Geschichten aus den Gärten

Inmitten von Bern haben Migrant*innen die Möglichkeit, sich in einem eigenen kleinen Garten zu entfalten, alte und neue Kräuter zu pflanzen und in der neuen Heimat anzukommen. Dieses Porträt ist Teil unserer Mini-Serie «Orte der Hoffnung».

Illustration eines integrativen Berner Projektes für Migrant*innen
(Bild: Silja Elsener )

«Was macht ihr, wenn die Schnecken eure Pflanzen befallen?» fragt Mona Baumann, Leiterin des HEKS-Gartens im Fischermätteli, in die Runde. «Wir essen sie, wie in Frankreich», ruft einer der Teilnehmenden aus der Ecke. Die Gruppe bricht in Gelächter aus. Über ihnen leuchtet das Blau des Himmels, Vögel zwitschern. Ab und zu fährt ein Zug vorbei, sonst ist es ruhig. Seit zehn Jahren gibt es dieses kleine Garten-Paradies inmitten von Bern nun schon. Und es hat vielen geholfen, in ihrer neuen Heimat Wurzeln zu schlagen.

Orte der Hoffnung

Für viele Geflüchtete ist es schwierig, in einer neuen Stadt und einem neuen Umfeld Anschluss zu finden. Unsere Mini-Serie «Orte der Hoffnung» über Pfingsten bietet Einblick in drei Berner Projekte, die die Integration unterstützen und Menschen zusammenbringen.

  • Teil I: HEKS-Gärten

Das Angebot des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (kurz HEKS) ist ausgerichtet auf Personen mit Migrationshintergrund, die gerne gärtnern und sozialen Austausch pflegen möchten. Landesweit gibt es über dreissig solche Gärten – und einer davon befindet sich mitten in Bern, in der Nähe der Vidmarhallen. 

Dort machen sich an einem Mittwoch im Mai 22 Menschen mit den unterschiedlichsten Geschichten an Gartenbeeten zu schaffen. Khodadad Mohammedi zeigt stolz auf kleine Sprösslinge im feuchten Boden. «Das ist afghanischer Lauch, den habe ich aus meinem Heimatland mitgebracht», erzählt der ältere Mann. Seine Augen schweifen über all die Beete, 16 sind es insgesamt, und er sagt, dass er am liebsten einen so grossen Garten hätte, nur für sich. Er war in seiner Heimat Landwirt und hatte ein Grundstück mit Bäumen voller Früchte. 

Auch sein Beet-Nachbar trägt eine Geschichte mit sich, so wie alle hier. Er war Geografielehrer in Kurdistan und heisst Jamal Almerey. In seinem Beet wachsen Zwiebeln, Gurken, Bohnen, Zucchini und Rettich. Letzteres hat er auf dem Handy-Übersetzer eingegeben und freut sich, dass ihn die Journalistin versteht. 

Ein Teil ihres Lebens

«Natürlich gibt es Sprachbarrieren», erzählt Leiterin Mona Baumann, die als Freiwillige auch im Zehendermätteli gärtnert. «Aber alle in der Gruppe übersetzen füreinander, so gut sie können.» Baumann hat bei den wöchentlichen Treffen auch immer Zeichnungen und Fotos dabei – so etwa, wenn sie vom Schneckenproblem erzählt und was man dagegen tun kann. Die Teilnehmenden, darunter kleine Kinder, Teenager, aber auch junge Frauen und alte Männer, geben die Zeichnungen im Kreis herum, beraten sich untereinander und studieren sie genau. 

Und wenn da eine Sprachbarriere ist – lachen alle über den Schnecken-Witz, den ein Teilnehmer macht. «Den Migrant*innen hilft es sehr, einen kleinen Teil im Leben zu haben, den alleine sie beeinflussen und bewirtschaften können. Wie ihr Beet», sagt Mona Baumann. 

Für Adiba Anez aus Afghanistan ist ihr Beet genau das – ihr kleines Zuhause. Ein Rückzugsort, der alleine ihr gehört. Erdbeeren wachsen da und fein duftende Minze. Salat spriesst aus der Erde und Blumen strecken ihre Köpfe hoch. 

Und während auf der Strasse nebenan ein Bus vorbeifährt, widmen sich Khodadad Mohammedi, Jamal Almerey und Adiba Anez wieder ihren kleinen Gärten, in denen neue Pflanzen und neue Geschichten aus dem Boden wachsen.

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