältnissen gelingt, bleibt Hedda Gabler aus dem gleichnamigen Stück (1890) eine Gefangene, deren unerfüllter Wunsch nach Selbstbestimmung sich in manipulativen Akten äussert. Zuletzt richtet Hedda Gabler ihre Wut gegen sich selbst.

Bern 19.2.2025 - HP2 zu Hedda Gabler von Henrik Ibsen, Vidmar 1.  © Annette Boutellier 

Regie: Barbara Weber
Bühne: Simeon Meier
Kostüme: Sara Giancane
Licht: Rolf Lehmann
Dramaturgie: Julia Fahle

Darsteller:innen: Kilian Land, Johanna Schwertfeger, Genet Zegay, Isabelle Menke, André Willmund
Gerichtsrätin Brack (Isabelle Menke, rechts) probiert ihre Machtspiele an Hedda Gabler aus. (Bild: Annette Boutellier/Bühnen Bern)

Es ist der erste Tag im neuen Heim, Hedda legt ein weisses Korsett und einen weissen Reifrock an, während ihr Ehemann Jørgen Tesman (Kilian Land) freudig seine Pantoffeln auspackt. Die beiden sind gerade erst von einer sechsmonatigen Hochzeitsreise heimgekehrt, auf der sich Tesman seinen Studien widmete, gedanklich bei seiner Professur der Kulturgeschichte, auf die er sich beworben hat.

Bereits auf der Reise wird sich Hedda, Tochter eines Generals, ihrer Fehlentscheidung bewusst: Sie ging alleine aus finanziellen Erwägungen die Ehe ein und langweilt sich bald schon zu Tode. Ihr Gatte versucht ihr jeden Wunsch zu erfüllen, und macht sich dabei zum Hampelmann, den Kilian Land auf tragisch-komische Weise verkörpert. In Aussicht auf die Professur hat sich Tesman verschuldet, um Hedda standesgemäss eine Villa zu kaufen. Fehlt nur noch das Reitpferd. Das Ehepaar gerät in Bedrängnis, als es vom Erfolg Ejlert Løvborgs (André Willmund), des früheren Geliebten Heddas, erfährt.

Machtspiele

Løvborg hat ein Buch publiziert, das hohe Wellen schlägt: Damit könnte er Tesman die Professur streitig machen. Während Tesman seinem Konkurrenten positiv gegenübertritt, setzt Hedda alles daran, die Existenz ihres früheren Geliebten zu zerstören. An Thea Elvsted (Genet Zegay), der früheren Schulkameradin, die Løvborg dabei half, seine Alkoholsucht zu überwinden und sein Manuskript voranzutreiben, testet Hedda ihre Macht.

Beobachtet wird Hedda von Gerichtsrätin Brack (Isabelle Menke), welche in die Ehe dringt und die Kontrolle über Hedda erlangen will. Sie ist das Bindeglied zwischen Innen und Aussen, zwischen der privaten Sphäre und der Gesellschaft mit ihren Gesetzen und Erwartungen. Während im Original Brack eine männliche Figur ist, scheint der Figur in Webers Inszenierung das gelungen zu sein, womit Hedda kämpft: Das geschickte Ausspielen von Macht, ohne sich von den eigenen Gefühlen und Leidenschaften beherrschen zu lassen. Das ist die einzige inhaltliche Bearbeitung, die Weber vorgenommen hat – ansonsten beliess sie den Theatertext in Originalform.

Kostümflut

Dem Ensemble gelingt es, den Figuren etwas Zeitloses zu verleihen, unterstützt von den Kostümen von Sara Giancane. So tritt Hedda in einem ausgestellten langen blauen Bademantel auf, an ein Abendkleid erinnernd, während sie mit ihrer Langeweile kämpft und ihren Pistolen herumspielt. Als sie ihre manipulativen Gedanken in die Tat umsetzt, trägt sie ein schwarzes Kleid, dessen Stoff an einen Skidress erinnert.

Kalt ist Hedda Gabler, sie freut sich erst, wenn sie die anderen scheitern sieht. Mit reduziertem Spiel, die Hände zu Fäusten geballt, zieht Yohanna Schwertfeger das Publikum in ihren Bann. Erst beim Song «Evil» von Mo Sommer brechen sich Heddas Emotionen Bahn. «I felt alive by killing a part of you…» singt Schwertfeger. Ein Drama, kann sich Heddas Wildheit nur im absolut Negativen äussern.

Die musikalischen Elemente, die vom Ensemble gestemmt werden, liefern den Kommentar zum Geschehen und verstärken, wie der Chor im griechischen Theater, die emotionale Botschaft.

So gelingt eine stimmige Inszenierung, die fast beiläufig modern ist. Während die Dramaturgin Julia Fahle im Programmheft auf die Erwartungen verweist, die in unserer Gesellschaft nach wie vor an Frauen gestellt werden, wirft das Stück aber auch die Frage auf, inwiefern sich die Zuschauer*in der eigenen manipulativen Seiten bewusst ist, denn so fremd scheint diese Hedda Gabler, die auch Humor beweist, dann doch nicht zu sein.

Nächste Aufführungen: 27. Februar, 5. März, 13. März, jeweils 19.30 Uhr, Vidmar 1.

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