Insektensterben – «Hauptstadt»-Brief #239
Donnerstag, 2. November 2023 – die Themen: Sonderausstellung; Kleiner Burgerrat; Parteiwechsel, Feuerwehr; Frauenarbeit; Fotoporträt.
Die Burgergemeinde Bern betreibt viele Institutionen – auf eine ist sie aber derzeit besonders stolz. Das zeigte sich unter anderem an der Sitzung des Grossen Burgerrats vom 23. Oktober. Burgergemeindepräsident Bruno Wild lobte dort das Naturhistorische Museum bei der Debatte um dessen Geschäftsbericht überschwänglich: «Die Vielfalt in diesem Haus ist absolut grossartig.» Die neue Ausstellung zum Insektensterben werde ein Hit. «Das Museum hat ein Gespür für die Themen, die in der Gesellschaft brennen», sagte Wild.
Nach der erfolgreichen Ausstellung «Queer» über die Vielfalt in der Natur, greift das Museum mit der Sonderausstellung «Insektensterben – Alles wird gut» wieder ein aktuelles Thema auf. Die Ausstellung startet am Freitag, 3. November und zeigt nicht einfach den aktuellen Forschungsstand zum Thema, wonach die Insekten-Biomasse in Wäldern zwischen 2008 und 2017 um 41 Prozent abgenommen hat. Sie fokussiert auf Lösungen. Die Ausstellung spiele im Jahr 2053 und zeige auf, wie man eine Zukunft schaffen könne, in der die grosse Katastrophe abgewendet werde, schreibt das Museum in einer Mitteilung.
Die Burgergemeinde gilt als konservativ. Bei ihrem erfolgreichen Naturhistorischen Museum, das im vergangen Jahr 141’000 Besucher*innen verzeichnete, trifft diese Beschreibung aufgrund der aktuellen Ausstellungen aber nicht zu. Besonders stolz ist die Burgergemeinde demnach auf ihr progressives Museum. Ein Indiz dafür, dass die Burger*innen in bestimmten Bereichen ihrem Ruf vorauseilen und fortschrittlicher sind, als viele denken.
Einen kleinen Wermutstropfen zum Naturhistorischen Museum musste im Burgerrat der Präsident der zuständigen Kommission doch noch vermelden: Christian Kropf, der wissenschaftliche Kurator der Insektenausstellung und Leiter der Abteilung wirbellose Tiere, wird das Naturhistorische Museum nach 28 Dienstjahren verlassen und eine neue Stelle in Basel annehmen.
Der Geschäftsbericht und die Rechnung des Museums mit einem Aufwand von knapp elf Millionen Franken wurden an der Burgerratssitzung übrigens einstimmig genehmigt.
Und jetzt noch zu anderen Themen des Tages:
- Burgerrätin: Barbara Mühlheim war dreissig Jahre lang Politikerin. Jetzt sitzt sie im Kleinen Burgerrat, der Exekutive der Burgergemeinde. Und es gefällt ihr dort, wie sie im Interview mit meiner Kollegin Jana Schmid ausführt. Bei der Burgergemeinde Bern gebe es kein Hickhack zwischen den Parteien. «Oft hören wir auch, dass Leute, die sich engagieren wollen, genau das schätzen: Dass es um die Sache geht», sagt Mühlheim. In der Politik hingegen habe man viel mehr die Wählerschaft im Nacken.
- Parteiwechsel: Die Berner GLP-Stadträtin Judith Schenk ist per sofort aus der Partei und der Stadtratsfraktion ausgetreten. Die Divergenzen zwischen ihr und der Fraktion seien für eine weitere Zusammenarbeit zu gross gewesen, teilte die GLP am Dienstag mit. Schenk wechselt nun zur SP. Die GLP bedauert, dass sie deshalb einen Sitz verliert. Judith Schenk schrieb auf X (ehemals Twitter), sie trage zu viele Positionen der GLP nicht mit. «Mein Herz sitzt und schlägt laut links.» Beim Parteiwechsel sei ein Stückchen Egoismus dabei, sagte Schenk zudem zu Bund/BZ. «Aber meine Person wurde auch mitgewählt.»
- Feuerwehrfusion: Die Feuerwehr Ostermundigen wird ab 1. Januar 2024 Teil der Feuerwehr der Stadt Bern. Der Zusammenschluss kommt unabhängig von der gescheiterten Gemeindefusion zustande. Bereits seit fünf Jahren praktizieren die Feuerwehren Ostermundigen und Bern eine vertiefte Zusammenarbeit, wie die Berner Sicherheitsdirektion gestern mitteilte. Die Milizfeuerwehr Ostermundigen behalte ihren aktuellen Standort und komme als eigenständiges Milizelement auf dem eigenen Gemeindegebiet zum Einsatz. Werktags werden sechs Berner Berufsfeuerwehrleute in Ostermundigen stationiert sein.
- Frauenarbeit: In der Stadt Bern arbeiteten im Jahr 2021 über 193'000 Beschäftigte. Erstmals waren mit 50,1 Prozent mehr als die Hälfte von ihnen Frauen. Im Gesundheits- und Sozialwesen war der Frauenanteil mit über 75 Prozent am höchsten. 2021 zählte die Stadt Bern 14'810 Arbeitsstätten, wie aus einer Mitteilung von Statistik Stadt Bern hervorgeht. Seit Beginn der Statistik der Unternehmensstruktur im Jahr 2011 stieg die Zahl der Arbeitsstätten um über elf Prozent und jene der Beschäftigten um fast acht Prozent. Besonders deutlich nahm mit 11,7 Prozent der Anteil weiblicher Beschäftigter zu.
- Fotoporträt: Die Berner Szenografinnen Lara Künzler und Sarah de Bruin betreiben zusammen das Label Santa Rosa, das sich nicht so leicht einordnen lässt. Meine Kollegin Danielle Liniger hat sie für ihre Fotokolumne porträtiert.
PS: Die «Hauptstadt» publiziert derzeit nicht nur eine Artikel-Serie zur Burgergemeinde, sondern lädt deren Präsidenten Bruno Wild auch zum «Hauptsachen»-Talk ein. Dieser findet am Dienstag, 7. November im Progr statt. Wild diskutiert dort mit SP-Stadtrat und Burgergemeinde-Kritiker Halua Pinto de Magalhães darüber, wie wichtig die Burgergemeinde für die Stadt ist, und warum immer mal wieder ihre Abschaffung gefordert wird.