Die Bühne im Brückenpfeiler
Im Theaterclub TKKG/U26 treffen junge Erwachsene mit und ohne Fluchterfahrung aufeinander und setzen sich mit sich selbst und dem Thema der Authentizität auseinander. Dieses Porträt ist Teil unserer Mini-Serie «Orte der Hoffnung».
«Lügen ist wie Wassertrinken
so natürlich
so notwendig
Je durstiger ich bin
Desto mehr lüge ich»
Shahi Abbasi liest die Zeilen von seinem Handy ab und spricht jeden Buchstaben vorsichtig aus. Um ihn herum tanzen seine Mitspieler*innen, kommen näher, umrunden ihn und sinken dann alle bei seinem letzten Satz: «Mein Durst ist gestillt» zu Boden.
Für viele Geflüchtete ist es schwierig, in einer neuen Stadt und einem neuen Umfeld Anschluss zu finden. Unsere Mini-Serie «Orte der Hoffnung» über Pfingsten bietet Einblick in drei Berner Projekte, die die Integration unterstützen und Menschen zusammenbringen.
- Teil III: Theater Kennt Keine Grenzen
Im Brückenpfeiler der Monbijoubrücke probt die Theatergruppe «Theater Kennt Keine Grenzen» (TKKG/U26) für ihr Stück «stichfest», das am 29. Juni Premiere hat und sich rund um das Thema «Authentizität» dreht. Die 25 jungen Erwachsenen im Raum, mit blondierten Spitzen oder Millimeterschnitt, einem roten Fussballshirt oder gestreiften Oberteilen, Fluchterfahrung oder keiner, bringen alle ihre eigenen Geschichten mit ins TKKG/U26.
So auch Shahi Abbasi. Der 28-Jährige ist schon das fünfte Jahr in Folge im Theaterclub mit dabei. «Für mich sind das TKKG und die Menschen hier ein Zuhause geworden», erzählt der gelernte Sanitär, der vor acht Jahren aus Afghanistan in die Schweiz gekommen ist. Kaija Eigenmann, eine 18-Jährige Bernerin, die kurz vor der gymnasialen Maturität steht, nickt zustimmend. «Es ist ein Ort, an dem man Menschen kennenlernt, die man sonst nicht treffen würde», sagt sie.
Shahi Abbasi und Kaija Eigenmann empfinden die Sprachbarrieren nicht als Hindernis. «Wenn man sich sprachlich nicht ausdrücken kann, braucht man eben die Körpersprache. Zum Beispiel die Schultern», sagt Shahi Abbasi lachend, während er die Schultern auf und ab bewegt.
Theater für alle
Auch Elena Maron und Luzius Engel, die die Gruppe leiten, nehmen davon Gebrauch. Vom Rand aus lenken sie die Probe, rufen Kommentare auf Deutsch und Englisch in die Runde und unterstreichen das Gesagte mit Gesten. «Ich sehe die Sprachthematik nicht als Barriere, sondern als Challenge», sagt Elena Maron. Es liege in ihrer Verantwortung, das Theaterspielen für alle möglich zu machen, meint die Theaterpädagogin.
Neben dem TKKG/U26 leitet Maron auch das TKKG West, einen Ableger des Projekts, welcher dieses Jahr am Kulturfest «QUART» vom 3.-10. Juni in Bern West auftritt. Die beiden Projekte werden von Junge Bühne Bern und Katholische Kirche Region Bern und weiteren Stiftungen finanziert, welche ermöglichen, dass alle Teilnehmer*innen mit Ausweis F, N oder S kostenlos am Projekt mitwirken können.
Die Proben stehen jetzt kurz vor dem Ende. Auf dem Programm stehen noch: Kostüme, Flyer und Texte auswendig lernen. Alle Spieler*innen haben im Stück einen Monolog. Wie Shahi Abbasi, bei dem es um Lügen und Wassertrinken geht oder Kaija Eigenmann, die in ihrem Text über die Frage «Wie authentisch kann ich überhaupt sein?» nachdenkt. Egal, woher sie kommen oder wie gut sie Deutsch können – alle vom TKKG/U26 bringen einen Teil von sich selbst und ihren Geschichten auf die Bühne.